Unbundling: Verunsichert Produktvielfalt die Anwender?

20.06.1980

Als Verfechter des Unbundling ist DV-Chef Hans Müller (Hamburger Hermes Kreditversicherungs AG) überzeugt, daß sich das "Entbündeln" für den Anwender generell positiv auswirkt - denn der verstärkte Wettbewerb würde entscheidend die Produkt-Qualität beeinflussen. Die Unbundling-Politik der Hersteller komme besonders den kleinen und mittleren Benutzern zugute, die so lediglich die effektiv in Anspruch genommenen Leistungen des Anbieters zahlen müßten.

Franz Mastalerz, DV-Leiter bei Burgwallbronn in Essen, gibt jedoch zu bedenken, daß durch das Unbundling und der damit verbundenen Produktvielfalt die Datenverarbeiter gewissermaßen etwas verunsichert seien. Während ehemals beim Kauf eines Systems Hard- und Software weitgehend enthalten waren, müsse er heute den gesamten DV-Markt kennen, um eine wirtschaftlich richtige Entscheidung zu treffen. ha

Agostino Bernado, RZ-Lelbr, Deutsche Hilti, GmbH, München, (IBM 370/115, DOS/VS)

Die Unbundling-Politik der Hersteller hat dazu beigetragen, daß heute der Softwaremarkt unüberschaubarer ist denn je. Zu Nicht-Unbundling-Zeiten hatte der DV-Anwender noch die Möglichkeit, sich mit dem System als Ganzes zu befassen. Es war dabei wesentlich einfacher, eventuelle Mängel auszugleichen und vor allem in der Anfangsphase einer Installation Fehler zu finden. Der Nachteil war allerdings, daß die Programme mehr auf ein bestimmtes Computermodell, als auf die jeweils erforderliche Anwendung zugeschnitten waren.

Die heute vielgepriesene Software-lndividualität war zwar seinerzeit nicht vorhanden, aber dafür müssen wir uns heute mit den vielen Macken der Fremdsoftware herumschlagen. Neu ist für den Anwender die Situation, daß sich Hardware-Hersteller und Fremdsoftware-Anbieter bei der Fehlersuche gegenseitig beschuldigen und es sich schließlich erweist daß bei allen Beteiligten entscheidende Erfahrungen fehlen. Die einzige Antwort auf die Anwenderkritik ist dann oftmals, daß bei dem einen oder anderen Kollegen das Programm bereits einwandfrei läuft.

Mir erscheint es als unwahrscheinlich, daß ein Hersteller, der selbst Organisation verkauft, oft am Fehlen derselben scheitert wobei hiermit nicht nur die IMB gemeint ist. Gerade das Unbundling macht es deutlich: Wer Machtpolitik betreibt, hat Angst, die Macht irgendwann zu verlieren. Die Folge ist Ironie und Sarkasmus statt Beratung.

Durch die Unbundling-Poltik der Hersteller wird die gesamte Produktpalette für den Anwender immer verworrener. Es gibt Kompatibilitätsprobleme und es fehlt die notwendige schulische Unterstützung. Die angebotenen Schulungen wiederum sind aufgrund der hohen Teilnehmerzahl meist so global abgefaßt, daß sie dem Unbundling-Argument bezüglich mehr Individualität zumindest in diesem Fall nicht entsprechen.

Es gibt durchaus noch zahlreiche Argumente für ein pro und kontra zu diesem Thema. Unter Einbeziehung unserer derzeitigen Personalmarkt-Situation, sollte jedoch nicht vergessen werden, daß beim Unbundling eine erheblich größere Manpower im Bereich Operating und Systemprogrammierung erforderlich ist. Damit kann sich der Anwender auch in Zukunft nur schwer abfinden.

Hans-Werner Müller

DV-Leiter, HERMES, Kreeilßversicherungs-AG, Hamburg, (Siemens 7.748, BS1000)

Die zunehmende Politik der Entflechtung kostenpflichtiger Leistungen bei Hard- und Software, auch mit dem Begriff "Unbundling" in die EDV-Geschichte eingegangen, bringt

für den Anwender je nach Größenordnung unterschiedliche Aspekte. Feststellbar ist, daß auch diese Politik des Unbundling von den Herstellern zumindest zur Zeit noch unterschiedlich gehandhabt wird. Während der Marktführer - offensichtlich durch die Anti-Trust-Gesetzgebung der USA dazu gezwungen - dies als großen Vorteil für den Anwender hervorhebt, ist bei anderen Herstellern, insbesondere bei den einheimischen Lieferanten von Computersystemen, nur ein teilweises Nachvollziehen dieser Preispolitik zu spüren. Offensichtlich fehlt dem deutschen DV-Markt ein Äquivalent zur amerikanischen Anti-Trust-Situation. Trotzdem scheint sich in der Argumentation und in der Preispolitik auch hier die amerikanische Marktsituation durchzusetzen. Dies wird und wurde von EDV-Anwendern aus meiner Sicht mit gemischten Gefühlen registriert und in die Kostenkalkulation der EDV-Budgetierung aufgenommen.

