Transatlantische Chip-Allianz sieht sich vor den Japanern

Siemens und IBM legen das erste Muster des 64-Mbit-DRAMs vor

27.12.1991

MÜNCHEN/EAST FISHKILL (CW) - Einen Meilenstein auf dem weiten Weg zum 64-Mbit-DRAM haben Siemens und IBM mit der Vorlage der ersten Labormuster ("first Silicon") erreicht. Nach Angaben beider Unternehmen liegt das transatlantische Bündnis damit vor den Japanern, deren bereits vorgelegte Muster Experten als "Diskussionsgrundlage werten, während der von IBM und Siemens jetzt vorgelegte Prototyp bereits die erste Annäherung an das endgültige Produktionsdesign darstelle. Mit diesem Erfolg, hieß es aus dem Hause Siemens, würden beide Unternehmen ihre technologische Spitzenstellung unterstreichen.

"Der im Januar 1990 abgeschlossene Vertrag über die gemeinsame Entwicklung des 64-Mbit-DRAMs (Dynamic Random Access Memory) hat hiermit termingerecht den ersten Meilenstein erreicht." Mit seiner Kapazität von exakt 67 108 864 Bit erlaube der Baustein die Speicherung von mehr als 3000 Seiten Text.

Einen Zeitplan für die Markteinführung des Speicher-Chips gaben die beteiligten Konzerne nicht bekannt, allgemein wird der Beginn der Serienproduktion für Mitte der neunziger Jahre erwartet. Derjenige Hersteller, der zuerst in die Serienproduktion einsteigt, hat dabei die größten Profitaussichten im Halbleiter-Markt, der heute ein weltweites Volumen von 55 Milliarden Dollar aufweist. Allein ein Viertel dieser Summe entfällt auf DRAMs.

Das neu errichtete Halbleiter-Zentrum der IBM in East Fishkill (New York) soll als Pilotlinie für den Chip genutzt werden. Am Design, an der Püftechnik und der Gehäuse-Entwicklung wird dagegen im IBM-Labor in Essex-Junction gearbeitet; das dortige Entwicklungsteam setzt sich zu gleichen Teilen aus IBM- und Siemens-Mitarbeitern zusammen.

Besonders für Siemens ist dieser Durchbruch wichtig, sichert er den Münchnern doch eine technologische Spitzenposition in der Speichertechnik, die sie während der achtziger Jahre an die Japaner verloren hatten. Denn die Grundlage für den 64-Mbit-Chip, die 1-Mbit-Technik, entwickelten die Siemens-Forscher nicht selbst, sondern kauften sie bei Toshiba ein, nach dem der deutsche Elektroriese mit seinen öffentlich geförderten Anstrengungen hoffnungslos hinter die fernöstliche Konkurrenz zurückgefallen war.

Die Japaner reagierten auf die Ankündigung von Siemens und IBM zurückhaltend bis erstaunt: Einige der Nippons Halbleiter-Hersteller wollten den Erfolg ihrer Konkurrenten gar nicht kommentieren. Es fehle an Details, um das europäisch-amerikanische Labormuster mit den eigenen Versuchen zu vergleichen, ließen sie gegenüber dem "Wall Street Journal' verlauten.

Ein Sprecher der Fujitsu Ltd. erklärte, daß sein Unternehmen - wahrscheinlich IBMs schärfster Konkurrent - "sehr interessiert sei, mehr darüber zu hören". Sollte es sich bei dem Muster tatsächlich um einen Produktions-Prototyp handeln, so der Sprecher weiter, seien die Siemens/IBM-Entwickler sehr schnell "vom Design zum Prototyp" gelangt.

Produktionsfähiger Baustein soll 1995 kommen

Bis zum produktionsfähigen Baustein, den man bis 1995 parat haben will, sei aber noch ein weiter Weg zurückzulegen, betonten die Partner. So warte man beispielsweise zur Zeit noch auf die Fertigstellung der richtigen Wafersteppers für den tiefen ultravioletten Bereich, mit denen allein es möglich ist, die notwendigen Strukturgrößen von 0,35 Micron auf dem Silicon darzustellen. Weil diese Maschinen erst im April verfügbar sein werden, weist der jetzt vorgelegte Prototyp als kleinste Strukturgröße auch noch "Leiterbahnen" von 0,4 Micron Breite auf.