Shake-out-Kapitel nicht abgeschlossen

02.08.1991

Was bei den Mergers in der Computerindustrie - zuletzt: DEC übernimmt Philips' Data Division, Borland kauft Ashton-Tate - am meisten frösteln macht, ist die Nahtlosigkeit, mit der sich diese oft mit heißer Nadel genähten Deals in die Shake-out-Chronik eines Wirtschaftszweiges einpassen, der sich mit Selbsttäuschungen immer wieder aufzubauen versucht, in dem jedoch das Scheitern von Unternehmen beinahe den Regelfall darstellt. Ein kurzer Auszug genügt, um die Krise zu verdeutlichen: Sperry-Univac, Burroughs, Honeywell, NCR, ICL, Nixdorf, Kienzle, Triumph-Adler. In diesen Fällen markierte das Fusionieren oder Geschlucktwerden das Ende eines längeren Leidensweges. Neu ist denn allenfalls, daß jetzt bereits Parvenüs wie Apple oder Compaq vom "Röteln"-Bazillus angegriffen werden und somit als Übernahmekandidaten ins Gerede kommen. Und neu ist auch, daß Verlust zu Verlust kommt (DEC/ Philips) - welch eine Branche.

Gewiß, die strategische Vormachtstellung der IBM ist gebrochen. Zwar zehrt der blaue Riese noch von seinem Vorsprung im operationellen Bereich (Menschen, Maschinen, Moneten), doch es wäre Vogel-Strauß-Politik, würden die Armonker an eine Renaissance der Mainframes glauben, mit denen sie - bei rückläufigem Geschäft - immer noch die größten Margen erzielen. Nein, die Hostorientierte, planwirtschaftliche Zentral-DV hat ihre Schuldigkeit getan, verteilte Systeme auf Mikroprozessor-Basis mit einer offenen Client-Server-Architektur (Stichwort Unix) werden die Informationsverarbeitung in den 90er Jahren bestimmen.

Haben die DV-Hersteller daraus Konsequenzen gezogen? Davon kann keine Rede sein. Hat eine arrogante IBM den Trend zu verteilten Systemen lange Zeit unterschätzt, so wurde die Entwicklung von den meisten Konkurrenten schlichtweg verschlafen. Eine Alternative wie der Mainframe-Monopolist mit seinem proprietären Lock-in-Konzept, das leider immer noch greift, hatten sie nicht. Zugegeben: Kostendruck und Preisverfall beengen DEC & Co. bei dem Bemühen, ihre angeschlagenen Unternehmen aus der Gefahrenzone herauszumanövrieren. Schuldlos an der Misere sind sie nicht.

Wer Fusionen und Firmenübernahmen für ein Allheilmittel hält, verkennt, daß Anwender, die mit offenen Systemen liebäugeln, ein neues Verständnis von Kundenloyalität entwickelt haben. So leicht lassen die sich nicht mehr von einem Hersteller vereinnahmen. Das heißt für die Anbieter: Markt kann man nicht beliebig kaufen. Durch Leistung zu überzeugen, muß die Devise lauten. Die Marketiers der Hersteller haben das noch nicht kapiert. So könnte es für einige ein böses Erwachen geben. DEC, HP, Tandem, Compaq, Apple, SNI, Bull, Olivetti, aufgepaßt! Das Shake-out-Kapitel ist noch nicht abgeschlossen.