Vorsicht bei Gehaltsforderungen

30.11.2001
Von in Alexandra
Bereits in wirtschaftlich rosigen Zeiten gehören Gehaltsverhandlungen zu den schwierigen Situationen im Berufsleben. Man möchte seinen Chef nicht vor den Kopf stoßen, sich aber auch nicht unter Wert verkaufen. An zusätzlicher Brisanz gewinnt das Thema, wenn sich die Konjunktur verschlechtert.

Nullrunden und Abstriche statt üppiger Zuwächse: Zu diesem Schluss kam bereits die aktuelle COMPUTERWOCHE-Gehaltsstudie, die zur Systems im Oktober vorgestellt worden war. Während IT-Profis in den vergangenen Jahren oft mit einer zweistelligen Gehaltserhöhung rechnen konnten, die noch höher ausfiel, wenn sie den Arbeitgeber wechselten, ist jetzt Bescheidenheit angesagt.

Quelle: The European Commission
Quelle: The European Commission

„Momentan ist einfach nicht die Zeit, Gehaltserhöhungen zu fordern. Wer sein Gehalt durch einen Jobwechsel deutlich erhöhen will, sollte lieber abwarten“, so auch das Fazit des Frankfurter Personalberaters Michael Neumann von Hager und Partner, der mit seinen Kollegen vier Wochen lang den interaktiven Gehaltsratgeber auf www.computerwoche.de moderierte und in der Zeit über 200 Anfragen beantwortete.

Wenig Spielraum in strukturschwachen Regionen

In der Online-Diskussion über das Tabu-Thema Gehalt zeigte sich einmal mehr, dass die individuelle Vergütung Verhandlungssache ist, aber auch von vielen anderen Faktoren abhängt - wie der Qualifikation und der Aktualität des Wissens, der Zeit des Eintritts in das Unternehmen und nicht zuletzt auch entscheidend von der Region. So wird etwa in Berlin erheblich schlechter bezahlt als in Frankfurt am Main oder München. Auch Beschäftigte, die in strukturschwachen Regionen wie etwa Ostfriesland arbeiten, haben wenig Spielraum - es sei denn, sie ziehen um. Darum gibt es auch kein Patentrezept, um den eigenen Marktwert richtig einzuschätzen, sondern viele individuelle Tipps.

Wie stark die veränderte wirtschaftliche Lage die Gehaltsperspektiven beeinflusst, zeigt sich am Beispiel des Netzmarktes. Ein 27-jähriger Systemadministrator für Windows NT, der nach vierjähriger Berufserfahrung in Frankfurt am Main 61 355 Euro im Jahr verdient, ist in den Augen von Neuman schon gut bezahlt und hat in der derzeitigen Situation wenig Spielraum. Noch schwieriger wird es für Netzadministratoren, die erst seit einem Jahr in ihrem Job tätig sind. So sind auch für einen 24-jährigen Quereinsteiger, der bei einer Wertpapierhandelsbank als Administrator und Supporter arbeitet und 28 121 Eurobrutto im Jahr verdient, keine großen Sprünge mehr drin.

Auch einem versierten Netzprofi, der seit drei Jahren im TCP/IP-Umfeld tätig ist und sich zum Cisco-Professional (CCDP/CCNP) zertifizieren lässt, wollte Neumann keine zu großen Hoffnungen machen, dass er mehr als den derzeitigen Lohn von 66 468 Euro fordern könne: „Wenn Sie nicht kurzfristig einen neuen Job finden müssen, ist es besser, Sie bewahren Geduld und warten auf ein interessantes Angebot.“

Schlechte Karten für Quereinsteiger

Schlechte Karten in der Gehaltsverhandlung haben vor allem Quereinsteiger: „Sie müssen froh sein, wenn sie zurzeit überhaupt noch Fuß fassen“, so die nüchterne Beobachtung des Frankfurter Personalberaters. Für einen 33-jährigen Studienabbrecher, der eine zweijährige Umschulung zum Anwendungsentwickler hinter sich hat und auch bereits als Web-Designer gearbeitet hat, macht Neumann eine Einstiegsmöglichkeit ab 30 678 Euro aus.

Wenn Unternehmen Quereinsteiger einstellen, um sie dann selbst weiterzuqualifizieren, sollten das Bewerber auch immer bei ihren Lohnvorstellungen berücksichtigen. Auch wenn ein Arbeitgeber teure Zertifizierungen wie etwa von Cisco finanziert, die unter Umständen 35 790 Euro kosten, ist es mittlerweile üblich, dass die bezahlten Kurse als Form der Vergütung gelten und der Mitarbeiter sich beispielsweise in einem Fortbildungsvertrag verpflichten muss, nach Abschluss der Zertifizierung noch eine bestimmte Zeit im Unternehmen zu bleiben - ansonsten muss er die Summe zurückerstatten.

