Supersurver statt Mainframes/Die Alpha-Architektur ist die Basis bei Digital Mit 64-Bit-Technologie die Herausforderungen bewaeltigen

10.11.1995

Von Jochen Krebs*

Offene RISC-basierende Server-Systeme bieten ein weit guenstigeres Preis-Leistungs-Verhaeltnis als proprietaere Mainframes: Die jaehrlichen Servicekosten eines Mainframes liegen hoeher als der Anschaffungswert eines neuen RISC-Servers. Doch der Anwender darf vom Hersteller mehr als eine schnelle "Kiste" verlangen, naemlich auch die Unterstuetzung einer umfassenden Softwarepalette, Migrationshilfen, Support, Beratung und die Garantie eines reibungslosen Betriebs.

Mit der Abloesung der zentralen Mainframes geht der Uebergang zu dezentralen Client-Server-Infrastrukturen einher, die eine Reihe wichtiger Anforderungen erfuellen muessen:

Die offenen Systeme sollen so ausgelegt sein, dass sie den Anspruch einer Mainframe-Alternative hinsichtlich Rechenleistung, Durchsatz und Ausfallsicherheit erfuellen. Die IT-Infrastruktur muss die Einbindung der vorhandenen dezentralen Systeme sowie unter anderem die Weiterverwendung bestehender Altanwendungen ermoeglichen. Schliesslich muessen die Voraussetzungen gegeben sein, neue Programme zu integrieren, von denen sich ein Unternehmen Wettbewerbsvorteile verspricht: zum Beispiel Data-Warehouse- und Decision-Support-Systeme.

Anwender brauchen mehr als Hard- und Software

Es ist offensichtlich, dass eine "Hot box" hier nur ein kleiner Teil der Gesamtloesung sein kann, die ein Kunde von einem Systemhersteller erwartet. Das Zusammenspiel der Einzelkomponenten, die Einbindung der richtigen Loesungspartner und umfassendes Beratungs- und Serviceportfolio sind unverzichtbare Bestandteile einer Gesamtloesung.

Die Firma Digital verfuegt ueber Erfahrung in der Abwicklung entsprechender Projekte in verschiedensten Industriesegmenten wie Fertigungsindustrie, Telekommunikation, Finanzwirtschaft und Gesundheitswesen. Digital bietet zusammen mit seinen Servicepartnern eine umfassende Dienstleistungspalette, angefangen von Business Process Redesign ueber technisches Consulting und Migrationsunterstuetzung bis hin zu Entwicklung und Implementierung von Client-Server-Applikationen.

Auf Wunsch wird auch die Generalunternehmerschaft fuer Grossprojekte uebernommen. Gegenwaertig werden auf den Alpha-Plattformen rund 7000 Applikationen unter den Betriebssystemen Digital-Unix, Open-VMS und Windows NT unterstuetzt.

Strategische Partner sind Microsoft als strategischer Partner in der unternehmensweiten DV und fuer Windows NT, SAP, fuer deren R/3- Anwendung DEC ein eigenes Entwicklungszentrum unterhaelt, sowie Datenbankanbieter, die auf der Alpha-Plattform 64-Bit-Versionen ihrer Datenbanken implementieren oder weiterentwickeln.

Daneben gibt es Loesungspartner, die bestimmte Beratungs- oder Portierungsdienstleistungen erbringen. So verfuegt die Firma Infosoft in Dortmund ueber Erfahrung in der Portierung von Altanwendungen auf Digital-Unix- und Open-VMS-Systeme.

Der "Multivendor Customer Service" ist bei Digital ein eigener Geschaeftsbereich, der fuer die herstelleruebergreifende Wartung und Pflege von Hard- und Software gemaess den individuellen Wuenschen der Kunden zustaendig ist. Dahinter steht ein weltweites Servicenetz mit mehr als 22000 Mitarbeitern, Customer Support Centers fuer Hotline-Support und Ferndiagnose sowie Schulungszentren fuer Kunden.

Basis der Hardware-Architektur von DEC-RISC-Systemen sind die Alpha-Prozessoren, die es in unterschiedlichen Leistungsstaerken und Taktraten gibt.

Die Alpha-Rechnerfamilie von Digital besteht aus untereinander kompatiblen Workstations und Servern. Sie ermoeglichen in Verbindung mit SMP und Cluster-Faehigkeit eine praktisch unbegrenzte Skalierbarkeit und lassen sich fuer individuelle Anwenderbeduerfnisse flexibel und kosteneffizient konfigurieren.

Bei den Servern unterscheidet Digital drei Leistungsklassen:

- Workgroup-Server fuer File- und Print-Sharing-Services auf Arbeitsgruppenebene mit einer CPU, limitierter Ausbaufaehigkeit und PCI-Schnittstelle.

- Abteilungs-Server, das heisst Applikations- und LAN-Server fuer groessere Benutzergruppen mit einer bis vier CPUs an einem gemeinsamen System-Bus in SMP-Architektur, PCI-Schnittstelle, Ausfallsicherheitsoptionen wie redundante und unterbrechungsfreie Stromversorgung sowie Controller-basiertes Raid.