Die klare Situation, von IBM sowohl für in Anspruch genommene Dienstleistungen als auch für Software, die nicht mehr direkt dem Betriebssystem zuzurechnen ist, mit Kostenforderungen konfrontiert zu werden, ist bei Siemens zum Beispiel nicht so ohne weiteres wiederzufinden, da es offenbar oft dem Verhandlungsgeschick des Anwenders vorbehalten bleibt, ob die wohl auch von Siemens propagierte Kostenpflichtigkeit zur Anwendung kommt oder nicht.

Ich bin der Auffassung, daß man durchaus den Argumenten der Hersteller folgen kann, wenn man die grundsätzliche Idee des Unbundling akzeptiert und die damit verbundene Konkurrenzfähigkeit der angebotenen Leistungen sowohl bei Programmier- oder Beratungsdiensten als auch bei Softwarepaketen fördern will. Eine Situation, die sich meiner Meinung nach durchaus qualitätsfördernd auswirken kann und sicherlich auch auswirkt. Im übrigen hat dieses,Verfahren auch den Vorteil, der insbesondere kleinen und mittleren DV-Anwendern zugute kommt, daß er nur noch für die Leistungen des Anbieters bezahlt, die er als Anwender auch in Anspruch nimmt. Bei den sogenannten gebündelten Preisen lag letztlich immer eine Mischkalkulation der Kosten zugrunde, die durch die Hardware bezahlt werden mußte und die somit auf alle Anwender gleichmäßig verteilt war, unabhängig welche Leistungspalete er eingesetzt hatte.

Letztlich hat die Politik des Unbundling auch die Software- und Beratungsunternehmen gestärkt, was im Sinne der "freien" Marktsituation durchaus für die EDV-Anwender positiv zu sehen ist, da durch den damit verstärkt entstandenen Wettbewerb auch die Qualität positiv beeinflußt wurde.

Alles in allem scheint mir daher eine Strategie der konsequenten Verfolgung des Unbundling von mehr Positiva als Negativa begleitet und wird insgesamt aus meiner Sicht begrüßt.

Franz Mastalerz

DV-Leiter, Burgwallbronn, GmbH & Co. KG, Essen, (Siemens 7.720, BS1000)

Durch die Umstellung von einer Siemens 7.530 auf ein Siemens System 7.720 wird das Thema "Unbundling" derzeit in unserem Hause stark diskutiert. Die Problematik beginnt bereits damit, daß selbst unser Hersteller aufgrund der heute vielfach vorhandenen Software-Möglichkeiten nicht konkret sagen kann, was wir für unsere Anwendungen brauchen und wieviel wir im Endeffekt dafür zahlen müssen. Der Anwender ist also insofern verunsichert, da er oftmals nicht einmal weiß, was er an Software eigentlich braucht, wo er sie am günstigsten und am sinnvollsten kaufen soll.

Unbundling bedeutet heute für uns, daß wir als Datenverarbeiter über ein wesentlich größeres Know-how verfügen müssen, um eine richtige Entscheidung im Sinne von Wirtschaftlichkeit zu treffen. Als DV-Leiter bedeutet dies für mich, daß ich nicht nur meine spezifische Anwendung, sondern auch den gesamten Hard- und Softwaremarkt kennen muß, um die Möglichkeiten meines Systems komplett auszuschöpfen.

Unbundling wird vor allem dann problematisch, wenn Softwarepakete von unterschiedlichen Anbietern eingesetzt werden. Die Situation, daß im Problemfall ein Techniker den Fehler auf den anderen schiebt ist allseits bekannt. Den Stillstand unserer Anlage über einen längeren Zeitraum können auch wir und nicht erlauben.

Bislang war es bei uns so, daB wir mit dem Betriebssystem BS 1000 arbeiteten und ein Großteil unserer Programme selbst erstellten. Wenn die Änderung eines Programmes heute über 80 Prozent hinausgeht, ist es nicht lukrativ, dieses zu kaufen. Kaum Probleme gibt es hingegen inzwischen bei Lohn- und Gehalts- oder allgemeinen Buchhaltungsprogrammen. Durch Unbundling hoffen wir, daß sich hier das Preis-/ Leistungsverhältnis zugunsten der Anwender verschieben wird.

Dadurch, daß früher beim Kauf eines neuen Systems die komplette Software enthalten war, brauchten wir uns als DV-Leute nur einmal gegenüber der eigenen Geschäftsleitung zu rechtfertigen oder zu verantworten. Die Verhandlungen sind durch das Unbundling heute wesentlich schwieriger und zeitaufwendiger geworden. Man schiebt Entscheidungen gern vor sich her, weil es sich nur um Teilbereiche des Systems handelt und die Anlage "ja generell läuft". Die Auswahlmöglichkeiten sind inzwischen so groß geworden, daß man sich vielseitiger orientieren muß. Das bedeutet, daß wir heute für eine Entscheidung die doppelte Zeit einkalkulieren müssen als noch vor ein paar Jahren.