Automatische Rechnungsverarbeitung

Volltreffer für die Buchhaltung

06.09.2004
Von 
Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.

„Für eine hohe Trefferquote reicht eine gute Texterkennung allein nicht aus: Erst eine Validierung - also der Abgleich mit Datenbanken wie Kundenstamm, Bestell- und Artikeldaten - macht vernünftige Erkennungsraten möglich“, so Experte Kappus. Dabei kommen Verfahren aus der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz, die im Zusammenspiel mit Wissensdatenbanken Trefferquoten erreichen, die weit über denen einer reinen Optical Character Recognition (OCR = optische Zeichenerkennung) liegen. Software- Anbieter sprechen deshalb gerne von Intelligenter Texterkennung oder ICR - Intelligent Character Recognition. Die Eignung der Systeme für bestimmte Einsatzzwecke hängt aber noch von weiteren technischen Besonderheiten ab. Zwei unterschiedliche Technologien streiten um die Gunst der Kunden im Bereich der automatischen Rechnungsverarbeitung. Bei so genannten Template- basierten Systemen muss das Rechnungsformular jedes Lieferanten anfänglich einmal hinterlegt werden. Auf Basis dieser Schablone erkennt dann das System die relevanten Felder wie Rechnungsnummer, Beträge, Datum oder Umsatzsteuer-Ident-Nummer.

Nordmilch hingegen benutzt ein so genanntes Freiform-System. Diese Systeme arbeiten Schlüsselwort-basiert, sie können nicht nur spezielle Positionen auf dem Formular auslesen, sondern Schlüsselwörter finden und mit hinterlegten Regeln verarbeiten. Beispiel: Finde das Wort „Rechnungsnummer“, suche rechts davon oder darunter nach einer Zeichenfolge und übernimm diese anschließend in das Feld Rechnungsnummer.

„Ein Template-basiertes System kam für uns nicht in Frage“, betont Nordmilch- Projektleiter Witten. „Bei unseren über 8000 Lieferanten hätte der Aufwand für die Erfassung der Rechnungsformulare den Rahmen gesprengt.“

Dabei verwischt die Grenze zwischen den verschiedenen Systemen zunehmend: Auch ursprünglich Template-basierte Systeme setzen zusätzlich Schlüsselwortund Regelmechanismen ein. Zudem sind meist beide Typen in der Lage, die Plausibilität der erkannten Felder im Abgleich mit Lieferantenstamm, Kreditoren-Buchhaltung, Bestelldaten oder Artikeldatenbank zu überprüfen und so dieQualität der Erkennung weiter zu erhöhen.

Hohe Trefferquote

Bis zu 300 Rechnungen täglich bearbeitet die Kreditoren-Buchhaltung der Volkswagen Originalteile Logistik Vertriebszentrum West (VW OTLG). Anders als Nordmilch nutzt das 500 Mitarbeiter große Unternehmen an den Standorten Köln und Ratingen derzeit nur einen kleinen Teil des technisch Machbaren: Lediglich zur Klassifizierung der gescannten und im digitalen Archiv abgelegten Rechnungen setzt das Unternehmen auf Optical Character Recognition. „Kern unserer Lösung ist ein Archivsystem von Docuware, das wir vor allem aus Gründen der revisionssicheren Ablage angeschafft haben“, sagt Dirk Bell, stellvertretender Leiter des Rechnungswesens und Projektleiter für das Dokumenten-Management- System bei dem Mittelständler. Bells Mitarbeiter prüfen, kontieren und buchen nach wie vor manuell. Erst danach werden die Rechnungen gescannt, die wichtigsten Felder wie Lieferant, Betrag, Rechnungsnummer und -datum per Texterkennung ausgelesen und mit den digitalisierten Dokumenten gespeichert. Nur anhand dieser Zusatzinformationen können sie zugeordnet und künftig wieder aufgefunden werden. „Das könnten wir natürlich auch per Hand erfassen, aber die OCR-Lösung ist schneller und vermeidet Eingabefehler“, erklärt der Projektleiter.

Möglich wird das nur durch die ausgesprochen hohe Trefferquote von über 95 Prozent. „Zu Anfang haben wir nur zwischen 45 und 50 Prozent erreicht“, erinnert sich Bell. Inzwischen arbeitet das System seiner Ansicht nach aber nahezu perfekt, so dass sein Unternehmen bereits überlegt, die Lösung auf alle elf Standorte auszudehnen. Auch über eine weitere Automatisierung der Rechnungsverarbeitung denkt Bell nach.