Tipps für den Kampf Mensch gegen Maschine

21.01.2008
Von Handelsblatt 
Telefongespäche, E-Mails, SMS - längst hat sich der Büroalltag zu eine Abfolge von Unterbrechungen des Arbeitsflusses entwickelt. Doch der daraus resultierende Stress lässt sich bekämpfen.

"Wenn der Mensch sich dem Rhythmus der Technik unterwirft und nicht umgekehrt, wird es problematisch", sagt Dr. Annette Hoppe, Dozentin am Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft und Arbeitspsychologie an der BTU Cottbus. In den USA beschäftigt sich bereits eine eigene Wissenschaftsdisziplin mit den Auswirkungen der totalen mobilen Vernetzung: Die Interruption Science, zu Deutsch Unterbrechungswissenschaft. Sie untersucht die negativen Folgen, die durch ständige Erreichbarkeit und damit verbundenen Unterbrechungen der Arbeit entstehen. 588 Milliarden Euro und 28 Milliarden Arbeitsstunden gingen so jährlich allein in den USA verloren, behauptet eine Studie von Basex, einer New Yorker Beratungsfirma für Informationsmanagement.

Diagnose: Technisch bedingte Hyperaktivität

Von technisch bedingter Hyperaktivität vieler Arbeitnehmer spricht Dr. Annette Hoppe, die auch schon den Unternehmerverband Land Brandenburg e.V., Siemens, Vattenfall und zahlreiche mittelständische Firmen beraten hat. Je häufiger jemand aus seiner Beschäftigung herausgerissen würde, desto mehr Fehler entstünden dabei. Tests am Lehrgebiet für Arbeitswissenschaft und Arbeitspsychologie der BTU Cottbus ergaben: Jede Unterbrechung der Arbeit beeinflusst die Herzfrequenz und den Hautleitwert und löst damit Stress aus. Weil insbesondere Menschen in hohen Positionen die so entstandenen Fehler vor allem sich selbst und nicht den Umständen anlasten, entsteht zusätzlicher psychischer Druck.

Dem durchschnittlichen Büroarbeiter stünden im Schnitt gerade mal elf Minuten zur Verfügung, in denen er sich unterbrechungsfrei einer Aufgabe widmen kann, ergab eine Untersuchung der University of California. Bei Managern wird es eher noch weniger sein. Insbesondere für die von Managern geforderte Kreativität für neue Lösungswege sei dies gerade zu tödlich, bemerkt Hoppe.

Auch Multitasking - das parallele Bearbeiten verschiedener Aufgaben gleichzeitig - müssen heute nicht nur Computer beherrschen: Der durchschnittliche Angestellte widmet sich im Schnitt 11,7 Aufgaben zur gleichen Zeit, ergab die Studie aus Kalifornien. Psychologen sind sich jedoch einig, dass Menschen effizienter arbeiten, wenn sie sich nur jeweils einer Aufgabe der Reihe nach widmen.

Dabei sei das Problembewusstsein in deutschen Unternehmen durchaus vorhanden, so Hoppe. Ihre Vorlesungen würden immer häufiger auch von Führungskräften besucht, zahlreiche Projekte der Drittemittelforschung würden in Kooperation mit Unternehmen durchgeführt. Ihr Lehrstuhl hat nun eine Grundlagenstudie durchgeführt, die sich mit dem Verhalten bei Technikstress und den wirtschaftlichen Schäden beschäftigt. Di Ergebnisse werden in Kürze erwartet.

Technik-Overkill vermeiden

Völlig falsch wäre es jedoch, die neuen Technologien zu verteufeln. Vielmehr geht es darum, Strategien zu finden, den "Technik-Overkill" zu vermeiden: Am wichtigsten sei zu Beginn, sich über den Zweck der eingesetzten Technik klar zu werden, sagt Dr. Annette Hoppe. Nicht alles, was technisch möglich erscheint, ist auch sinnvoll. Vielmehr müsse man sich Fragen, welche Aufgaben die Technik im Unternehmen bewältigen soll. Dann sind maßgeschneiderte Lösungen gefragt, die nur die Funktionen bieten, die auch benötigt werden. Die eingesetzte Technik müsse den Anforderungen der Mitarbeiter gerecht werden, nicht umgekehrt. Jede überflüssige Funktion trägt darüber hinaus nicht nur zur Überforderung der Mitarbeiter bei, sondern erhöht zudem die Störanfälligkeit der eingesetzten Geräte.

Im nächsten Schritt geht es darum, sich gemeinsam mit den Mitarbeitern in die neue Technik einzuarbeiten. "Ein Großteil der Probleme und des Technikstresses entstehen dadurch, dass neue Technologien den Mitarbeitern aufgedrängt werden", bemerkt Hoppe. "Hier mangelt es oft an der nötigen Kommunikation". Wenn den Mitarbeitern die Gründe und Chancen neuer eingesetzter Kommunikationsmittel nahe gebracht werden, nehmen sie diese auch besser an, ist sie überzeugt.

Streß-Management tut Not

Für den täglichen Betrieb empfiehlt die Dozentin ein Stressmanagement auszuarbeiten: Feste Zeiten, in denen Kommunikationsgeräte ausgeschaltet werden, damit die Mitarbeiter sich in dieser Phase schwierigen Aufgaben stressfrei widmen können, hätten sich in vielen Unternehmen als effizient erwiesen. Damit die wichtigen eingehenden Anfragen trotzdem beantwortet werden, sollten Verantwortlichkeiten und Zeiten für die Erreichbarkeit unter den Mitarbeitern verbindlich festgelegt werden. Dabei sei es auch wichtig, Prioritäten zu bilden und Wichtiges und von Unwichtigem zu trennen.

Zwischen Kommunikationspartnern haben sich feste Regeln als sinnvoll erwiesen. Bricht beispielsweise eine Telefonverbindung unerwartet ab, gestaltet sich die Wiederaufnahme des Gesprächs oft schwierig, weil oft beide gleichzeitig versuchen den jeweils anderen zu erreichen. Eine sinnvolle Regel lautet hier: Der Aktive bleibt aktiv. Wer also das Gespräch initiierte, übernimmt auch die Wiederaufnahme.