Energiewende und IT

Smart Grids fordern die Firmen-IT

20.10.2011
Von 
Ariane Rüdiger ist freie Autorin und lebt in München.

Forscher erkunden die Rolle der IT

Die Bundesregierung kennt den enormen Energiehunger der IT- und TK-Installationen und möchte ihn bekämpfen. Daher unterstützt sie das im Frühjahr 2011 gestartete und auf drei Jahre ausgelegte Forschungsprogramm "IT2Green". Drei Projekte sind unter IT-Aspekten besonders interessant:

AC4DC: Das Vorhaben Adaptive Computing for Green Data Centers (Steigerung der Energieeffizienz durch intelligentes Rechenlast- und Infrastruktur-Management vom Anbieter bis zum Anwender) operiert unter der Leitung von Rittal. Fünf weitere Konsortialpartner machen mit: zwei Hoster, einer davon ein kommunales Rechenzentrum, Microsoft, das Borderstep-Institut aus Berlin, bekannt durch Studien über den Strombedarf der IT, das Office-Institut in Oldenburg und die Universität Paderborn. Das Projekt betrachtet IT und TK als Gesamtsystem vom Rechenzentrum bis zum Endanwender und schließt in die Betrachtungen auch die Daten- und Energienetze ein.

Intelligente Lastverteilung

Dabei untersucht das Office-Institut das dynamische Verhalten der Anwendungen im Rechenzentrum: Wann verursachen sie viel, wann wenig Last? Wann stehen die Anwendungen? Die Universität Paderborn befasst sich damit, ob auch dezentrale Ressourcen, etwa Desktops, für die Gesamtinfrastruktur genutzt werden können - zum Beispiel als Datenspeicher.

"Lässt sich Energie sparen, wenn man Lasten auf mobile Nutzer verlagert?", fragt Bernd Hanstein von Rittal.
"Lässt sich Energie sparen, wenn man Lasten auf mobile Nutzer verlagert?", fragt Bernd Hanstein von Rittal.
Foto: Rittal

Rittal analysiert Möglichkeiten, Energie und Kälte beispielsweise mit Hilfe besserer Batterien flexibler anzubieten und zu speichern, Microsoft bringt sein Management-Produkt "System Center" ein. Das Borderstep-Institut soll schließlich geeignete Metriken für den Erfolg des Projekts und Geschäftsmodelle für adaptierbare ITK-Gesamtsysteme entwickeln sowie sich um rechtliche Fragen kümmern.

"Kann man erheblich Energie sparen, indem man Lasten intelligent in oder zwischen Rechenzentren, bis in die Peripherie oder an mobile Nutzer verlagert und mit der Stromerzeugung abstimmt?", fragt Bernd Hanstein, Leiter Product Management System Solutions bei Rittal. Ziel ist es, die Forschungsergebnisse bei den beteiligten Hostern umzusetzen.

Die Konzentration von Computing-Last im Rechenzentrum kann bis zu 40 Prozent Energie sparen", meint Lars Kemper von Unilab
Die Konzentration von Computing-Last im Rechenzentrum kann bis zu 40 Prozent Energie sparen", meint Lars Kemper von Unilab
Foto: Unilab

Greenpad: Projekt-Manager und Spiritus Rector des Vorhabens Greenpad ist Lars Kemper, Geschäftsführer des mittelständischen Systemhauses Unilab. Weitere Konsortialpartner sind Fujitsu, Eon als Lieferant von Energie und Wetterprognosen sowie die Universität Paderborn. Im Rechenzentrum der Universität liegen Kapazitäten brach, die Kemper ausschöpfen möchte, indem sie Startups und Kleinunternehmen in einem benachbarten Inkubationszentrum zur Verfügung gestellt werden.

Ziel des Vorhabens ist eine Cloud für gewerbliche Nutzer beziehungsweise für die finanziell knapp ausgestatteten Neugründungen. "In dem Inkubator arbeiten rund 80 Firmen mit zirka 40 Server-Räumen, 30 bis 35 Klimageräten und rund 1500 Anwendungen", sagt Kemper. "Durch Verlagerung in ein Rechenzentrum könnte man den Energiebedarf um bis zu 40 Prozent senken." Die Anbindung mit sehr hoher Bandbreite sei aufgrund der Nähe zum Uni-Rechenzentrum weder ein technisches noch ein finanzielles Problem.

Allerdings betritt das Projekt rechtliches Neuland: Wie kann das ehemals reine Uni-Rechenzentrum im Rahmen einer Private-Public-Partnership in freier Trägerschaft rechtlich einwandfrei aufgestellt werden? "Für den Bildungsbereich gedachte staatliche Investitionen dürfen auf gar keinen Fall privaten Rechenzentrumskunden zugute kommen", umschreibt Kemper das Problem.

Das Rechenzentrum könnte künftig vorwiegend mit in der Nähe erzeugter Windenergie betrieben werden, schwebt Kemper vor: "Die Region Paderborn steht beim Windaufkommen an dritter Stelle in Deutschland." Fraglich ist indes, ob sich die Rechenzentrumslasten so verlagern lassen, dass der Betrieb des Data Center ohne übermäßigen Energiezukauf aus Quellen außerhalb der Region möglich ist. "Batches oder Downloads lassen sich problemlos verschieben", sagt Kemper dazu.

Verfügbare Leistung und Rechenaktivitäten sollen über einen noch zu entwickelnden "grünen Leitstand" aufeinander abgestimmt werden, der bei der Planung die Wind- und Wetterprognosen der nächsten fünf Tage berücksichtigen soll. Anreize, Computing-Anforderungen an der Energieversorgung auszurichten, soll eine Balanced Scorecard geben. Kunden, die sich mit reduzierter Zuverlässigkeit oder Verfügbarkeit bescheiden, werden mit günstigen Strompreisen belohnt.