Schier unübersehbar präsentierte sich das Angebot für Textverarbeitungslösungen:

TV-Maus kämpft noch mit Softwareproblemen

06.05.1983

Wer sich auf dieser Messe über Lösungen auf dem Gebiet der Textverarbeitung informieren wollte, hatte keinen leichten Stand. "Schier unübersehbar" präsentierte sich das Angebot der mehr als 130 Unternehmen, klagte denn auch der Verband für Textverarbeitung (VTV). Vor allem mit den Mikros bieten sich neue und auf den ersten Blick auch kostengünstigere Alternativen an. Doch weder etablierte Textverarbeiter, noch ehemalige MDT-Spezialisten oder gestandene DV-Anbieter wollen ein Krümelchen vom lukrativen TV-Kuchen abgeben. So sollen Versprechungen wie multifunktional, kommunikationsfähig und leichtes Handling potentielle Käufer anlocken. Diese bleiben dann oft sich selbst und einer gewissen Ratlosigkeit überlassen.

Egal, welche Anlage man anschafft und wie falsch die auch ist: Nach Meinung der Textverarbeiter soll dies immer noch besser sein, als ein Schreibbüro alter Herkunft zu betreiben. Die Zahlen scheinen diese Aussage zu bestätigen. Denn der Markt für Textverarbeitungsprodukte wird nach Schätzung der IDC (International Data Corporation) 1986 in Europa rund 1,3 Millionen Einheiten beziehungsweise ein Volumen von 3,5 Milliarden Dollar erreichen.

Immer mehr Unternehmen erkennen die Möglichkeit, will das Münchener ifo-Institut für Wirtschaftsforschung herausgefunden haben, Korrespondenzabwicklung und Verwaltungsabläufe zu rationalisieren Nach Ansicht der ifo-Forscher lassen sich mit dem gezielten Systemeinsatz pro Unternehmen und Jahr Produktivitätssteigerungen zwischen sechs und sieben Prozent erreichen.

Allerdings darf sich der Anwender von den vielen am Markt gebotenen Möglichkeiten nicht blenden lassen. Denn sonst wird er, wie es Rank-Xerox-Pressesprecher Lutz E. Dreesbach ausdrückt, allzu schnell eine Praline im Lkw transportieren. Erstes Gebot bei der Auswahl des geeigneten Gerätes sollte daher die Problemanalyse sein: Wozu brauche ich Textverarbeitung überhaupt? Erst dann sei es möglich, so Dreesbach, Kosten und Nutzen verschiedener Anlagen gegeneinander abzuwägen.

Dies dürfte indessen schwer fallen, denn allein bei dem ehemals auf Kopierer spezialisierten Unternehmen erweisen sich vier Produkte als tauglich, Texte zu ver- und bearbeiten. Die Palette reicht von der elektronischen Schreibmaschine bis zur multifunktionalen Arbeitsstation mit "Maus", einer handgeführten rollenden Cursorsteuerung. Beim Mikro-Spezialisten Apple konnte man das "Tierchen" ebenfalls sehen. Doch gerade die Textverarbeitungsprogramme sind dem PC-Software-Spezialisten Hermann Bense zufolge "noch nicht so doll". Dennoch zeigt sich auch der Marketing-Manager der Wang Deutschland GmbH, Heiko Flaspöhler, davon überzeugt, daß der Maus die Zukunft gehört. Durch sie könne der Bedienungskomfort so verfeinert werden, daß potentiellen Anwendern endgültig die Angst vor dem Computer genommen werde. Allerdings gibt auch der Office-Automation-Anbieter zu, hier noch mit einigen Softwareproblemen zu kämpfen.

Die Textverarbeitung auf ihrem Professional-Computer hält Wang dagegen für ausgereift. Das jüngste Baby bringe "Multifunktionalität" an den Arbeitsplatz: Briefe schreiben, Dateien (Adresse/Lager) führen, Statistiken erstellen, Grafiken, Listenform und über Telekommunikation Btx auf Datenbestände zugreifen. Daneben könne der Mikro zum Zweck der Bürokommunikation zusätzlich virtuelle Speicherfähigkeit (VS), das Bürokommunikationssystem (OIS), das Alliance-System, die Rechner der Serie 2200 von Wang sowie Mainframes anderer Hersteller zugänglich machen.

Zu viele Möglichkeiten

Bei solchen Schlagworten sträuben sich indessen VTV-Pressesprecher Kurt Pilger die Haare: "Kommunikationsfähigkeit, davon macht doch heute kaum einer Gebrauch. Man will die Probleme vor Ort lösen und braucht keine Datenbank dazu." Wenn tatsächlich mit großen Dateien gearbeitet werde, dann stelle sich der Anwender doch gleich eine solide DV-Anlage ins Haus. Andernfalls könne man auf Servicefirmen ausweichen, die die benötigten Daten vom Host auf Diskette überspielen. Mit dieser könne dann auf dem Mikro gearbeitet werden. Der Direktanschluß an einen Großrechner sei zwar machbar, doch koste er auch im preisgünstigsten Fall noch an die 40 000 Mark. Zudem stelle sich tatsächlich die Frage, wer all die Anwendungsmöglichkeiten nutzen wolle.

