Digital Consumer Protection Commission Act

US-Senatoren wollen Big Tech regulieren

31.07.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Ungewöhnliche Einigkeit in der US-Politik: Sowohl Demokraten als auch Republikaner wollen die großen Technologiekonzerne stärker regulieren.
Im US-Capitol braut sich etwas zusammen. Parteiübergreifend wollen Demokraten und Republikaner die Big-Tech-Konzerne in die Schranken weisen.
Im US-Capitol braut sich etwas zusammen. Parteiübergreifend wollen Demokraten und Republikaner die Big-Tech-Konzerne in die Schranken weisen.
Foto: Joseph Sohm - shutterstock.com

In den Vereinigten Staaten formiert sich parteiübergreifend ein Bündnis, das die Big-Tech-Konzerne an die Kandare nehmen will. Die US-Senatoren Elizabeth Warren (Demokratin) und Lindsey Graham (Republikaner) erklärten, sie würden sich für einen Gesetzesentwurf stark machen, der die Schaffung einer neuen staatlichen Regulierungsbehörde vorsieht. Diese soll in erster Linie die Aktivitäten der sogenannten GAFAM-Gruppe - Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft ins Visier nehmen.

Unter anderem soll die "Digital Consumer Protection Commission" (DCPC) eingerichtet werden, außerdem sieht der Gesetzesentwurf vor, das Kartellrecht zu verschärfen. So soll es für Unternehmen mit starkem Markteinfluss nicht mehr so einfach möglich sein, eigene Produkte gegenüber denen der Konkurrenz bevorzugt zu behandeln. Dieser Passus zielt auf Amazon: Dem weltgrößten Online-Shop wird bereits seit längerem vorgeworfen, Eigenprodukte prominenter im Web zu platzieren als Angebote des Wettbewerbs.

Übernahmen stoppen und Konzerne zerschlagen

Darüber hinaus soll das neue Gesetz der Kommission erlauben, Übernahmen zu stoppen sowie die Konzerne unter bestimmten Umständen zu zwingen, Firmenbestandteile zu verkaufen. Kommt es dazu, werden Zerschlagungen von Megakonzernen einfacher. Zudem soll die Behörde über den Schutz der Privatsphäre US-amerikanischer Bürgerinnen und Bürger wachen und dafür sorgen, dass deren Daten nicht missbräuchlich verwendet werden.

Viel zu lange hätten riesige Tech-Unternehmen die Daten der Verbraucher ausgebeutet und den Wettbewerb mit Füßen getreten, kritisiert US-Senatorin Elizabeth Warren von den Demokraten. Doch damit sei jetzt Schluss.
Viel zu lange hätten riesige Tech-Unternehmen die Daten der Verbraucher ausgebeutet und den Wettbewerb mit Füßen getreten, kritisiert US-Senatorin Elizabeth Warren von den Demokraten. Doch damit sei jetzt Schluss.
Foto: Maverick Pictures - shutterstock.com

Die DCPC hätte dem Vorschlag zufolge vergleichbare Kompetenzen wie die Federal Trade Commission (FTC) und das Department of Justice (DoJ). Die Kommissare wären demzufolge befugt, die im neuen Gesetz festgelegten Regeln auch durchzusetzen. Digitale Plattformen würden es riskieren, ihre Betriebslizenz zu verlieren, wenn sie wiederholt gegen die Regeln verstießen, heißt es in einer Mitteilung Warrens.

Einzelne US-amerikanische Bundesbehörden gehen zwar schon seit Jahren gegen angebliche Kartellverstöße der Online-Konzerne vor. Versuche, ein einheitliches bundesweit geltendes Gesetzeswerk zur Regulierung von Big Tech zu verabschieden, scheiterten bislang jedoch an den tiefen Gräben zwischen Demokraten und Republikanern in den beiden US-Kammern Repräsentantenhaus und Senat. Doch das scheint sich nun zu ändern.

Verbraucher bekommen Stimme gegen Big Tech

"Viel zu lange haben riesige Tech-Unternehmen die Daten der Verbraucher ausgebeutet, sind in die Privatsphäre der Amerikaner eingedrungen, haben unsere nationale Sicherheit bedroht und den Wettbewerb unserer Wirtschaft mit Füßen getreten", sagte US-Senatorin Warren. Der überparteiliche Gesetzesentwurf würde eine neue Regulierungsbehörde für den Technologiesektor schaffen und verdeutlichen, dass die Zügelung der Big-Tech-Plattformen für beide politischen Parteien höchste Priorität habe.

