Unix-Anbieter suchen ihren Markt bei MDT-Anwendern

SNI bietet den /36-Anwendern eine Alternative zur IBM-Welt

15.03.1991

FRANKFURT (gfh) - "Die Ablösung der /36-Systeme von IBM ist ein strategisches Ziel der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG", begründet SNI-Manager Wolfgang Wichman die eben gestartete Marketing-Offensive mit Blickrichtung auf IBMs Midrange-Kunden. Ziel dieser Aktion ist es, mit Hilfe einer "Sipra" genannten /36-Umgebung für Sinix-Systeme möglichst viele dieser Anwender in die Unix-Welt zu locken.

Mit dieser Lösung steht SNI allerdings nicht allein. Sipra ist nämlich keine Eigenentwicklung, sondern wurde ursprünglich von AT&T bei Software Ireland in Auftrag gegeben. Von dort beziehen Siemens Nixdorf, aber auch Hersteller wie DEC und HP die Migrationsumgebung unter der Bezeichnung "Unibool". Allerdings vermarktet SNI diese Software aktiver als die Mitbewerber.

Inzwischen hat aber auch DEC signalisiert, daß Unibool an Bedeutung gewinnen soll. Der Hintergrund: Die Hersteller von Unix-Rechnern wollen dein Markt der Mittleren Datentechnik beerben. Dabei zielen sie nicht nur auf' die rund 10000 /3x-Anwender der IBM, sondern auch auf die 8870-Anwender der ehemaligen Nixdorf Computer AG.

Im Rahmen einer Anwenderveranstaltung in Frankfurt erläuterte Wichmann, der SNI-intern als Migrations-Papst apostrophiert wird, wie er die bisherigen IBM-Midrange-Anwender für Unix gewinnen will. Sein Hauptargument: Unter dem neuen Betriebssystem bleibt vorerst alles beim alten.

Das Sipra-Produkt, für das es zur Zeit etwa 50 Kunden gibt, ermöglicht die Portierung von /36-Anwendungen auf das SNI-Unix-Derivat Sinix, sofern der Quellcode zugänglich ist. Umsteiger können nach der Umstellung in ihrer vertrauten Umgebung weiterarbeiten und sich gleichzeitig an die Möglichkeiten des Unix-Betriebssystems herantasten.

Nach vorsichtigen Anläufen in den vergangenen zwei Jahren soll es jetzt Schlag auf Schlag gehen: Bereits auf der CeBIT führt SNI zwei neue Versionen der /36-Sinix-Umgebung vor, die Auslieferung ist noch für das Frühjahr dieses Jahres geplant. Eine weitere Version ist bereits in Arbeit; sie soll Ende 1991 auf den Markt kommen.

Verstand Sipra bisher nur den in der Unix-Welt ungebräuchlichen EBCDIC-Code, so hat der Kunde jetzt die Auswahl zwischen einer ASCII- und einer erweiterten EBCDIC-Version der Migrationsumgebung.

Perspektive einer offenen Unix-Welt

Die ASCII-Variante unterstützt darüber hinaus den Cobol-Compiler von Microfocus. Als Nachfolgeprodukt soll dann die Version 3 von Sipra beide Varianten in einem System vereinen. Außerdem werden Funktionen eingebaut, wie sie das RPGII1/2 von Grünbichler Software und die RPG-Variante von Asna bieten. Beide Produkte erweitern den Sprachumfang des /36-RPG in einer Weise, die den Anwendern annähernd die Möglichkeiten der /38- und AS/400-Systeme zugänglich macht.

Gerade solche Features werfen ein bezeichnendes Bild auf die SNI-Strategie: Das Unternehmen zielt auf /36-Anwender, die schon jetzt so unzufrieden sind, daß sie versuchen, ihre Rechner über Hilfsmittel von Asna oder Grünbichler auszubauen. Nun will SNI mit Sipra nicht nur den Leistungsumfang dieser Werkzeuge abdecken, sondern wirbt bei der Anwendern darüber hinaus mit der Perspektive einer offenen Unix-Welt.

Allerdings beklagen sich die Anwender immer wieder über den Drucker-Spool der Sinix-Systeme. Laut Wichmann soll dieser Mangel bei den neuen Sipra-Versionen behoben sein. Unklar ist auch, ob die Version 3 von Sipra zuerst auf MX-Rechnern mit Natsemi-Chips oder auf den neuen Intel-basierten Maschinen ausgeliefert wird. Wichmann versichert zwar, daß es ein Intel-Sipra geben wird, spricht aber gleichzeitig von einem Kapazitätsengpaß bei der Portierung auf diese Architektur. Auch sei bei SNI noch nicht entschieden, weiche Sipra-Versionen überhaupt auf den neuen MX-Rechner angeboten werden sollen.