Daß die Zielgruppe in der Regel mit den gebotenen Möglichkeiten überfordert ist, darin sind sich die Hersteller einig. Dennoch bestehe eine enorm hohe Nachfrage nach der Ankoppelung von Mikros, da die Fachabteilungen mit intelligenten Systemen unabhängiger werden wollen. So betont Raymond Treß, Geschäftsführer der Wiskom Software & Organisations Service GmbH, daß zentrale Textverarbeitung selten die optimale Lösung darstelle. Sie scheitere letztlich an den Bedürfnissen der Fachabteilungen. Einen praktikablen Kompromiß stelle daher der Mikro am Arbeitsplatz mit Zugriff auf zentrale Datenbestände dar. Da jedoch der Kleincomputer nur über ein begrenztes Speichervermögen verfüge, erfordere der Zugriff eine durchdachte Organisation der Software. Daran knabbern die Programmentwickler bei Wiskom schon seit Ende '81. Sie benutzen dabei Wordstar, das an Siemens-Anlagen angekoppelt werden soll.

Ärger gibt es bei Sonderwünschen

Die Zeichen der Zeit, was die Textverarbeitung betrifft, glaubt man auch bei Nixdorf erkannt zu haben. Bei bereits 250000 installierten Arbeitsplätzen hält es der Leiter Produkt-/Software-Marketing, Dieter Wendorff, für nur konsequent, daß der MDT-Anbieter jetzt auch in den Mikro-Markt einsteigt. Schließlich wolle man das Feld nicht kampflos Apple und Konsorten überlassen. So liefen die bereits vorhandenen Textverarbeitungsprogramme auch auf dem Mikro-Modell 8810. Allerdings sehen die Paderborner ihr jüngstes Baby eher als Bürocomputer, der sowohl als kleines, autonomes Verarbeitungssystem, als auch als Terminal eines zentralen DV-Systems eingesetzt werden kann. Als ausgesprochenes Textverarbeitungssystem dagegen stellte Nixdorf auf der Messe die 8840/10 (Einplatz-) und die 8840/20 (Mehrplatz-Textsystem vor. Für diese Geräte, betonen die Paderborner, sei eine über 3270-Emulation integrierte Informationsverarbeitung erschlossen worden. Dabei ist es Wendorff zufolge möglich, aus der Textverarbeitungsoberfläche heraus, Daten aus einem Host direkt in die Schriftstücke zu übernehmen und einen Text vom Datenverarbeitungssystem abzuspeichern. Ärger bekommt der Anwender allerdings dann, so klagten schon viele ihr Leid dem Verband für Textverarbeitung, wenn spezielle Änderungs- oder Ergänzungswünsche auftauchen. Denn jeder Zusatz koste in der Regel viel Geld. Zudem ist es laut Pilger auch nicht damit getan, die 3270-Emulation oder eine V.24-Schnittstelle zu versprechen. Da es in der Textverarbeitung grundsätzlich viele verschiedene Schriftarten und -größen gebe, bei den DV-Anlagen jedoch nur Groß- und Kleinschreibung existiere, müßten die Programme umgesetzt werden. Dies sei technisch zwar möglich, doch gingen dabei oft zehn bis 20 Prozent der Daten verloren.

Wer dagegen Textverarbeitungsgeräte ausschließlich dazu einsetzen will, Schriftgut rationeller und qualitativ hochwertiger erstellen zu können, ist Pilger zufolge gut damit bedient, bei Triumph-Adler oder Olympia etwa eine elektronische Standardschreibmaschine zu kaufen und diese dann nach und nach aufzurüsten. Mit einem Diskettenlaufwerk und Bildschirm erhalte man schon eine Grundsatzausstattung, die bis zum Mehrplatzsystem ausbaufähig sei.

Reine TV-Anbieter, wie CPT beispielsweise, sehen ihren Markt nicht beim typischen PC-Anwender und verfolgen auch keine "Shared Logic"-Variante wie etwa Wang oder MAI. Sie betonen vielmehr das Standalone-Konzept. Dabei grenzt sich CPT von typischen Mikro-Herstellern dadurch ab, daß die Produkte im Vergleich zwar teurer seien, dem Benutzer jedoch eine notwendige Unterstützung bereitgestellt werde. CPT denkt dabei an Training, Kundendienst und Software-Entwicklung.

Ähnliche Argumente führt auch der Marktführer IBM ins Feld, der zunehmend von der reinen DV-Philosophie abzurücken scheint. Statt wie früher Textverarbeitungszentren zu propagieren, versucht nun der Branchenriese, die TV in die Fachabteilungen zu tragen. Als preisgünstigstes Modell, für TV bietet Big Blue dabei seinen Personal Computer (PC) an, der als Einzelplatzsystem voll integrierbar sei. Der Haken dabei sei jedoch IBM zufolge, daß aufgrund des Preises (rund 15 000 Mark) und der Vertriebswege (Metro) keine Unterstützung geboten werden könne. Schlüsselfertige Anwendungslösungen gebe es dagegen für das System /23, bei dem Text- und Datenverarbeitung in einem gelöst wurden. Für "den Preis eines Mittelklassewagens" (Original-Ton IBM) sollen vor allem kleineren Unternehmen und Fachabteilungen in Großbetrieben Datenverarbeitung und auch Textverarbeitung ermöglicht werden. Im Unterschied zum Bürocomputer /23 ist das Schreibsystem der Stuttgarter verbundfähig, und zwar über 3270-Emulation oder IBM's Systems Network Architecture (SNA). Dadurch kann das für professionelle Schreibbüros konzipierte Einzelplatzsystem auch im Host rechnen lassen. Allerdings sei das Gerät mit einem Preis ab 24 000 Mark nicht gerade billig, wie TV-Kenner meinen. Daneben kann der IBM-Anwender seine Textverarbeitung auch auf dem Bürosystem 5520 oder dem Informationssystem 8100 abwickeln.

Aber auch dem Branchenriesen bescheinigt der Verband für Textverarbeitung Schwerfälligkeit, wenn es darum gehe, Programme auf bestimmte Benutzer-Wünsche hin abzuändern. Da zeige sich so mancher Konkurrent flexibler.