Deutsche Unternehmen sind noch zurückhaltend

Telearbeit sichert Wettbewerbsfähigkeit

10.10.1997

In Deutschland klafft in puncto Telearbeit eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Der Versicherungskonzern Allianz berichtete vor einiger Zeit stolz, daß die Zahl der Telearbeiter auf 20 Mitarbeiter aufgestockt werden soll, und Unternehmen wie BMW, die sich Innovation groß auf ihre Fahnen schreiben, experimentieren noch bis zum Jahresende an einem Pilotprojekt, bevor die neue Arbeitsform überhaupt Spruchreife erlangt.

Vorzeigebetrieb in Deutschland ist immer noch die IBM, die mit rund 2500 außerbetrieblichen Arbeitsplätzen einen Standard gesetzt hat. Jedoch bestätigt auch hier der Wunsch der Mitarbeiter nach einem eigenen Schreibtisch im Unternehmen, daß sich ein wirklicher Wandel, wie im amerikanischen Mutterhaus noch nicht abzeichnet.

In den USA ist die Arbeit in den eigenen vier Wänden mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden: Sämtliche Fortune-1000-Unternehmen nutzen inzwischen Telearbeitsprogramme, um ihre Kunden schneller und flexibler bedienen zu können. Wolfgang Kitza, Geschäftsführer der Internet-Company Bertelsmann-Telemedia, nennt für das zögerliche Verhalten von Unternehmen hierzulande folgenden Grund: "Viele deutsche Führungskräfte erkennen nicht die Zeichen der Zeit. Ihr primärer Fokus ist häufig, einen bestehenden Standard zu halten, und aus Bequemlichkeit verschließen sie sich notwendigen Veränderungen." Wollen Unternehmen auch in Zukunft konkurrenzfähig bleiben, müssen sie diese Denkart ändern und Technologien wie E-Mail oder Intranets auch für neue Arbeitsformen innovativ nutzen.

Bei der Telearbeit stehen nicht technologische Innovationen, sondern vielmehr Auswirkungen auf das gesellschaftliche und soziale Leben im Vordergrund. Mit der Einführung neuer Arbeitsmodelle verändert sich die Struktur des Sozialstaats.

Die neuen Formen der "Heimarbeit" stellen auch die bisherige Organisations- und Führungsstruktur in Unternehmen in Frage. So bangt etwa das mittlere Management um seine Positionen aufgrund des Abbaus von Hierarchien und neuer Anforderungen an Führungsmethoden. Ältere Semester haben es bei der Arbeitsplatzsuche besonders schwer.

Zu bedenken ist außerdem, daß die Bundesrepublik historisch ganz anders vorbelastet ist als beispielsweise die USA: In der deutschen Militärgeschichte haben hierarchische Führungsmodelle über Jahrhunderte hinweg Einfluß auf die Gesellschaft ausgeübt und finden selbst heute noch in dem bekannten "Dienstweg" ihren Ausdruck. Nach den Erfahrungen zweier verlorener Weltkriege und angesichts hoher finanzieller Belastungen durch die Wiedervereinigung scheut offensichtlich besonders Deutschland die mit Telearbeit verbundenen Risiken, sprich soziale Umwälzungen und Veränderungen des sicheren geordneten Arbeitsumfeldes.

Erfolgreiche Unternehmen müssen in Zukunft vor allem flexibel und schnell agieren können. Zudem stehen sie in einem globalen Wettbewerbsumfeld, zumal sogar kleine Unternehmen mit Hilfe neuer Kommunikationstechnologien weltweit tätig sein können. Wie aber lassen sich diese Anforderungen erfüllen, wenn deutsche Unternehmen an starren Arbeitsformen festhalten, während der ausländische Mitbewerber Dienste und Produkte flexibler und preiswerter anbieten kann?

Telearbeitsprogramme erfordern ein Umdenken, in dem Kontrollmechanismen durch Vertrauen und Befehlen durch Coachen ersetzt wird. Voraussetzung dafür ist ein veränderter Führungsstil, der die einzelnen Mitarbeiter stärkt.

Manager, die sich diesen neuen Anforderungen stellen, werden auch in Zukunft nicht um ihre Position fürchten müssen, denn als Bindeglied zwischen ihren Mitarbeitern tragen sie nicht nur eine fachliche, sondern vielmehr auch eine persönliche Verantwortung für den Erfolg ihres Teleteams. Ihre Aufgabe wird schwerer zu erfüllen sein als bisher.

Setzen sich Unternehmen hingegen nicht mit dieser Problematik auseinander, geraten sie gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen und haben in einigen Jahren nicht mehr die notwendige Kraft, erforderliche Veränderungen nachzuholen. Aber auch in der Gesellschaft ist es an der Zeit für einen Aufbruch, denn solange Arbeitsformen wie Telearbeit keine Anerkennung finden, können sie sich nicht durchsetzen.

Schritte zur Telearbeit

- Telearbeit im Unternehmen der Geschäftsleitung vorschlagen;

- Komitees für die Einführung des Telearbeitsprogramms festlegen;

- Parameter für das Pilotprogramm definieren;

- Orientierungsprogramme für Mitarbeiter und Vorgesetzte ausarbeiten;

- Vereinbarungen für Arbeitsstätten und Betriebe erstellen;

- Auswahlkriterien für Telearbeiter bestimmen;

- Bewertungskriterien für Leistung der Telearbeiter definieren;

- Bedarf für Geräte und neue Technologien bestimmen;

- Referenzmaterial und Broschüren vorbereiten;

- Telearbeiter und Führungskräfte auswählen;

- Ergebnisorientiertes Management (Management by Objective) einführen.

- Lenkungsausschuß einrichten;

- Telearbeiter und Vorgesetzte schulen;

- Telearbeit starten;

- Telearbeitsteams begleiten und unterstützen;

- Arbeitsleistungen der Telearbeiter und Führungskräfte bewerten;

- Unterstützung vom Topmanagement bekommen,

- Telearbeit im gesamten Unternehmen einführen;

- Telearbeit in den verschiedenen Abteilungen überwachen und Anpassungen vornehmen.