- High-end-Server fuer grosse Abteilungen oder Rechenzentren. Diese Systeme mit der Bezeichnung Alpha-Server 8200 und 8400 sind als Alternative zu den klassischen Mainframes beziehungsweise Supercomputern konzipiert. Der System-Bus mit einem Durchsatz von 1,7 GB/s unterstuetzt bis zu zwoelf CPUs und ebenso viele I/O-Kanaele mit einem aggregierten Durchsatz von ueber 1,2 GB/s.

Die eingesetzte CPU Alpha 21164 ist mit 300 Megahertz getaktet und verfuegt ueber einen zweistufigen hierarchischen Daten-Cache mit 8 beziehungsweise 96 KB. Auf dem CPU-Board sind pro Prozessor noch einmal 4 MB Third-level-Cache geschaltet, bevor ein Zugriff auf den Hauptspeicher erfolgt.

Dieses Cache-Design garantiert schnellsten Zugriff bei optimaler Speichergroesse. Der Hauptspeicher selbst laesst sich bis zu einer Groesse von 14 GB aufruesten, was deutlich ueber den 4 GB liegt, die eine 32-Bit-Architektur maximal adressiert. Dieser Rechner erreicht Rekordwerte sowohl bei Floating-point- und Integer-Tests (507 Spec fp92/CPU, 346 Spec int92/CPU) als auch bei Datenbankanwendungen.

Der Preis fuer diese Server-Systeme liegt zwischen rund 30000 Mark im Low-end-Bereich und ueber einer Million Mark fuer eine voll ausgebaute High-end-Server-Installation.

Die Abteilungs- und High-end-Server werden durch einfachen Kartenaustausch auf neue Prozessoren aufgeruestet, dabei ist auch der Bus-Durchsatz skalierbar. Als Massenspeicher dienen Standard- SCSI-Platten der Typen Fast- beziehungsweise Fast-wide- differential. Damit lassen sich nach dem heutigen Stand der Technik ueber 10 TB im Online-Zugriff konfigurieren. Daneben gibt es auch die Moeglichkeit, die aeltere Digital-eigene Plattenarchitektur DSA weiterhin zu unterstuetzen.

Die Moeglichkeit des Clustering bietet eine wichtige Dimension der Performance-Skalierung und der erhoehten Ausfallsicherheit. Unter einem Cluster versteht man eine Anzahl lose gekoppelter Systeme, die sich aus Benutzersicht weitgehend wie ein Einzelsystem verhalten. Diese unter VMS entwickelte Funktionalitaet hat Digital auch unter Unix implementiert und wird voraussichtlich im Laufe des naechsten Jahres in vollem Umfang zur Verfuegung stehen. Die Kombination von redundanten Systemkomponenten, multiplen Rechnerknoten und Software-"Failover"-Technologien schuetzen gegen Systemabstuerze und erhoehen gleichzeitig die Performance des Gesamtsystems.

Bis zu 96 Knoten in einem Cluster

Mit der Cluster-Technologie von Digital lassen sich bis zu 96 individuelle Alpha- oder VAX-Knoten zu einem Cluster koppeln. Geographisch getrennte Systeme koennen - mit gespiegelten Datenbestaenden - in einem gemeinsamen Cluster residieren und schuetzen auf diese Weise gegen Naturkatastrophen oder menschliches Versagen. Falls eine Lokation ausfaellt, nimmt eine andere Installation die Dienste praktisch unterbrechungsfrei wieder auf.

Unter Digital-UNIX reduziert der "Decsafe Available Server" die Systemausfallzeit aufgrund von Hard- und Softwareproblemen. Decsafe ermoeglicht Plattenzugriff von mehreren Knoten und stellt einen generischen Failover-Mechanismus fuer netzwerkbasierende Server-Dienste wie NFS, Mail oder Login sowie fuer Applikationen wie Datenbanken bereit. Eingriffe in den Quellcode der Applikationen sind nicht erforderlich; der Restart erfolgt ueber ein individuell editierbares Shell-Skript. Aufgrund eines Log- basierenden File-Systems ist die Recovery-Zeit plattenspeicherunabhaengig und erfolgt im allgemeinen innerhalb von etwa 30 Sekunden.

System-, Netzwerk- Platten- und File-Management sind kritisch fuer den taeglichen Betrieb einer unternehmenswichtigen Rechnerplattform. Eine verteilte, heterogene Systemlandschaft braucht effiziente Werkzeuge fuer die Ueberwachung und das Management der Ressourcen - zentral und dezentral.

Digital bietet ein Set von System-Management-Tools an, die das Management der gesamten Systemumgebung ueber Hersteller-, Netzwerk- und Betriebssystem-Grenzen hinweg ermoeglichen. Diese Werkzeuge sind im Integrations-Framework "Polycenter" zusammengefasst.

