Umstrittene Eignungstests für IT-Studenten

04.04.2002
Von Bettina Wirth

Trotz der Schwierigkeiten, die viele Probanden bei den Aufgaben hatten, sind sich doch alle einig, dass der Test sehr gelungen ist. Selbst ein Diplominformatiker gestand ein: „Die Fragen hatten auch für mich einen hohen Schwierigkeitsgrad.“ Als sehr gut empfand er, dass sich der Test nicht darauf bezieht, was viele Leute fälschlicherweise von einem Informatikstudium erwarten, nämlich Programmieren und Installieren von Software. Vielmehr erprobe er logisches Denken und Abstraktionsvermögen. Deshalb vermittle der Test, worauf es beim Studium ankommt.

Was als freiwillige Prüfung entwickelt wurde, wird zumindest an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) Pflicht. Wie ein Sprecher des Bayerischen Wissenschaftsministeriums mitteilte, trat die Verordnung für das Eignungsfeststellungsverfahren, wie der Informatikertest im Amtsdeutsch heißt, am 15. März in Kraft. Für alle bayerischen Universitäten gilt dies als Startschuss, verbindliche Tests zu entwickeln und durchzuführen. Die LMU wird ab dem nächsten Wintersemester mithilfe des Pflichttests ihre Kandidaten aussieben.

Unis müssen Studenten besser betreuen

Aber ist dies die richtige Maßnahme, um die hohe Abbrecherquote von rund 50 Prozent zu senken? Begeistert man so die „richtigen“ Studenten für ein Informatikstudium? Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn hat sich im CW-Interview (siehe CW13/02, Seite 10) gegen Eignungstests für Informatikstudenten ausgesprochen. Angesichts der nach wie vor zu niedrigen Absolventenzahlen müssten Hochschulen die Studenten besser beraten und betreuen und den Praxisbezug im Studium erhöhen, um die Abbrecherzahlen zu senken: „Hochschulen sollten ihren Studierenden die Möglichkeit geben, Schwächen im mathematischen Bereich zu beseitigen.

Nur wenige Hochschulen bieten ihnen Kurse an, um die Lücken zu schließen. Es wäre auch sinnvoll, wenn Prüfungen in den Semesterferien nachgeholt werden könnten, damit die Studenten nicht wieder ein ganzes Semester anhängen müssen.“ Auch im nordrhein-westfälischen Bildungsministerium lehnt man Eignungstests ab. Dazu Pressereferentin Christiane Vielhaber: „Eignungstests halten wir für das falsche Signal. Wir wollen das Studium grundsätzlich offen halten.“

Die Hochschulen sollten ihre Klientel lieber besser beraten anstatt auszusieben. Wichtig sei zum Beispiel, die angehenden Studenten auf weniger ausgelastete Studienstandorte hinzuweisen. Außerdem müssten die Interessenten besser darüber informiert werden, was sie im Studium wirklich erwartet.

Eignungstest ist "sinnvoller und mutiger Schritt"

Der Vorsitzende der Gesellschaft für Informatik e. V. (GI) Heinrich Mayr sieht die Bewerber durch Eingangstests abgeschreckt. Er betont: „Wir brauchen qualifizierten Nachwuchs.“ Mayr plädiert dafür, dass die Professoren ihre Studenten über Eingangsgespräche auswählen sollten. Den Umstand, dass viele Studenten vor dem Abschluss abspringen, sieht er entspannt: „Ein Studium dauert eben eine gewisse Zeit. Eine anfängliche Orientierungsphase von ein oder zwei Semestern sollten die Studenten zum Umschauen erhalten.“

Die Autonomie der Universitäten bei der Auswahl ihrer Studenten unterstützt auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Stephan Pfisterer, Bildungsreferent des Branchenverbandes, meint jedoch, dass Eignungsprüfungen durchaus ein weiteres Auswahlkriterium sein sollten: „Das Ziel ist, die Abbrecherquote zu senken und damit die Betreuung der Studenten sowie die Studiermöglichkeiten zu verbessern.“ Vor diesem Hintergrund bezeichnet Pfisterer die Einführung von Eignungstests für angehende Informatikstudenten als „sinnvollen und mutigen Schritt“.

Auswahlverfahren zu zeitintensiv

Der Erfinder des Tests betrachtet die Entwicklung hin zu einer verpflichtenden Eignungsfeststellung durchaus mit gemischten Gefühlen. „Einerseits verhindert der Test, dass Studenten bei der Fächerwahl Fehlentscheidungen treffen.“ Andererseits sei das Personal an den Universitäten bereits jetzt überlastet. Ein Auswahlverfahren mit Gesprächen und Tests würde noch mehr Kapazitäten binden.

Für Pflichttests spreche wiederum, dass sich eine Gesellschaft zu lange Studienzeiten nicht leisten könne. Ein weiteres Gegenargument ist jedoch, dass die freie Wahl des Studienplatzes nicht beeinträchtigt werden darf. Laut Bry wird eine obligatorische Eignungsprüfung zumindest einfacher sein als der von ihm entwickelte Selbsttest - auch wenn noch offen ist, wie die Aufgaben im Einzelnen aussehen werden.

Der vollständige Test ist abrufbar unter http://www.informatik.uni-muenchen.de/  und lässt sich offline bearbeiten.