Kabinett beschließt Neuregelung

Vorratsdatenspeicherung kommt zurück

27.05.2015
Ist es in Ordnung, im Namen der Verbrechensbekämpfung im großen Stil Internet- und Telefondaten aufzubewahren? Darüber gibt es seit Jahren erbitterten Streit. Die Bundesregierung hat nun die Rückkehr zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung besiegelt. Es hagelt Kritik.

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen über die Vorratsdatenspeicherung hat die Bundesregierung eine Wiedereinführung des umstrittenen Ermittlungsinstruments beschlossen. Telekommunikationsdaten sollen künftig für maximal zehn Wochen gespeichert werden, damit Ermittler bei der Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen darauf zugreifen können. Das Kabinett brachte die Neuregelung am Mittwoch auf den Weg. Linke, Grüne, FDP, Piraten, Netzaktivisten und Datenschützer reagierten mit scharfer Kritik.

Nach dem Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) sollen Telekommunikationsanbieter die IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefongesprächen künftig maximal zweieinhalb Monate aufbewahren. Standortdaten bei Handy-Gesprächen sollen höchstens vier Wochen gespeichert werden, Daten zum E-Mail-Verkehr gar nicht. Auch Kommunikationsinhalte werden nicht erfasst.

Die Behörden dürfen die Daten nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen - etwa bei der Bildung terroristischer Vereinigungen, Mord, Totschlag oder sexuellem Missbrauch. Einen Abruf der Informationen muss jeweils vorher ein Richter erlauben. Die Daten von Berufsgeheimnisträgern - etwa Rechtsanwälten, Ärzten, Abgeordneten oder Journalisten - dürfen nicht verwertet werden.

Die Telekommunikationsfirmen sollen verpflichtet werden, bei der Speicherung Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten, dazu einen Server im Inland zu benutzen und die Daten nach Ablauf der vier oder zehn Wochen unverzüglich zu löschen. Andernfalls droht ein Bußgeld.

Maas hatte sich lange gegen die Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung gesperrt und über Monate mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) um das Thema gerungen. Maas verteidigte nun die Neuregelung: "Die Speicherfristen sind weit kürzer, der Zugriff auf die Daten deutlich schwerer als zuvor." Er sei sehr zuversichtlich, dass das Gesetz einer gerichtlichen Überprüfung standhalten werde, falls es dazu komme. Auch de Maizière erklärte: "Wir werden, glaube ich, vor dem Parlament und vor den Gerichten gute Argumente haben."

Die Vorratsdatenspeicherung ist seit Jahren hoch umstritten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die EU-weiten Vorgaben dazu 2014 gekippt - wegen Verstößen gegen Grundrechte. In Deutschland gibt es schon seit Jahren kein Gesetz mehr dazu. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutschen Regelungen 2010 für verfassungswidrig erklärt. Die damalige schwarz-gelbe Regierung konnte sich danach nicht auf eine Neufassung einigen.

Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag eine Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung vereinbart. Nach dem EuGH-Urteil lagen die Pläne zunächst auf Eis. Nach den jüngsten Terroranschlägen in Europa und nachdem klar war, dass die EU-Kommission selbst keine neue Richtlinie dazu erarbeiten würde, war in der Koalition der Druck gestiegen, dass Deutschland eine eigene Neuregelung einführt.

Von vielen Seiten hagelte es Kritik. Linke und Grüne rügten die Gesetzespläne als verfassungswidrig und unverhältnismäßig. FDP-Chef Christian Lindner kündigte an, seine Partei werde gegen das Vorhaben vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Die Piraten und der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung riefen zu Protesten gegen die Überwachung der Bürger auf. Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte der Deutschen Presse-Agentur, eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung dieser Art halte er nicht für vertretbar. (dpa/tc)