Streit um OLE-Urheberschaft beigelegt Microsoft will Wang-Know-how fuer Imaging-Anwendung nutzen

21.04.1995

MUENCHEN (gfh) - Nach langen Auseinandersetzungen um die Urheberrechte von OLE herrscht nun eitel Sonnenschein zwischen Microsoft und den Wang Laboratories. Die beiden Unternehmen haben sich zusammengetan, um kuenftig gemeinsam mit Windows-Produkten den Markt fuer Bildverarbeitung und Workflow zu erobern.

Immerhin 90 Millionen Dollar in wandelbaren Vorzugsaktien investiert Microsoft in den neuen Partner. Diese Papiere sollen im Jahr 2003 gegen regulaere Anteile zu einem Stueckwert von 23 Dollar eingetauscht werden. Das entspricht einer Beteiligung an Wang in Hoehe von etwa zehn Prozent.

Im Gegenzug haben sich die Wang Laboratories, die zu den fuehrenden Anbietern in den Bereichen Workflow und Verarbeitung von Fax- und Scannerdokumenten zaehlen, verpflichtet, ihre Produkte auf Windows 95 und NT zu portieren.

Geplant ist zudem, die Dokumentensoftware in die Microsoft- Betriebssysteme zu integrieren. Laut Hersteller wird bereits die erste Update-Version von Windows 95 damit ausgestattet.

Ausserdem sollen gemeinsame Anwendungsprogrammier-Interfaces (APIs) fuer das Workflow-Management definiert werden. Gleichzeitig entstehen entsprechende OCX-Module fuer Microsofts Programmierumgebung Visual Basic. Ob diese Absicht mit den aehnlich gelagerten Bemuehungen des Industriekonsortiums Workflow Management Coalition kollidiert, dem Wang bislang angehoert, ist noch unklar. Beschlossen ist jedoch, dass die APIs allen Haendlern zugaenglich gemacht werden.

Noch vor einem Jahr spekulierte die CW-Schwesterpublikation "Infoworld", dass Microsoft Wang wohl fuer viel Geld werde kaufen muessen, um den Gang vor Gericht zu vermeiden. Nun koennten die Erfahrung, die Produkte und das weltweite Servicenetz des Partners einen Akzeptanzschub fuer Windows und NT bei den Grosskunden bewirken. Damit sich die Synergieeffekte nicht auf die Betriebssysteme beschraenken, wurde vereinbart, dass Wang weltweit als Supportdienstleister fuer saemtliche Microsoft-Produkte auftritt.

"Mit dieser Allianz erschliessen wir uns den Riesenmarkt der Microsoft-Kunden", freut sich Michael Hammerstein, Geschaeftsfuehrer der Wang Deutschland GmbH. Diese Perspektiven sowie die Finanzspritze von Microsoft unterstuetzen die schon laenger verfolgte Absicht des Unternehmens, sich vom Hersteller proprietaerer Hardware in einen Software- und Serviceanbieter zu wandeln.

Teure Investition in Bull-Niederlassungen

Bisher schien dieses Konzept aufzugehen. Nachdem der fruehere Hardwarespezialist in den vergangenen Jahren auf Unix- und Windows-Plattformen umgestiegen war, liefen die Geschaefte wieder so gut, dass Wang 1994 fuer 160 Millionen Dollar die amerikanischen Serviceniederlassungen der Groupe Bull uebernehmen konnte.

In den ersten neun Monaten des seit dem 31. Maerz 1994 laufenden Geschaeftsjahres erwirtschaftete Wang erstmals wieder einen Nettogewinn von 50,07 Millionen Dollar nach einem Fehlbetrag von 153,4 Millionen Dollar im entsprechenden Abschnitt des Vorjahres. Die Bull-Investition hat jedoch ein tiefes Loch in die Finanzen gerissen, so dass das Unternehmen fuer das letzte Quartal und fuer das Geschaeftsjahr 1994/95 insgesamt einen betraechtlichen Verlust ankuendigte.