Diese Integration stellt sicher, dass die einzelnen Werkzeuge in einer konsistenten Art und Weise zusammenarbeiten, so dass beispielsweise die Mitteilung eines Systemfehlers automatisch priorisiert und an die richtige Person weitergeleitet wird. Das Polycenter-Management-Portfolio umfasst unter anderem die Funktionen Netzwerk-, Account- und Storage-Management, Performance-Monitoring, Backup, Recovery nach Systemabstuerzen und Security.

Haeufig ist die Migration von Mainframe-Anwendungen auf offene Systemplattformen Teil eines unternehmensweiten Reorganisationsprozesses unter dem Stichwort "Business Process Re- Engineering". An dessen Ende steht ein praktisch komplettes "Rewrite" der Altapplikationen mit dem Ziel einer Optimierung und besseren Unterstuetzung der Geschaeftsprozesse. Das Erreichen dieses Ziels ist fuer historisch gewachsene Organisationen mit einem hohen Aufwand sowie nicht zu unterschaetzenden Risiken verbunden und erfordert daher eine schrittweise Realisierung.

Eine moegliche Strategie kann darin bestehen, bestimmte Altanwendungen zunaechst auf dem Mainframe zu belassen und ueber geeignete "Vermittlungs-Server" fuer die Endbenutzer an den Desktop-Geraeten verfuegbar zu machen. Digital bietet hier entsprechende Middleware an, die dafuer die erforderlichen Software-Schnittstellen bereithaelt.

Eine zentrale Anforderung ist der Zugriff auf die Datenbanken der Mainframes sowie auf die relationalen Datenbanken der Unix-Welt. DECs Accessworks stellt Directory- und Uebersetzungsdienste zur Verfuegung, um Daten netzwerkweit aufzufinden und in das richtige Client-Format zu uebersetzen. Mittels Accessworks koennen verschiedene Typen von Clients auf mehr als 80 Datenbanktypen (relational, nichtrelational, flat files etc.) benutzertransparent zugreifen. Windows-, Macintosh-, Open-VMS- und Unix-Benutzer brauchen nicht zu wissen, wo ihre Daten physikalisch im Netzwerk gespeichert sind; gleichzeitig behaelt jede Datenbank ihre lokale Autonomie.

Eine weitere Moeglichkeit ist die objektorientierte Einbindung kompletter Altapplikationen mittels eines "Brokering"-Mechanismus. Der Objectbroker von Digital ist eine Entwicklungsumgebung, die auf dem Industriestandard Common Object Request Broker Architecture (Corba) fuer objektorientierte Applikationen basiert. Objectbroker schliesst auch Microsofts OLE und DDE durch das Common Object Model mit ein.

Fuer die Portierung transaktionsorientierter Applikationen auf die Alpha-Plattformen stehen Transaktionsmonitore wie CICS fuer Digital-Unix, VIS/TP, Transarc Encina, Tuxedo und ACMS zur Verfuegung.

Doch es gibt noch eine wichtige Dimension, die bei einer Investitionsentscheidung zu beruecksichtigen ist: Wie sicher ist eine solche Investition im Hinblick auf zukuenftige technische Entwicklungen? Das heisst: Wie wettbewerbsfaehig ist die gewaehlte Technologie auf laengere Sicht? Welche Folgekosten und -risiken sind durch zukuenftige Software-Umstellungen, Upgrades etc. zu erwarten? Sind die Plattformen ausreichend skalierbar, um auch einen wachsenden Bedarf abzudecken? Unterstuetzen sie ausreichend neue, innovative Software?

Die 64-Bit-Migration hat Digital hinter sich

Noch im Laufe dieser Dekade werden alle wichtigen RISC- Architekturen am Markt auf 64-Bit-Adressierung umstellen. Um diese Technologie wirksam einsetzen zu koennen, sind tiefgreifende Umstellungen in der Betriebssystem-Software und bei den Anwendungen erforderlich.

Fuer den Endbenutzer bedeutet dies einen komplexen Migrationsprozess von Systemplattformen und Softwarekomponenten. Digital hat diesen bereits hinter sich. Alpha basiert auf 64-Bit-Technologie, Digital-Unix ist eine Implementierung mit 64-Bit-Kernel und - Filesystem, und auf den Server-Systemen der Alpha-Generation sind bereits

64-Bit-Datenbankanwendungen lauffaehig.

Ein eigener Geschaeftsbereich, die Connectivity Software Business Unit, stellt geeignete Softwarewerkzeuge bereit, um eine optimale Interoperabilitaet zwischen heterogenen Systemwelten zu ermoeglichen. Durch die flexible Kombination von SMP-Servern, 64- Bit-Anwendungen und Clustering- Technologie wird eine praktisch unbegrenzte Skalierbarkeit und Flexibilitaet in den moeglichen Konfigurationen erreicht. Gleichzeitig sorgt dieses modulare Konzept aus Industriestandard-Bausteinen dafuer, dass die inkrementellen Kosten von Systemerweiterungen gering bleiben und der Komplexitaetsgrad der eingesetzten Technologie nur so gross ist, wie es die Anwendung tatsaechlich erfordert.

*Jochen Krebs ist Leiter Marketing Advanced Technology bei der Digital Equipment GmbH in Muenchen.