Software gibt es nach wie vor als Service

15.11.2002

Geschäftsanwendungen im größeren Umfang werden hingegen kaum nachgefragt. Dies liegt nicht nur daran, dass die ASPs in der Vergangenheit die Technik und nicht den Kundennutzen in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gestellt haben. Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systeme bedürfen in der Regel intensiver Anpassung, um den spezifischen Kundenanforderungen gerecht zu werden. Unter anderem ist die Integration mit Altanwendungen erforderlich. ASPs mit ihren standardisierten Lösungen kommen hier nicht zum Zuge.

Viele ASPs konnten die hohen Investitionen nicht erbringen, die erforderlich sind, um maßgeschneiderte Lösungen zu schaffen. So haben sie wie bereits erwähnt ihr Geschäftsmodell um traditionelle Outsourcing- und Hosting-Angebote ergänzt. Dieser Ansatz ist jedoch mit dem Nachteil behaftet, dass die Anbieter nach wie vor Softwarelizenzen kaufen und zugleich in die individuelle Anpassung und Implementierung der Lösungen investieren mussten.

Marktentwicklung in Europa und den USA: Der Hype um die Vermietung von Software über das Netz ist vorüber. Der Einschätzung von Gartner zufolge tritt der ASP-Markt in Europa in eine Phase der Aufklärung ein. (Quelle Gartner)
Marktentwicklung in Europa und den USA: Der Hype um die Vermietung von Software über das Netz ist vorüber. Der Einschätzung von Gartner zufolge tritt der ASP-Markt in Europa in eine Phase der Aufklärung ein. (Quelle Gartner)

„Net-native“ ASPs haben sich hingegen Synergien im Dienstleistungsbereich zunutze gemacht. Sie kombinieren technologische Softwareservices wie Produktion, Bug-Fixing, Wartung, Erweiterungen und Upgrades mit Betriebsdienstleistungen. Mit dieser Verbindung lassen sich Softwareprodukte für eine einzelne Plattform entwerfen und entwickeln, die plattformunabhängig zum Einsatz kommen können. Die Kombination aus Produktentwicklung und -verbesserung mit dem Betrieb erlaubt es den Anbietern, Probleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben sowie bessere Service-Levels zu niedrigeren Preisen umzusetzen. Damit sind sie zudem profitabler als andere ASPs. Viele der großen unabhängigen Softwareanbieter versuchen jetzt ebenfalls, diese Synergien zu nutzen, um Software als Dienstleistung bereitzustellen.

Ein Beispiel für ein erfolgreiches Net-native Application-Service-Providing ist Salesforce.com. Ende 1999 als Anbieter für Vertriebsinformationssysteme gegründet, hat dieses Unternehmen sein Portfolio um Customer-Relationship-Management- und Back-Office-ERP-Angebote ausgebaut. Mittlerweile zählt der Anbieter rund 5000 Unternehmenskunden mit etwa 70.000 Anwendern. Das Wachstum von Salesforce.com deutet an, welches Potenzial und welche Rentabilität in dem Net-native ASP-Ansatz stecken. Allerdings gibt es mehrere Barrieren, die die breite Einführung derartiger Lösungen verhindern werden.

Es besteht eine große, installierte Basis von etablierten Anwendungspaketen, und Unternehmen bemühen sich um den Return on Investment aus den enormen Investitionen, die für die Implementierung getätigt wurden. Sie werden deswegen mit dem Wechsel zu einer ASP-Alternative zögern. ASPs müssten auch viel Zeit und Geld investieren, um das Niveau aktuell eingesetzter Datenmodelle, Prozesse, Best Practices und Anwendungspakete zu erreichen.

Oracle als Schrittmacher

Von den großen unabhängigen Softwareanbietern ist Oracle der aggressivste Vermarkter des Software-als-Service-Modells. Der Anbieter nutzt Outsourcing-Dienstleistungen als Vehikel, etablierte und neue Kunden durch die Einbindung verschiedener Upgrade- und Migrations-Optionen ihrer E-Business-Suite „11i“ an sich zu binden. Oracle betrachtet Outsourcing-Dienstleistungen auch als größte Einnahmenquelle der Zukunft. Das Unternehmen erwartet einen Umsatzzuwachs von heute 50 Millionen Dollar auf eine Milliarde Dollar im Jahr 2006. Dies ist ein sehr optimistisches Ziel, unterstreicht aber Oracles Entschlossenheit, in diesem Marktsegment zu wachsen. In dieses Bild fügt sich auch die Outsourcing-Offerte für die Datenbankversion 11 i ein. Ferner hat Oracle jüngst bekannt gegeben, Auslagerungsservices auf weitere Produkte auszuweiten.

Das bislang betriebene Servicegeschäft von Oracle unterscheidet sich kaum vom traditionellen Outsourcing, doch der Anbieter legt den Grundstein für neue Serviceformen. Der Kunde kauft auf herkömmliche Art und Weise Lizenzen und zahlt für die Wartung. Die Software läuft entweder am Kundenstandort, bei Oracle oder im Rechenzentrum eines Drittanbieters. Preisgestaltung, die sich anteilig am gesamten jährlichen Lizenzvolumen orientiert, sowie Service-Level-Garantien, die mit einer Malus-Regelung belegt sind, zeigen, dass sich Oracle dem Ansatz zuwendet, Software als Service auszuliefern.

Dieser Kurs ist sicher nicht ohne Hindernisse und Risiken. Wie jeder Neuling in der Outsourcing-Arena wird Oracle seine Lektionen aus verlustbringenden Geschäften und schwierigen Beziehungen lernen. Die aktuellen Initiativen sind aber mutige strategische Schritte, um das Servicemodell im Markt zu etablieren.

Individualisierung erforderlich