Von Hardware-Herstellern und Service-Firmen in die Zange genommen:\Schwere Zeiten für US-Systemhäuser

12.09.1980

Amerika zählt etwa viereinhalbtausend unabhängige Systemhäuser mit einem Jahresumsatz von an die 4,1 Milliarden Dollar (1979) und Zuwachsraten um die 40 Prozent per anno. Doch so schön diese Zahlen auf den ersten Blick aussehen - sie werden überschattet von dunklen Wolken, die am Horizont aufziehen.

Gleich von zwei Seiten her, so fürchten die Anbieter von Turnkey-Systemen in den USA, dürften sie künftig in die Zange genommen werden. Einmal von den Hardware-Produzenten, zum anderen seitens der DV-Service-Gesellschaften ß la Tymshare etc. Das ist nicht weiter verwunderlich, macht doch ein Turnkey-Marktvolumen von voraussichtlich mehr als 18 Milliarden Dollar 1984 jetzt auch jenen Appetit, die sich bislang bloß nebenbei mit der Installation schlüsselfertiger Komplettsysteme (Hard- und Software aus einer Hand und mit einheitlicher Verantwortung) befaßten. Sie sehen nicht ein, warum die Systemhäuser noch länger 85 Prozent des attraktiven Turnkey-Markts unter sich aufteilen sollen. (Die Zahlen stammen übrigens vom kalifornischen Marktforschungsinstitut Input).

Mehr als simple Hardware-Mixer

Sollten die Turnkey-Leute also 1984 wirklich 18 Milliarden Dollar umsetzen, so dürften die Systemhäuser dann nur noch knapp die Hälfte davon liefern, schätzt Input weiter. Der Rest des Kuchens geht an Mainframer und "Mini"-Häuser wie DEC, IBM oder Data-General, die das Geschäft mit der Anwendungssoftware ohnedies zusehends vorantreiben. Diesen Trend belegen Zahlen: Data-General beispielsweise, so meldete kürzlich "Business Week", will in etwa drei Jahren rund 50 Prozent seiner Computer direkt an Endbenutzer liefern, während es heute erst 35 Prozent sind. Entsprechend verringern sich - und nicht nur bei Data-General - die Marktnischen für Systemhäuser (und andere OEM-Kunden).

Welches Marktsegment steuern die Mainframer auf dem Weg ins Turnkey-Business vorrangig an? - Natürlich das größte und zudem (relativ) einfach zugängliche, nämlich des der typischen Verwaltungs-, Buchhaltungs- und Abrechnungssysteme, von dem ja auch gut jedes dritte Systemhaus lebt. Gegen die Kapitalkraft und auch das Image der Mainframer wird sich, geht der Kampf um die Marktanteile erst so richtig los, dann hier wohl nur noch das Systemhaus behaupten können, das ganz spezielle Probleme zu lösen imstande ist; Jobs, denen man mit 0815-Angeboten nicht gerecht wird. Ihnen räumt man auch seitens der Computerhersteller zumindest verbal gute Überlebens-Chancen ein.

Verlockende Außer-Haus-Offerten

Mit typischen Jahresumsätzen zwischen ein und fünf Millionen Dollar sind Systemhäuser größenmäßig ohnedies geradezu prädestiniert, sich engen, aber anspruchsvollen Marktsegmenten besonders intensiv zuzuwenden, meinen Kenner der Problematik. Zumal sie in den letzten Jahren

ohnedies immer weiter auf einem Entwicklungspfad voranschritten, auf dem die einstigen simplen Hardware-Mixer ("billig! billig!") zusehends qualifiziertere Anbieter ausgefeilter Anwendungssoftware wurden, mit Spezialisierungen, die von Laborcomputern bis zu Bank-Systemen reichen. Und die Informations- und Verwaltungslandschaft kennt noch genug "weiße Flecke", die in den nächsten Jahren für die EDV erst noch entdeckt werden müssen.

Doch was ist mit dem zweiten Backen der Zange, den Service-Firmen mit ihren verlockenden "DV-Außer-Haus"-Offerten? Nun, zunächst werden sie zwar selber von einigen Systemhäusern, die ihrerseits Datenfernverarbeitungsdienste offerieren, attackiert, doch á la longue dürfte die umgekehrte Entwicklung überwiegen: Mehr und mehr installieren Unternehmen wie Tymshare oder ADP (Automatic Data Processing) direkt am Ort des Geschehens Turnkey-Systeme. Dabei reklamieren sie - als Großunternehmen von mehreren Hundert Millionen Dollar Jahresumsatz - gern das bessere Know-how für sich und wollen den kleinen Systemhäusern nur Kompetenz für ganz enge Marktnischen mit hochspeziellen Aufgaben zugestehen. Und solche Spezialisten kaufen sie dann teilweise auch noch selber auf.

So sieht die Zukunft der US-Systemhäuser verhangen, aber interessant aus: Immerhin können sie noch Wetten darüber abschließen, ob in den nächsten Jahren die größere Bedrohung von den Hardware-Produzenten oder den Service-Unternehmen ausgehen wird. Ob man sich in dieser unguten Lage nicht lieber zusammenschließt - zumal man Wetten ohnedies besser im engen Kreis vertrauter Freunde abschließt?

Egon Schmidt ist freier Fachjournalist in München.