Vorsichtige Wachstumsprognosen druecken Kurs der Microsoft-Aktie Von Arnd Wolpers*

13.08.1993

Die Ankuendigung Microsofts, das Wachstum werde 1994 hinter dem des Vorjahres zurueckbleiben, sorgte fuer einen achtprozentigen Kurseinbruch an nur einem Boersentag. Auch andere Softwaretitel wie Powersoft, Lotus Development und Sybase verzeichneten zum Teil erhebliche Kurssenkungen.

Das Ereignis beweist, dass sich die Microsoft-Aktie bei einem Kurs-Gewinn-Verhaeltnis von an die 30 auf duennem Eis bewegt. Es genuegen schon kleine Enttaeuschungen, die den Wachstumsoptimismus beeintraechtigen, um erhebliche Kurskorrekturen auszuloesen. In der Spitze buesste der Microsoft-Kurs seit seinem Hoch im zweiten Quartal 1993 mit 25 Dollar ein Viertel seines Wertes ein.

Vergleicht man die aktuelle Boersenbewertung mit dem 1993 erzielten Umsatz von 3,7 Milliarden Dollar, so wird deutlich, welch hohe Margen Microsoft erwirtschaften muss, um diesen Wert zu untermauern. Auf aktueller Kursbasis wird das Unternehmen mit 20,7 Milliarden Dollar bewertet, das entspricht immer noch dem 5,6fachen des Umsatzes.

Der Zeitpunkt, den Optimismus der Analysten ein wenig zu daempfen, war von Microsoft gut gewaehlt. Gerade erst hatte das Unternehmen mit Zahlen fuer das laufende Geschaeftsjahr (30. Juni) geglaenzt, die noch etwas besser ausgefallen waren als die ohnehin schon hochgeschraubten Erwartungen. So wurde der Gewinn pro Aktie mit 3,15 Dollar nach 2,41 Dollar im Vorjahr ausgewiesen. Die meisten Analysten hatten etwas niedrigere Gewinne erwartet. Es ist sicherlich vernuenftig, in einer solchen Phase uebertriebene Umsatz- und Margenerwartungen der Marktbeobachter zu daempfen und den Kurs - wenn auch mit 25 Prozent drastisch - kontrolliert herunterzuschleusen. Man wuenscht sich als Marktbeobachter, dass boersennotierte Software-Unternehmen auch bei uns rechtzeitig auf uebertriebene Hoffnungen aufmerksam machen und nicht, wie beispielsweise im vierten Quartal 1992 bei SAP geschehen, den Optimismus noch unterstuetzen, obwohl sich die Entwicklung des laufenden Quartals schon deutlich schlechter darstellt als die gehegten Erwartungen.

Branchenkenner werten die Einfuehrung von Windows NT durch Microsoft weniger als kaufmaennischen denn als strategischen Vorgang. Es gelte bis zur Einfuehrung neuer objektorientierter Betriebssysteme, die Marktposition oberhalb von MS-DOS besetzt zu halten. Man hat als Beobachter den Eindruck, als wuerde Microsoft nach dem Motto "Alles oder Nichts" einen Angriff auf den Client- Server-Markt planen, um dort eine aehnliche Marktstellung zu erreichen, wie dies im PC-Bereich gelungen ist. Bedauerlicherweise muesste man fuer eine vernuenftige Boersenprognose wissen, wie der Kampf zwischen Microsoft und der Unix-Welt ausgehen wird. Das weiss jedoch nicht einmal Bill Gates. Wer also auf dem heutigen konsolidierten Niveau Microsoft kauft, spekuliert auf eine auch kuenftig ueberragend starke Marktstellung der Gates-Company, die aber im Client-Server-Markt erst noch erobert werden muss.