So tickt die SPD

VDS + TTIP = dicke Luft

29.05.2015
Kotau vor der "Law-and-order"-Union, oder "maasvoller" Kompromiss? SPD-Chef Gabriel wusste, was er sich mit dem Ja zur Vorratsdatenspeicherung einbrockt. Wie geht die Kraftprobe mit den eigenen Leuten aus?

Für ein paar Tage hat Sigmar Gabriel alles ziemlich weit hinter sich gelassen. Der SPD-Chef und Vizekanzler, der bei den Wählern durch sein robustes Auftreten in der Spionage-Affäre laut Demoskopen jüngst an Statur gewonnen haben soll, entspannt im Pfingsturlaub in Griechenland. Per SMS bekam er nun die Nachricht aufs Sonnendeck, dass das Kabinett das Comeback für die Vorratsdatenspeicherung auf den Weg gebracht hat.

Auf den ersten Blick ein Erfolg für Gabriel. Ohne ihn wäre es dazu nämlich nie gekommen. Per Machtwort im Radio zwang der Parteivorsitzende im März seinen Justizminister Heiko Maas zum Einlenken im langen Streit mit der Union. Gabriel will in der Innen- und Sicherheitspolitik eine aus seiner Sicht offene Flanke gegenüber der Union schließen.

Nun ist die Regelung beschlossene Sache, soll im Hauruck-Verfahren noch vor der Sommerpause durch den Bundestag und im Juli in Kraft treten. Maas verkauft die Lösung mit eng begrenzten Speicherfristen als Kompromiss, der mit der alten, von Gerichten gekippten Vorratsdatenspeicherung nichts mehr zu tun habe. Also Ende gut, alles gut?

Keineswegs. Denn Segelfreund und SPD-Skipper Gabriel empfing am Mittelmeer auch die Nachricht, dass sich in der Partei was zusammenbraut. Um die 100 SPD-Gliederungen - vom Ortsverein bis zum Landesverband - haben im Willy-Brandt-Haus für den bevorstehenden Parteikonvent am 20. Juni schon Protestnoten gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht.

"Diese Zahl kann man nicht einfach wegwischen", sagte der Wortführer der Gegner, der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil, der "Süddeutschen Zeitung" und der "Frankfurter Rundschau". Der Aufschrei kommt nicht überraschend. Die SPD war beim Datenabsaugen immer gespalten. Netzpolitiker und Jusos dagegen, Innen- und Rechtspolitiker dafür, viele hängen dazwischen.

Beim Parteitag 2011 ging das Kräftemessen 60:40 für die Befürworter aus. Darauf beruft sich die Parteispitze um Gabriel. Das Gesetz von Maas sei maßvoll, schöpfe den von der Partei seinerzeit gewährten Spielraum nicht einmal komplett aus. Der Konvent selbst sei doch eine gute Gelegenheit für die Funktionärsebene, richtig Dampf abzulassen - mehr aber auch nicht, heißt es. Praktischerweise bleibt die Öffentlichkeit bei dem Treffen draußen vor der Tür.

Formal kann der Konvent, zu dem mehr als 200 Delegierte aus der ganzen Republik anreisen, den Parteitagsbeschluss nicht aushebeln. Doch gerade bei den Linken in der SPD-Bundestagsfraktion gibt es einige, die gerne Hand ans Gesetz legen würden. So wird diskutiert, ob man nicht eine Befristung oder Überprüfung einbauen könnte, also nach zwei, drei Jahren Laufzeit zu schauen, ob das Gesetz im Anti-Terror-Kampf wirklich wirkt oder als Placebo nur die Bevölkerung unter Generalverdacht stellt.

"Das ist ein Vorschlag, der eine Brücke bauen könnte", meint Parteivize Ralf Stegner. Gabriel will das dem Vernehmen nach auf gar keinen Fall. Schnüre man das Maßnahmenpaket auf, werde die Union womöglich auf Verschärfungen dringen, die die SPD gerade erfolgreich verhindert habe.

So oder so ist das Ganze kein Gewinnerthema. Grüne und FDP reiben sich die Hände, wollen sich als Bürgerrechtsparteien auf Kosten der SPD profilieren. Die Linkspartei wirft den Genossen gar einen Kotau vor der "Law-and-Order-Union" vor - mitten in der Spionageaffäre um die Kooperation des Auslandsgeheimdienstes BND mit dem US-Dienst NSA beim Ausspähen von Politikern und Konzernen.

Beim Konvent wird auch Gabriels Zwischenbilanz beim umstrittenen Handelsabkommen TTIP der EU mit den USA auf dem Prüfstand stehen. Auch ein heikles Thema, wenngleich der Wirtschaftsminister hier weniger zu befürchten hat als bei den Vorratsdaten. Gabriel zog unlängst in Brüssel im Sinne der Basis rote Linien. Sonderrechte für Konzerne sollen entschäft werden, außerdem könnte TTIP erst 2017 beschlussreif sein. Im Bundestagswahlkampf wäre das ein Fall für den nächsten SPD-Kanzlerkandidaten - der absehbar Sigmar Gabriel heißen dürfte, wenn nicht noch eine große Überraschung passiert. (dpa/tc)