Unbundling - Konsequenzen

12.01.1979

Die erste CW-Schlagzeile im neuen Jahr: "Hardware-Preisverfall erzwingt Unbundling." (vgl. Seite 1).

Sie gibt zusammengefaßt die Aussagen der Mainframer zur zukünftigen Software-Strategie wider - wobei speziell die marktnah operierenden "Verbände" der großen Universalrechner-Hersteller (Siemens, Honeywell Bull, Univac und NCR) wohl zunächst den Wettbewerb (jeder gegen jeden und alle gegen IBM) im Visier haben dürften. Denn bei sinkenden Herstellungskosten für Schaltkreise bestimmen zunehmend Marketing-Gesichtspunkte die Preisgestaltung fürs Gesamtsystem. Der Anwender kann davon nur profitieren. Das heißt: Die Angst vor (schwer durchschaubaren) Unbundling-Strategien ist unbegründet - quod erat demonstrandum.

Beweis eins: Sind die heute verfügbaren Software-Systeme so beschaffen, daß sie sich problemlos "tranchieren" lassen? Will fragen: Sind selbständige Funktions-Module vorhanden, Software-Komponenten, die keinen Einfluß auf andere Betriebssystemteile oder auf Benutzerprogramme haben? Nur dann könnten schnittstellensaubere Portionen kalkuliert und separat- angeboten werden - wie es sich für lupenreines Unbundling gehört.

Die Antwort lautet: Nein, die heutigen Betriebssysteme sind vielfältig verflochten, wenig transparent und zudem hardwarebezogen.

Nun muß, wenn von Entbündelung die Rede ist, sicherlich differenziert werden: Standard-Anwendungspakete, von der Maschine am weitesten entfernt, lassen sich die Hersteller ohnehin seit eh und je vergüten - ausgenommen, sie sind Bestandteil einer schlüsselfertigen Lösung, eines "Turnkey-Systems". Eingeschränkt unbundlingfähig sind auch Produkte einer Sofware-Kategorie, die bereits Betriebssystem-Charakter hat: Datenbank-Systeme.

Zugegeben: Es gibt auf dem freien Softwaremarkt gut ein Dutzend DBMS-Systeme, die sich hardwareneutral verhalten. Dagegen steht - und dies ist der Grund für die Einschränkung -, daß die DB-Systeme der Mainframer weder anwendungs- noch betriebssystemunabhängig bezeichnet werden können.

Dies hält die Anbieter freilich nicht davon ab, bei Datenbank-Software kräftig zuzulangen: Kein Codasyl, kein Codd, kein Pointer künftig ohne Opfergroschen. Einmal in Geberlaune, fallen dem Software-Sezierer gleich noch eine Reihe von Systemsoftware-Programmen ein, für die sich eine Lizenz rechtfertigen läßt: TP-Monitore, Sprachumwandler und Utilities. Das ist durchaus in Ordnung: Der Anwender zahlt nur für Leistungen, die er tatsächlich in Anspruch nimmt. Es stimmt also: Die Angst des Users vor Unbundling-Strategien ist unbegründet - wofür sich auch ein zweiter Beweis führen läßt.

Die Modularisierung der komplexen Betriebsysteme ist conditio sine qua non, um Rechner mit einer neuen Systemarchitektur einsetzen zu können. Dies wiederum wäre nur dann vertretbar, wenn es die bestehenden Benutzerprogramme, in denen harrendes Geld steckt, nicht beeinflussen würde: Eine Totalumstellung ist den Anwendern heute nicht mehr zumutbar.

Und auch die Hardware-Hersteller müssen, auf Parkpflege bedacht, die von den Anwendern getätigten Programm-Investitionen schützen.

Konsequenz: Sie bekennen sich nahezu geschlossen dazu, die Entwicklung der EDV evolutionär voranzutreiben.

Die Hardware-Revolution findet nicht statt.

Im Laufe der Zeit dürften mehr und mehr funktionale Komponenten der Betriebssysteme eigenständig werden, so daß auch spezielle Firmware (Mikrocode) diesen Funktionen zugeordnet werden kann. IBM ist beim MVS für die Serie 303X und beim Systemsteuerprogramm CPF (Control Program Facillty) des Datenbank-Computers System /38 diesen Weg gegangen - die anderen Hersteller werden - in wohlgeordneter Formation - folgen. Fazit: Die Angst des Users vor Unbundling -Strategien ist unbegründet.