Trotz demonstrativer Einigkeit auf der Object World IBM und DEC sind die Anfuehrer zweier Objekttechnik-Fraktionen

25.06.1993

SAN FRANZISKO (ls) - Die Bekanntgabe neuer Unternehmensallianzen fuer objektorientierte Technologien praegte in diesem Jahr die Konferenzausstellung "Object World". Die Object Management Group (OMG) bewertet diese Buendnisse als Ausdruck einer grundsaetzlichen Einigkeit der Anbieter.

"Daran gemessen, wo wir heute, vier Jahre nach unserer Gruendung, sind, haetten wir uns vielleicht besser Distributed Application Group taufen sollen", resuemierte Chris Stone, President der OMG. Immerhin seien schon damals verteilte Anwendungen das Ziel der Anbietervereinigung gewesen. Die phonetische Aehnlichkeit der Abkuerzung DAG zum Firmennamen des OMG-Mitglieds DEC habe aber den Ausschlag gegeben fuer eine Bezeichnung, die das Mittel zum Zweck, naemlich die Objekttechnologie, hervorhebt.

Microsoft glaenzte

durch Abwesenheit

Die Breitenwirkung dieses Mittels wurde auf der diesjaehrigen Object World manifest. Einziger Schatten: die Abwesenheit der so gern von Objekten redenden Microsoft Corp. Dazu Cliff Reeves, Programmdirektor fuer Objekttechnologie-Produkte bei der IBM- Division Personal Software Products (PSP) in Anspielung auf die Big-Blue-Historie: "Marktfuehrer sind nun mal immer langsam, wenn es um Standards geht." Microsoft wolle die Common Open Request Broker Architecture (Corba) der OMG offenbar erst dann unterstuetzen, "wenn sie wichtig wird".

Dass Corba bereits heute schon bedeutend ist, darueber gibt es bei der Mehrheit der objektorientierten Anbieter keinen Zweifel. Nach Corba-1.1-Unterstuetzung braucht man bei ihnen ebensowenig zu fragen wie in der Unix-Welt nach XPG4-Vertraeglichkeit.

Vordergruendig ging es

um Entwicklungs-Tools

Applikationsentwicklungen haben heute nur noch dann eine Chance, wenn sie sich auf eine oberhalb eines allgemeinen Standards angesiedelte Konzeption stuetzen. Wie auf der Object World deutlich wurde, haben sich hierzu zwei Fraktionen gebildet.

Im Zentrum der ersten Gruppe steht IBM mit dem System Object Modell (SOM) und dessen Erweiterung Distributed System Object Modell (DSOM). Fuer die Oeffentlichkeit schob IBM auf der Object World die Verfuegbarkeit von Entwicklungswerkzeugen fuer SOM in den Vordergrund des Interesses - offenkundig in der Absicht, jeden Anschein von Spannungen innerhalb der OMG zu vermeiden.

SOM beziehungsweise DSOM hat die Unterstuetzung einer ganzen Reihe von Anbietern. Beschlossen sind unter anderen Kooperationen mit HewlettPackard, Borland, American Management Systems, Cirrus Technology, Footprint Software, Metaware, Digitalk, Easel und Object Design Ein Vertrag mit Sunsoft steht kurz vor der Unterzeichnung.

Die zweite Gruppe formiert sich derzeit um die Digital Equipment Corp. (DEC). Auch bei DEC ging es vordergruendig um Entwicklungswerkzeuge - fuer die Corba-basierende Application Control Architecture (ACA), deren Sourcecode das Unternehmen nun allgemein verfuegbar machen will. Die zu Zeiten von Ken Olsen noch recht eigenwillige Company hat sich erfolgreich um eine Reihe von Partnern bemueht. Zu nennen sind hier die Object Management Group sowie Next Computer, Open Environment Corp., Objectivity und Associative Design Technology.

Die OMG bemuehte sich sichtlich, den Verdacht zu zerstreuen, dass es sich bei der Bildung solcher Gruppierungen um Fraktionskaempfe innerhalb des Anbieterkonsortiums handeln koenne. Auf jeder der entsprechenden Pressekonferenzen war demonstrativ ein Mitglied der OMG-Fuehrungsriege zugegen. Die betreffenden Unternehmen betonten denn auch, dass es lediglich darum gehe, die allgemeinen OMG- Standards in marktfaehige Implementierungen umzusetzen.

Die Bemuehungen der verschiedenen Kooperationen laufen auf endnutzerfaehige Anwendungen, Services und Programmier-Tools hinaus. Das duerfte der wegen des Defizits an stabilen Applikationen kritisierten OMG entgegenkommen.