Java-Freaks können mehr verlangen

Allerdings gibt es auch IT-Profis, die trotz der aktuellen Lage Chancen haben, sich finanziell zu verbessern. Das trifft auf alle Experten zu, die noch stark gefragt sind, angefangen von Java-Freaks über erfahrene Abap-Programmierer und SAP-Berater bis zu Experten für die Bereiche Customer-Relationship- und Supply-Chain-Management, UMTS oder Sicherheit.

Einem 39-jährigen Wirtschaftsinformatiker, der seit vier Jahren für eine Frankfurter Unternehmensberatung im Bereich Anwendungsentwicklung (Java, EJB) arbeitet und 61 355 Euro verdient, empfahl Neumann, beim nächsten Personalgespräch ein Plus von 5113 bis 10 226 Euro anzupeilen.

Hoffen kann auch der SAP-Spezialist (31, vier Jahre Berufserfahrung), der die Module Materialwirtschaft (MM) sowie Marketing und Vertrieb (SD) eines paneuropäischen SAP-Systems betreut und aktuell 53 686 Euro verdient. Er plant, als Inhouse Consultant für das Modul SD zu einem Hamburger Hersteller von Luxusgütern zu wechseln. Von seinem neuen Arbeitgeber könnte er Neumann zufolge 61 355 Euro fordern. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass interne Consultants prinzipiell niedriger entlohnt werden als Mitarbeiter bei Unternehmensberatungen, die aber im Gegenzug eine enorme Flexibilität und Reisebereitschaft verlangen.

Consultants sollten verhalten agieren

Doch auch der Beratermarkt bleibt von den Konjunktureinbrüchen nicht verschont. Angesichts der Entlassungen bei einigen Unternehmensberatungen sollten auch Consultants in Sachen Gehalt eher verhalten agieren. Beispiel: Eine 35-jährige IT-Beraterin, die seit 14 Monaten im Unternehmen ist, verdient momentan 46 016 Euro und sollte im nächsten Entwicklungsgespräch nicht mehr als 51 129 Euro fordern. Zudem sollten Mitarbeiter immer die wirtschaftliche Lage ihrer eigenen Firma berücksichtigen, bevor sie mit ihren Forderungen auftreten.

Neumann nennt ein Beispiel: „ Bei einer normalen Unternehmensberatung liegt der Pro-Kopf-Umsatz bei etwa 102 258 Euro bis 153 388 Euro (inklusive aller Mitarbeiter wie Sekretärinnen). Bei führenden Strategieberatungen geht dieser Umsatz schnell in Richtung 306 775 Euro. Daran kann man erkennen, wie hoch die Marge der realisierten Projekte im Haus ist. Je besser die Firma verdient, desto besser verdienen in der Regel die Mitarbeiter.“

Abstriche müssen neben Quereinsteigern auch Hochschulabsolventen machen. Selbst einer Diplominformatikerin mit Promotion stellt der Personalberater in dem Online-Forum nicht mehr als 40 903 Euro im Jahr in Aussicht. Ein Wert, den sehr gut qualifizierte Einsteiger im Boomjahr 2000 noch locker überschritten. Wer in den vergangenen beiden Jahren die Gunst des Fachkräftemangels für sich zu nutzen wusste und hoch gepokert hatte, sollte es sich gründlich überlegen, ob er sich einen neuen Arbeitgeber sucht. Headhunter Neumann rät davon ab, da im Falle eines Jobwechsels mittlerweile teilweise nicht einmal das hohe bisherige Gehalt erneut erzielt werden könne, von einer Steigerung ganz zu schweigen.

Ein SAP-Gesamtprojektleiter in einem Beratungsunternehmen, der sich nach sechs Jahren Berufserfahrung mit Schwerpunkt E-Procurement bei 97 146 Euro Jahresgehalt bewegt, liege schon im oberen Drittel und werde sich schwer tun, seinem Arbeitgeber noch mehr zu entlocken. Dass sich Führungsverantwortung aber auszahlt, zeigt das Beispiel eines Chief Technology Officers (CTO). Der Diplominformatiker, der seit zehn Jahren Software entwickelt und seit drei Jahren als Projektleiter tätig ist, steht vor dem Aufstieg zum CTO in einem Internet-Startup. Als Mitglied des Vorstands sollte er nach den Erfahrungen von Neumann mindestens 76 694, wenn nicht 102 258 Euro im Jahr verdienen. Allerdings macht der Personalberater darauf aufmerksam, dass der CTO nicht nur Rechte und Verantwortung hat, sondern als Mitglied der Unternehmensführung auch rechtlich belangt werden kann.