Softwarequalität nicht dem Zufall überlassen

10.09.2002
Von Volker Mücke

   Vorsicht vor der Zuständigkeitsfalle „Ich dachte, ihr habt das getestet“, heißt es, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Die Einsicht, dass Produkte systematisch geprüft werden müssen, ist vielleicht bei den Beteiligten noch vorhanden. Mindestens genauso wichtig ist jedoch für den Testprozess eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung.

Bei der Festlegung der Zuständigkeiten darf das Management nicht unberücksichtigt bleiben, nur weil die operative Produktprüfung im Fokus steht. Vom Management wird der Rahmen der Qualitätsmaßnahmen vorgegeben, der für die einzelnen Projekte verbindlich ist. Es überwacht und lenkt auch dessen Umsetzung. Um den Erfolg langfristig zu sichern, ist eine kontinuierliche „SQM-Werbung“ notwendig, in dem alle Einzelprojekte über den erreichten Qualitätsstand regelmäßig informiert werden. Nur wenn sich das Management eindeutig zum SQM positioniert, werden die Qualitätsmaßnahmen in der Praxis angewendet statt im Schrank zu verstauben.

Testpläne erleichtern Kontrolle

   Prioritäten setzen: Heutige IT-Systeme sind so komplex, dass ein vollständiger Test unmöglich ist. „Time to Market“ steht daher im Widerspruch zu einem anspruchsvollen Testplan. Der Weg aus dem Dilemma kann nur sein, beim Test Prioritäten zu setzen, um Schäden durch Programmfehler in ausgelieferten Versionen möglichst gering zu halten. In der Praxis hat sich ein einfaches Verfahren bewährt: Zuerst wird das System in überschaubare Testobjekte aufgeteilt und anschließend priorisiert. Als Bewertungsparameter dienen dabei die Komplexität und das Risiko durch potenzielle Fehler. So hat die Komponente zur Tarifberechnung einer Lebensversicherung eine deutlich höhere Priorität (Stichwort: Beraterhaftung) als die Gestaltung der Benutzeroberfläche. Alle wichtigen Planungswerte - zum Beispiel Testbeginn und -ende, Bereitstellungstermine für Testdaten sowie benötigte Ressourcen - werden in einem

Testplan festgehalten, laufend kontrolliert und gegebenenfalls angepasst.

   Kaufen Sie nur, was Sie wirklich brauchen: Die SQM-Qualitätsmaßnahmen müssen so ausgewählt werden, dass geforderte Qualität und Kosten im angemessenen Gleichgewicht bleiben. Einwände wie „Woher soll ich vorher wissen, welches die effektivsten Maßnahmen sind? Das ist mir alles zu theoretisch.“ hört man als SQM-Manager nur zu oft. Und in der Tat: Standardverfahren wie V-Modell 97, RUP oder CMM haftet der Geruch des Theoretischen an, da Unternehmen diese Modelle sehr aufwändig an ihre Organisation anpassen müssen und sich möglicherweise erst am Ende herausstellt, ob sie geeignet sind.