Bisherige Windows-Anwendungen und neue Technik werden zunächst nebeneinander existieren

"Umstellung auf .NET wird 20 Jahre dauern"

11.06.2004
Für die nächste Windows-Version "Longhorn" hat Microsoft etliche neue Technologien angekündigt. Im Wesentlichen soll dabei der eingeschlagene .NET-Kurs beibehalten werden, wobei der Softwareriese nun auch bei den Entwicklungswerkzeugen verstärkt auf den Einsatz in Rechenzentren schielt. Mit einer schnellen, flächendeckenden .NET-Einführung rechnet in der Redmonder Führungsetage jedoch offenbar niemand. Von Wolfgang Miedl*

.NET hat bisher auf dem Softwaremarkt nicht die Bedeutung erlangt, die sich Microsoft wünscht. Anwendungen, die in Managed Code für das .NET-Framework geschrieben wurden, sind noch Mangelware. Zudem gab es in der Vergangenheit viel Verwirrung um den Namen: Nachdem zunächst alle Server-Produkte ungeachtet ihrer Inhalts in .NET umgetauft wurden, verwendet Microsoft das Kürzel nun eingeschränkter. Es steht jetzt wieder wie ursprünglich für Managed Code, die Common Language Infrastructure, Web-Services sowie XML.

Mit der Verbreitung im Unternehmensumfeld sind die Redmonder dennoch zufrieden, wie der Vice President sowie oberste .NET- und Entwickungsstratege Sanjay Parthasarathy im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE erläuterte. Mittlerweile würden viele Kunden Projekte auf .NET-Basis aufsetzen. Das Problem bei der Einführung einer neuen Technologie wie .NET sei aber, dass Software- und Lösungsanbieter immer zwei bis drei Jahre abwarteten, während manche Anwender sie teilweise bereits vor dem Abschluss von Standardisierungsverfahren implementierten.

Softwarehersteller und Benutzer können sich jedenfalls auf eine lange Übergangsfrist einstellen. Parthasarathy geht davon aus, dass die flächendeckende Umstellung von den derzeit dominierenden Win-32-Programmierschnittstellen auf kontrolliert ausführbaren .NET-Managed-Code zwei Jahrzehnte dauern wird. Die Redmonder wollen Entwickler denn auch keinesfalls dazu drängen, alte Anwendungen umzuschreiben. Die Empfehlung des Herstellers lautet stattdessen, neue, sicherheitsrelevante Anwendungen mit Sprachen wie C# in Managed Code zu erstellen und alte Software um Web-Service-Schnittstellen zu erweitern und sie darüber zu integrieren.

Microsoft verfährt selbst nach diesem Prinzip und wird in der nächsten Windows-Version Longhorn alten Win-32-Code mit Managed Code mischen. Wichtige Komponenten wie die neue Benutzeroberfläche "Avalon" oder die Programmierschnittstelle WinFX werden in .NET-Sprachen geschrieben. Avalon soll dabei neben einer 3D-Optik auch einen weiteren Grad an Abstraktion ermöglichen: "Mit dem .NET-Framework haben wir eine von Programmiersprachen unabhängige Infrastruktur eingeführt, mit Longhorn bringen wir eine vom Programmiermodell unabhängige Entwicklungsplattform", so Parthasarathy. Statt wie bisher HTML für das Web, formularbasierende Anwendungen für den Client und verschiedene Multimedia-Entwicklungsmodelle zu verwenden, sollen in Longhorn einige Zeilen HTML ausreichen, um eine interaktive Anwendung mit Effekten wie Alphablending oder Hintergrundvideo zu erzeugen.

Einfacher wird die Entwicklung auch hinsichtlich unterschiedlicher Endgeräte und Display-Formate: Mit der Extensible Application Markup Language (XAML) von Avalon entfällt die gerätespezifische Festlegung in der Entwicklungsumgebung, die Anwendungsdarstellung passt sich zur Laufzeit automatisch den Möglichkeiten des Zielsystems an.

Neue Anstrengungen unternimmt Microsoft auch, um in Rechenzentren besser Fuß zu fassen. Bisher erwiesen sich vor allem Client-Altlasten als Hindernis, wenn es galt, hohe Standards bei Sicherheit, Verwaltbarkeit und Zuverlässigkeit zu erreichen. Mit der Dynamic Systems Initiative (DSI) soll sich das ändern. Während es bislang üblich ist, neue Anwendungen in aufwändigen Testprozeduren auf Funktion und Verwaltbarkeit zu prüfen, können nun bereits in der Entwicklungsphase Management-Funktionen integriert und virtuelle Tests betrieben werden.

Microsofts nächste Version von Visual Studio fügt Management-Schnittellen schon in den Programmcode ein und lässt Testläufe anhand definierter Rechenzentrumskonfigurationen sowie entsprechender Richtlinien zu. "Mit DSI werden die Sonden hingegen bereits beim Entwickeln in den Programmcode integriert." (ue)

*Wolfgang Miedl ist freier Autor in Erding.