US-Senator Lindsey Graham von den Republikanern will US-Verbruacher vor der enormen Macht der Big-Tech-Konzerne schützen.
US-Senator Lindsey Graham von den Republikanern will US-Verbruacher vor der enormen Macht der Big-Tech-Konzerne schützen.
Foto: Al Teich - shutterstock.com

"Eine Regulierungskommission wird den Verbrauchern eine Stimme gegen Big Tech geben und die Macht, sie gegebenenfalls zu bestrafen", ergänzte ihr Kollege Graham von den Republikanern. Die Einrichtung sei der erste Schritt auf einem langen Weg zum Schutz der amerikanischen Verbraucher vor der enormen Macht, die diese Unternehmen derzeit ausübten. "Ich habe zu viele Geschichten von Familien gehört, die sich angesichts von Big Tech hilflos fühlen", sagte der US-Politiker. "Geschichten über Kinder, die so schikaniert werden, dass sie sich das Leben nehmen. Menschenhandel. Ausbeutung von Minderjährigen. Und die Plattformen der sozialen Medien sehen einfach weg. Heute machen wir den ersten Schritt und geben den Verbrauchern die Instrumente an die Hand, die sie brauchen, um die Spielregeln zu vereinheitlichen."

Im Kern zielt der Digital Consumer Protection Commission Act (PDF-Link) auf folgende vier Punkte:

  1. Transparenz: Die marktbeherrschenden Plattformen sollen verpflichtet werden, ihre Nutzungsbedingungen und Praktiken zur Moderation von Inhalten zu veröffentlichen. Verbraucherinnen und Verbraucher bekämen das Recht, Einspruch zu erheben, wenn diese Plattformen es beispielsweise versäumten, schädliche oder verletzende Inhalte zu entfernen. Darüber hinaus müssten sie benutzerfreundliche Benachrichtigungs- und Beschwerdeverfahren einrichten.

  2. Wettbewerb: Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Big-Tech-Firmen soll strikt verboten werden - darunter fallen beispielsweise Selbstbevorzugung, Kopplungsvereinbarungen, und vorgerichtliche Schiedsvereinbarungen. Firmenübernahmen sollen genauer geprüft werden - im Vorfeld und auch im Nachhinein. Ferner soll vermieden, dass Anbieter ihre eigenen Plattformen und Marktplätze dazu nutzen, eigenen Produkte vorteilhaft zu vermarkten und andere Wettbewerber abzudrängen.

  3. Datenschutz: Digitale Plattformen müssten Nutzerinnen und Nutzern das Recht garantieren, ihre persönlichen Daten zu bearbeiten, und sie müssen einfach in Erfahrung bringen können, ob und wie ihre persönlichen Daten gesammelt und verarbeitet werden. Zugleich sollen Loyalitäts-, Sorgfalts- und Schadensbegrenzungspflichten für alle Datenverarbeiter festgelegt - darunter fallen Aspekte wie Diskriminierung, Cybermobbing, und süchtig machendes/schädliches Verhalten. Gezielte Werbung auf der Grundlage der personenbezogenen Daten der Nutzer soll begrenzt werden.

  4. Nationale Sicherheit: Marktbeherrschende Plattformen müssen im Besitz von US-Bürgern sein oder zumindest über eine US-Tochtergesellschaft angeboten werden. Die Verarbeitung von Daten in bestimmten anderen Ländern soll nur noch eingeschränkt möglich sein. Außerdem sollen die Plattformen verpflichtet werden, Bots zu identifizieren.

EU-Kommission will unfaire Praktiken mit dem DMA eindämmen

Sollte der Gesetzesentwurf eine Mehrheit finden, würde den Big-Tech-Companies in ihrem Heimatmarkt USA ein deutlich schärferer Wind ins Gesicht wehen. In der EU ist zu einem ähnlichen Zweck Anfang Mai dieses Jahres der Digital Markets Act (DMA) in Kraft getreten. Damit will die EU-Kommission "unfairen Praktiken" der sogenannten Gatekeeper in den digitalen Märkten zu Leibe rücken - also den Betreibern zentraler Plattformdienste wie Google, Amazon, Facebook, Apple oder Microsoft. Diese Unternehmen hätten die Macht, eigenständig Regeln festzulegen und den Marktzugang zu kanalisieren, was zu Wettbewerbsproblemen führen und auf Kosten der Verbraucher gehen könne, argumentierte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.

Bis Anfang Juli hatten Big-Tech-Konzerne Zeit, die Kommision darüber zu informieren, ob sie bestimmte Schwellenwerte beispielsweise in Sachen Nutzerzahlen für einzelne Services überschreiten, und damit als Gatekeeper einzustufen sind. Als solche meldeten sich bis zum 3. Juli die Google-Mutter Alphabet, Amazon, Apple, das chinesische Unternehmen ByteDance (TikTok), die Facebook-Mutter Meta, Microsoft und Samsung. Die EU-Kommission wird eigenen Angaben zufolge deren Eingaben bis Anfang September 2023 prüfen, und die Gatekeeper für bestimmte Plattformdienste benennen. Dann hätten die Big-Tech-Konzerne noch sechs Monate Zeit, die DMA-Vorschriften zu erfüllen.

Der DMA ist Teil einer umfassenderen Strategie der EU-Behörden, den Tech-Sektor stärker zu regulieren. Weitere Initiativen sind der Digital Services Act, der Data Act und der derzeit in der Abstimmung befindliche AI Act.