Timesharing als Kostenalternative zur In-house-EDV

15.12.1978

Timesharing, in seinem Nutzen oft umstritten, gilt heute als Wachstumsmarkt. Die Branche meldet überdurchschnittlich hohe Zuwachsraten, die die 30-Prozent-Marke deutlich übertreffen. Das liegt einerseits an dem noch geringen Marktvolumen, das für 1978 auf etwa 50 Millionen Mark zu veranschlagen ist. Mit Sicherheit sind aber Faktoren wirksam, die diesem Markt auch in der nahen Zukunft hohe Zuwachsraten bescheren:

- Das Bedürfnis der Fachabteilungen nach Unabhängigkeit begünstigt alle dezentralen Verarbeitungsformen, zum Beispiel eigene Bürocomputer oder Dienstleistungen, wie sie von den Timesharing-Unternehmen angeboten werden. Hierbei hat aufgrund der geringen Basiskosten (ein Terminal ohne besonderes Bedienungspersonal) und der verursachungsgerechten Verrechnung der Dienstleistungen die Timesharing-Branche eine gute Wettbewerbsposition.

- In zunehmendem Maße wird bei der Entwicklung von DV-Vorhaben differenziert. Man beauftragt die DV-Abteilung nicht mehr vorbehaltlos mit der Realisierung von allen gewünschten Anwendungen. Kostenüberlegungen und alternative Möglichkeiten spielen eine wachsende Rolle.

- Die schnelle Verfügbarkeit von standardisierten und damit transparenten Leistungen wird in vielen Fällen Unternehmen dazu veranlassen, das Leistungsangebot von Timesharing-Services als alternative Möglichkeit in Betracht zu ziehen.

- Das Vordringen weltweiter Kommunikationsnetze läßt die Nutzung internationaler Timesharing-Dienste selbstverständlicher erscheinen. Die Benutzer können deshalb mit niedrigeren Hemmschwellen beim vorgesetzten Management rechnen.

Allerdings sind auch hemmende Einflüsse erkennbar. Dazu gehört vor allem die Einstellung der DV-Leiter zum Timesharing: Sie erblicken darin eine Konkurrenz zur eigenen Datenverarbeitung.

Die Timesharing-Anbieter versuchen daher, in Umgehung der Datenverarbeitung ihre Dienstleistungen oft dem zuständigen Fachbereich direkt anzubieten.

Das Angebot des Timesharing-Services ist heute sehr vielfältig. Schwerpunktmäßig werden dabei die Anwendungen genutzt, die aufgrund ihrer technischen Anforderungen oder ihrer Komplexität nicht ohne weiteres im eigenen Hause abgewickelt werden können. Das sind insbesondere

- Finanzplanung und Analyse,

- technisch/wissenschaftliche Anwendung

- Unternehmensplanung,

- Simulation,

- Softwareentwicklung,

- NC-Programmierung.

Zunehmend werden auch Informations- und Dokumentationsdienste der Timesharing-Anbieter genutzt, die gegenwärtig jedoch noch keine so großen Umsätze erzeugen.

Per saldo rechtfertigen die genannten Einflüsse optimistische Prognosen, wonach für die frühen 80er Jahre eine Verdoppelung des Umsatzvolumens auf über 100 Millionen Mark erwartet wird.

Von dieser Expansion werden jedoch nur wenige Anbieter profitieren: Nur knapp 10 Anbieter haben sich auf diesen Markt konzentriert. Davon mehr als 50 Prozent auf IBM. An zweiter Stelle liegt der Honeywell-Informations-Service - nicht zu verwechseln mit Honeywell-Bull - der einen Marktanteil von über 30 Prozent besitzt. Den Rest teilen sich die übrigen Anbieter, unter denen CDC, Taylorix-Timeshare und ADP-Network vorn rangieren. Unter diesen Umständen wundert es nicht, daß sich das Kartellamt für diesen Markt interessiert.

Fritz-Reinhard Müller ist Mitarbeiter der Diebold Deutschland GmbH.