Stuttgarter Marketing-lnstitut kritisiert Produktstrategien der Nicht-lBM-Hersteller:Antiquierte Vertriebspolitik als Absatzbremse

23.06.1978

STUTTGART (de) - Nicht Hardware, sondern cleveres Marketing macht den Erfolg lBM's aus - das bestätigen selbst die härtesten Gegner. Das Erfolgsrezept des Marktführers zu kopieren, ist bisher noch nicht gelungen. Im Gegenteil: Viele EDV-Hersteller halten an einer antiquierten Produkt- und Absatzpolitik fest, wie das Stuttgarter "Institut für Marketing und Management (I. M. M.)" bündig feststellt. Welche Verbesserungsvorschläge die schwäbischen Absatzberater parat haben, schildert Con Bernert*:

Rasch fortschreitender Preisverfall bei der Hardware, wachsender Konkurrenzdruck durch ein anschwellendes Anbieterheer und steigende Kosten für Software, Vertrieb und Service: diese Trends machen es einigen Herstellern der Daten- und Textverarbeitung immer schwerer, profitabel zu expandieren. Trotz Mengenprogressionen oder Kostendegressionen entstehen häufig Gewinnregressionen. Das größte Risiko liegt in einer antiquierten Produkt- und Absatzpolitik.

Das jedenfalls eruierte das Stuttgarter "Institut für Marketing und Management (I. M. M. Absatzmarketing), das schwerpunktmäßig Marketing- und Vertriebsaktivitäten für die Informatikbranche konzipiert und realisiert. Die Experten vom Neckar wissen auch, mit welcher Strategie man in der Bürowirtschaft in den kommenden Jahren neue Marktanteile gewinnt. Die erfolgversprechende und praxiserprobte Formel lautet: integriertes Branchenmarketing. Von dieser aktuellen, zielgruppenkonzentrierten Vertriebsmethode sind indes viele Firmen-Führer der Informatikszene noch meilenweit entfernt.

"Management bei Spürnase"

"Uns verblüfft immer wieder, wie sehr sich im absatzwirtschaftlichen Bereich der Kenntnisstand und die unternehmerische Praxis selbst in großen Informatikfirmen gegenüber dem Wissen und Instrumentarium im technischen Sektor abheben", kritisiert l. M. M.-Inhaber Clauspeter Hannemann. Immer wieder zeige sich, daß Unternehmen dieser Branche vielleicht gerade dank früher leicht errungener Verkaufserfolge veränderte Marktverhältnisse noch nicht genügend beachten und bewerten. Dies wirke sich künftig unter sich verschärfenden Wettbewerbsbedingungen je länger desto kritischer aus - und könne auch nicht mehr durch ein "Management by Spürnase" kompensiert werden. Hannemann fordert daher: "Informatik-Hersteller sollten in den kommenden Jahren unter wachsendem Wettbewerb gezielt den Trend zu EDV-Gesamtlösungen dazu nutzen, problemorientierte Datennetze für eng umrissene Wirtschaftszweige zu entwickeln und sie durch integriertes Branchenmarketing wirkungsvoller zu offerieren statt eine vielfach auf Diversifikation und totale Marktabdeckung ausgerichtete Absatzpolitik zu praktizieren."

Spezialisierung genügt nicht

Dieser Fingerzeig deutet in jene Lücke, die IBM-Boß Walther A. Bösenberg kürzlich leicht herausfordernd so umriß: "Es gibt viele Spezialisten auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, die sich einen Teil aus dem Gesamtsystem herausgreifen und uns da attackieren." Was Bösenberg dabei noch betonte, erscheint besonders beachtenswert: "Aber es genügt nicht, isolierte Speziallösungen anzubieten. Die Leistung, die heute zu erbringen ist, liegt immer weniger in Herstellung und Angebot einzelner Hardware-Einheiten, sondern in ihrer Zusammenführung zum Gesamtsystem. Mit dies ergibt den Nutzen für den Anwender."

Das Manko in der Produktpolitik und im Marketing weist indes noch tiefere Quellen auf. "Gut 90 Prozent aller Beratungsaufträge resultieren daraus, daß selbst gehobene Führungskräfte nicht wissen, was sie wollen." Mit dieser herben Kritik zog sich kürzlich der Chef der "Deutschen Management Gesellschaft" (DMG), Dr. Werner Siegert, nicht unbedingt das Wohlwollen von Unternehmern und Managern zu.

Als Minimalprogramm für ein integriertes Branche Marketing faßt Hannemann die folgenden Aspekte zusammen:

þJedes Marketing-Programm benötigt zunächst klar definierte Unternehmens- und Vertriebsziele.

þJede Neusystem-Entscheidung erfordert eine exakte Kenntnis in qualitativer und quantitativer Hinsicht der Marktes oder Marktsegments.

þJede Systementwicklung setzt eine genaue Ermittlung der technischen und ökonomischen Anforderungsprofile potentieller Abnehmer voraus.

þJede Absatzentscheidung erfordert eine fundierte Übersicht über den Datenkranz ringsum - so vor allem über die Konkurrenzsituation, Schwach- und Starkstellen in der eigenen Argumentation oder über die Nutzenchancen bei den anzusprechenden Käufern.

þJede Realisierung von Maßnahmen erfordert die Prüfung sämtlicher Aktivitäts-Alternativen, um eine höchstmögliche Effizienz in der Akquisition zu erreichen.

þJedes Marketing braucht auch Controlling - nur so lassen sich Folgeentscheidungen absichern.

þJede Marketing-Maßnahme erfordert die Einschaltung der tangierten Unternehmensbereiche wie Forschung und Entwicklung, Public Relations, Werbung und Verkaufsförderung.

Für die Realisierung eines Marketing-Programms - das betonen die Stuttgarter Experten besonders - sei es unumgänglich, daß sich das Gesamtmanagement eines Unternehmens voll mit den absatzwirtschaftlichen Zielen identifiziert.

Hannemann: "Nur wenige Hersteller, die integrierte Text- und EDV-Systeme entwickeln oder schon anbieten sind indes schon heute in der Lage, klar zu sagen, in welchen Marktsegmenten sie welche Probleme der Benutzer konkret lösen oder lösen wollen."

* Con Berner ist freier Autor in 7766 Horn-Staad.