Einstecken und loslegen ist die Losung

Videologic möchte Multimedia bald gesellschaftsfähig machen

10.01.1992

MÜNCHEN (CW) - Obwohl Multimedia mit großen Erwartungen befrachtet ist - Branchenguru William H. Gates III sieht darin die wesentliche Fortentwicklung im Mikrobereich seit der Inthronisierung des PCs - fristet es bislang eher ein bescheidenes Dasein. Das könnte sich mit neuen Produkten des britischen Unternehmens Videologic Limited ändern.

Seit sechs Jahren auf die Entwicklung von Hard- und Software für Multimedia-Anwendungen sowohl für PS/2- als auch PC-XT/AT- sowie Mac-Rechner spezialisiert, können die Leute aus London mittlerweile auf ein rundes Angebot verweisen, mit dem sich die Integration von Daten aus unterschiedlichen Medien wie Video, Audio sowie von herkömmlichen Text- und Grafik-Formaten auf gängigen Tischrechnern mit - nach Meinung der Engländer - professioneller Qualität verwirklichen lasse.

Die aktuellste und im Dezember '91 in Deutschland erstmals vorgeführte Entwicklung stellt "Mediastation" dar, eine PC-Steckkarte, die Bewegt- und Standbilder sowie Audio-Daten (der Hersteller spricht dabei von CD-Qualität) in Echtzeit komprimiert und dekomprimiert.

Bei der Mediastation-Datenverdichtung - für die Nutzung der Multimedia-Technologie wegen der hierbei auftretenden immensen Datenmassen von entscheidender Bedeutung - hat Videologic ein von herkömmlichen Vorgehensweisen abweichendes Verfahren entwickelt: Eine erträgliche Größenordnung der Datenmenge erzielte man bislang dadurch, daß lediglich die Veränderungen von einem zum darauffolgenden Einzelbild gespeichert wurden - auch als Frame-Difference bezeichnet. Mediastation hingegen komprimiert und dekomprimiert jedes einzelne Vollbild einer Videosequenz.

Um die CPU des Systems von dieser Arbeit freizuhalten, übernimmt auf der Multimedia-Steckkarte ein Transputer sowohl die Synchronisation zwischen Audio und Video sowie die Steuerung des gesamten Kompressions- und Dekompressions-Verfahrens.

Die ab Februar 1992 für etwa 5200 Mark verfügbare Karte entspricht mit ihrem Datenformat dem von der JPEG (Joint Photographic Expert Group) erarbeiteten Kompressionsstandard.

Kombiniert mit der ebenfalls von Videologic entwickelten DVA-Technologie (Digital Video Architecture) lassen sich so Videobilder sowohl nach der europäischen PAL- als auch nach der US-amerikanischen NTSC-Norm auf PCs darstellen und verarbeiten.

Variationsmöglichkeiten bei der Aufzeichnung

Bei der Aufzeichnung können sowohl die Kompressionsfaktoren für Audio und Video verändert als auch die Anzahl der aufgezeichneten Bilder pro Sekunde sowie die Größe des Videofensters auf dem PC-Monitor variiert werden.

Von Bedeutung ist ferner, daß die Mediastation-Karte nach Angaben der Londoner nicht nur zur Videologic-Systemsoftware "MIC" (Multimedia Interactive Control), sondern auch zu Microsofts Multimedia-Extensions unter Windows kompatibel sein soll. Allein unter der MIC-System-Software sollen mehr als 1000 Anwendungen verfügbar sein.

Auf der Mediastation-Karte realisiert der Bild-Kompressionsprozessor "C-Cube CL-550 JPEG" eine Darstellung der Videobilder in 24 Bit Tiefe. Dieser JPEG-konforme Chip wird übrigens auch in den Farbsystemen der Next-Rechner von Steven Jobs eingesetzt. Eine gute Audio-Qualität wollen die Engländer durch Kombination eines DSP-Chips ((Digital Signal Processor) mit der CD-I-kompatiblen ADPCM-Modulation (Adaptive Delta Pulse Code Modulation) erzielen. ADPCM kontrolliert Audio-Sampling von 48 bis zu acht Kilohertz.

Im Angebotskorb der Briten liegt neben der Mediastation-Kompressionskarte außerdem die MIC-Systemsoftware: Sie ist in verschiedenen Versionen für die unterschiedlichen Hardware-Plattformen erhältlich und unterstützt nach Angaben von Videologic mittlerweile sowohl Apples neueste Betriebssystem Version 7.0 als auch Windows.

Mit dem seit Anfang 1990 für PCs und seit Ende '90 für Mac-Rechner verfügbaren "DVA-4000"-Bewegtbildadapter lassen sich Import und Echtzeit-Verarbeitung von Videosequenzen auf PCs und PS/2- oder Macintosh-Systemen realisieren. Da Videologic ein API (Application Programming Interface) für alle drei Hardware-Plattformen entwickelt hat, können Multimedia-Daten und -Anwendungen auf die jeweils anderen Rechner portiert werden.

Mit "Mediator" bietet Videologic zudem ein Werkzeug, das den Brückenschlag von PC- und Mac-Systemen zum Medium Video vollführt: Es wandelt das Signal des analogen RGB-Monitorausgangs in ein PAL- beziehungsweise NTSC-Videosignal um.

Eine ebenfalls neu im Programm befindliche "CPI Imageprep" -Software von der Computer Presentations Inc. erlaubt die Konvertierung von Grafikformaten wie TIF, TGA, PCX, GIF, BMP oder EPS in das Videologic-eigene DVA-Format und umgekehrt. Im Klartext heißt das: Wer eine Applikations wie etwa Textverarbeitung benutzt, die eines dieser Formate unterstützt, kann sich das Konterfei von Sabine Christiansen aus den Tagesthemen in seine Anwendung einmontieren.

Um Multimedia für größere Anwenderkreise attraktiv zu gestalten, hat man sich bei Videologic für teils signifikante Preissenkungen entschieden: Der DVA-Videoadapter für Mac-Rechner kostet nach bislang 7800 jetzt noch 7000 Mark. Das entsprechende PC-Produkt - bislang aus verschiedenen Komponenten bestehend - kostete den Käufer 6800 Mark. Jetzt integrierte Videologic die einzelnen Bauteile (unter anderem eine SVGA-Grafikkarte) und senkte den Preis auf 5400 Mark. PS/2-Adepten legen statt bisher 6000 nur mehr 4800 Mark auf den Tisch.

Vertreiber der gesamten Produktpalette von Videologic, die unter anderem AEG und die Bundespost zu ihrer Klientel zählen, sind in Deutschland die Pro Lernen GmbH aus Wiesbaden sowie Macland Computertechnologie aus Berlin.