NFL x AWS

So geht Verletzungspräventions-KI

23.02.2024
Von 
Thor Olavsrud ist Senior Writer bei CIO.com und beschäftigt sich mit IT-Security, Big Data, Open-Source-Technologie sowie Microsoft-Tools und -Server-Systemen. Er lebt in New York.
Die NFL hat in Kooperation mit Amazon Web Services eine Plattform entwickelt, die Football-Profis vor Verletzungen bewahren soll.
Im NFL-Alltag geht es mitunter etwas rabiater zu. Seit kurzem hilft KI dabei, das Verletzungsrisiko für die Spieler zu reduzieren.
Im NFL-Alltag geht es mitunter etwas rabiater zu. Seit kurzem hilft KI dabei, das Verletzungsrisiko für die Spieler zu reduzieren.
Foto: Ringo Chiu | shutterstock.com

Der letzte Super Bowl zwischen den Kansas City Chiefs und den San Francisco 49ers wurde aktuellen Daten zufolge von fast 124 Millionen Zuschauern live verfolgt. Dabei dürfte dem Gros der Zuschauerschaft verborgen geblieben sein, dass im Hintergrund eine KI-Plattform werkelte, die sämtliche Spielerbewegungen auf dem Feld erfasste - mit dem Ziel, die Sicherheit der Profisportler zu erhöhen, respektive schwere Verletzungen zu verhindern.

Die Plattform namens "Digital Athlete" hat die US-Football-Liga in Kooperation mit Amazon Web Services (AWS) entwickelt und in der abgelaufenen Saison 2023/2024 für alle 32 Teams eingeführt. Dabei ist datengetriebene Transformation für die NFL - wie für diverse andere Profi-Sportligen - nicht unbedingt ein neues Thema. Bereits im Jahr 2015 wurden sämtliche NFL-Profis mit RFID-Sensoren ausgestattet, um diverse Informationen in Echtzeit erfassen - etwa Feldposition oder die jeweilige Geschwindigkeit in verschiedenen Spielsituationen.

Kopfstoß-Tracking mit KI

Die Digital-Athlete-Plattform geht allerdings noch einige Schritte weiter: Sie nutzt künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML), um anhand von Spielzügen und Körperpositionen zu antizipieren, für welche Spieler das Verletzungsrisiko am höchsten ist. Dazu fließen in die KI-Plattform auch die Daten ein, die über der RFID-Tags der Spieler erfasst werden. Darüber hinaus erhält die Plattform auch Informationen von 38 Tracking-Kameras, die rund um das Spielfeld platziert sind und das Geschehen mit 60 Bildern pro Sekunde und in 5K-Auflösung erfassen. Informationen zur Wetterlage und Art des Spiels sorgen dafür, dass ein Rundumblick auf die Spielererfahrung generiert wird.

Pro Spielwoche erfasst die Digital-Athlete-Plattform so 6,8 Millionen Videoeinzelbilder und dokumentiert etwa 100 Millionen Spielerpositionen auf dem Feld. Im Rahmen von Trainingssessions werden zudem jede Woche etwa 500 Millionen Datenpunkte in Zusammenhang mit Tracking-Daten verarbeitet. Julie Souza, Global Head of Sports bei Amazon Web Services, erklärt, wozu das alles gut ist: "Wir simulieren Millionen von Spielszenarien, um den Teams mitzuteilen, welche Spieler am ehesten Gefahr laufen, eine Verletzung zu erleiden. Auf dieser Grundlage entwickeln die Mannschaften individuelle Kurse zur Verletzungsprävention."

Die Managerin leitet den Sport-Bereich bei AWS seit mehr als drei Jahren - konnte jedoch zuvor bereits als ehemalige Head of Business Development and Strategy von ESPN sowie dem Analytics-Dienstleister Second Spectrum Erfahrungen im Überscheidungsbereich von Sport und Technologie sammeln. Die KI-Plattform für die NFL zu entwickeln, war dennoch eine anspruchsvolle Aufgabe, erinnert sich Souza: Zunächst habe man der KI beibringen müssen, mit Hilfe von Computer Vision und Machine Learning die richtigen Informationen aus den Spiel- und Trainingsaufnahmen zu gewinnen. "Bevor die KI-Plattform beispielsweise Kopfstöße tracken konnte, musste sie Bilder von Helmen aus sämtlichen Blickwinkeln aufnehmen, um zu lernen, wie man diese identifiziert", erklärt die AWS-Managerin. "Sobald die KI dazu in der Lage war, wurde ihr beigebracht, Schläge auf Helme zu erkennen und mit Hilfe von RFID-Daten zu ermitteln, welche Spieler an der Situation beteiligt waren."

Eine Plattform wird zum Gamechanger

Unter Verwendung aller zur Verfügung stehenden Daten könne die Digital-Athlete-Plattform rekonstruieren, unter welchen Bedingungen eine Verletzung wann und wie aufgetreten ist - sowie beliebige Partien mit verschiedenen Spielern simulieren. "Mit Hilfe von Risk Mitigation Modeling ist es schließlich möglich, Trainingsdaten zu analysieren und den idealen Trainingsumfang eines Spielers zu errechnen, während parallel das Verletzungsrisiko minimiert wird", so Souza.

Die Managerin ergänzt, dass diese Daten nicht nur hilfreich seien, um personalisierte Trainingsprogramme zu entwickeln, sondern auch die Entscheidungsfindung auf Management-Ebene beeinflussen. So seien die Daten der Digital-Athlete-Plattform ein Schlüsselfaktor dafür gewesen, 2023 die neue "Fair-Catch-Regel" in der NFL zu etablieren. Das Ziel der neuen Regelung: die Gefahr für Gehirnerschütterungen zu reduzieren. In Zukunft soll die KI-Plattform weitere, ähnliche Korrelationen zwischen Spielszenarien und Verletzungen identifizieren, so Souza: "Wenn wir herausfinden können, welche Spielzüge oder Regeln die Verletzungswahrscheinlichkeit erhöhen, können diese geändert werden."

Letztendlich soll die Einführung der KI-Plattform in der NFL auf ein höheres Ziel einzahlen, nämlich Daten als Grundlage für Entscheidungen zu nutzen - statt Ahnungen und Instinkte. Eine Zielsetzung, die sich laut Souza ganz allgemein für alle Unternehmen empfehle: "Es geht im Kern darum, neugierig zu sein. Dann braucht man zunächst eine Datenstrategie, um eine entsprechende Grundlage schaffen zu können - anschließend kann man dann Fragen stellen", so die AWS-Managerin. Dabei müsse man wissen, dass der Aufbau von KI-Fähigkeiten ein iterativer Prozess ist. "Man baut nicht einfach ein Modell auf, stellt es ein und legt los - das Modell wird mit der Zeit immer intelligenter." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.