Service-RZ - oder lieber etwas Eigenes?

27.06.1975

Mit einem Anteil von zwischen 10 und 15 Prozent an den gesamten Ausgaben für die EDV ist die Datenverarbeitungs-Service-Branche eine beachtliche Kraft auf dem Datenverarbeitungsmarkt. In der Bundesrepublik machte dieser Anteil 1974 etwa 16 Milliarden Mark aus. Heute genügt es nicht mehr, nur Hardware und Rechenzeit anzubieten, Full Service wird gefragt, der kostenbewußte Anwender ist darauf bedacht, neueste Technologien und Know-how mit den bezahlten Stunden einzukaufen.

Wie sieht es in der Praxis aus? Warum arbeitet man mit einem Rechenzentrum zusammen, warum nicht?

Erwin Pilsl, Leiter der Buchhaltung der Firma Fiat-Keidler, München

In unserem Hause war bis Ende 1974 ein IBM-System /3 Modell

10 installiert. Seit dem 1. Januar 1975 arbeiten wir aus Kostengründen bei einem Anwender-Kollegen, von dem wir feste Maschinenzeiten gemietet haben und zwar zu außergewöhnlich günstigen Konditionen: bei fester Abnahme von 50 Stunden monatlich bezahlen wir pro Stunde 65 Mark- der Durchschnittspreis bei anderen Firmen liegt bei etwa 100 Mark. Durch diese Lösung konnten wir monatlich 6000 Mark einsparen, aber mit einem weinenden und einem lachenden Auge: Wer einmal eine eigene EDV im Hause hatte, sehnt sich doch wieder danach. Und wir sind gerade erneut dabei, unser Management von der alten Lösung wieder zu überzeugen. Seit kurzem gibt es auf dem Markt Computer wie das IBM-System /32, das mit einem Erfassungsplatz etwa das gleiche Geld kostet, das wir derzeit an den Anwender-Kollegen bezahlen: rund 4000 Mark.

Die Lösung, mit einem Service-Rechenzentrum zu arbeiten, haben wir gleich beim ersten Kostenvergleich wieder vergessen. Wir sind an die große Lochkarte gebunden, da wir von der Deutschen Fiat diese Karten mit den jeweiligen Ersatzteilen mitgeliefert bekommen und auch wieder zurückgeben müssen. Angebote die wir bei der IBM damals eingeholt haben, ergaben einen Stundensatz von 250 Mark, um unseren Forderungen zu entsprechen. Diese Probleme haben wir zwar heute noch - auch der Anwender-Kollege arbeitet mit der kleinen Karte - aber die hierfür erforderlichen Vor- und Nacharbeiten - nur einmal monatlich erforderlich - kosten uns bei der IBM pro Stunde 200 Mark.

Nachteilig ist natürlich die Entfernung, die langen, untätigen Wartezeiten am System, denn unsere Mitarbeiter, die ja nach wie vor im Hause sind, können zwischenzeitlich keine anderen Arbeiten übernehmen und nicht zuletzt die Inflexibilität, die auch in einem Service-Rechenzentrum üblich ist.

Wie gesagt, es geht nichts über einen eigenen Computers - noch dazu, wenn man ihn so günstig haben kann wie gerade heute.

H.-G. Germann, Leiter der Systemanalyse und Programmierung bei der VARTA Batterie AG, Hannover

Seit Jahren bedienen auch wir uns der "Datenverarbeitung außer Haus". Wir lassen täglich Belege lesen und die Daten auf Magnetband konvertieren, denn die Eigeninstallation eines Beleglesers liegt für uns außerhalb der Rentabilität. Zur Zeit verarbeiten wir fünf Leseanwendungen:

- Lesen von Lieferscheinen aus den über das ganze Bundesgebiet verteilten Verkaufshäusern und Verkaufsbüros

- Erfassen von Anschriften für Interessenten, indirekten Kunden

- Erfassen von Lieferantendaten, Plandaten von einem Standardbeleg

Alle diese Belege werden mit OCR-A-Schreibmaschinen alphanumerisch beschriftet. Außerdem läuft eine Handschriften-Anwendung für die Erfassung von Zeitlohndaten. Um die Leistungspalette des Rechenzentrums zu nutzen, lassen wir für den Debitorenbereich Journalstreifen mit der Schriftart 1428 lesen.

Die Lieferscheine fallen täglich an, Lohnbelege einmal monatlich, die beiden anderen OCR-A-Belege sporadisch. Alle Programme sind nach unseren Vorgaben vom Rechenzentrum erstellt worden. Während der mehr als dreieinhalbjährigen Zusammenarbeit hat es bisher nicht die geringsten Probleme gegeben, abgesehen von einigen Hardware-Ausfällen, deren Folgen wir jedoch in Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum neutralisieren konnten. Ein wesentlicher Punkt für das reibungslose Funktionieren der Anwendungen ist die Tatsache, daß unser Partner das Gebiet "Beleglesung" perfekt beherrscht. Zudem gibt es nie Kompetenzfragen, da im RZ jederzeit ein qualifizierter Mitarbeiter zur Verfügung steht, wenn fachlicher Rat notwendig wird.

Unserer Meinung nach gehört die Beleglesung heute und in Zukunft zu der günstigsten Art, Daten zu erfassen - wenn man die Materie beherrscht. Daher werden wir im Service-Rechenzentrum bleiben. Das erspart uns Zeit, Ärger und Kosten.

Dr. H. Pärli, Geschäftsführer des Mathematischen Beratungs- und Programmierdienstes, Dortmund

Seit einigen Jahren nun ist der Datenverarbeitung außer Haus mit der Mittleren Datentechnik ein ernsthafter Konkurrent erwachsen, und zwar mit demselben Anspruch: geeignet zu sein für Klein- und Mittelbetriebe als Vollversorgung und für Großbetriebe zum Abdecken von "Spitzen". Die MDT hat den ganz wesentlichen Vorteil (zumal psychologisch) der Versorgung im eigenen Haus. Hingegen liegen Mängel darin, daß vielfach noch zu wenig Software zur Verfügung steht und für anspruchsvollere Aufgaben die Kapazitäten nicht ausreichen.

Zu vieler Erstaunen haben sich die Rechenzentren jedoch nicht mir gehalten, sondern ihr Branchenumsatz steigt seit Jahren stetig (bei einer etwa gleichbleibenden Zahl von Service-Rechenzentren, die bei 400 liegt). Es hat sich gezeigt, daß die Datenverarbeitung außer Haus und die Mittlere Datentechnik nicht nur nebeneinander bestehen, sondern durchaus eine sinnvolle Symbiose eingehen können. Die MDT übernimmt dabei den laufenden, die DV außer Haus den periodischen Part.

Der Hauptgrund ist darin zu sehen, daß im Rechenzentrum nicht nur Hardware und Software geboten wird, sondern eben Service und Know-how -und gerade das mangelt der MDT vielfach. In diesem Lichte betrachtet, erscheint auch eine neuere Entwicklung in der MDT, die Verwendung von billigen Massenspeichern, nicht mehr so bedrohlich für die Rechenzentren, als man es zunächst meinen möchte. Immerhin, eins kommt zum andern.

Aus dem Geschehen geht klar hervor, wo die Stärke der Rechenzentrums-Branche lag und weiterhin liegen muß: in der beständigen Anstrengung, nicht hinter der Entwicklung herzuhinken, sondern sie selbst mit voranzutreiben, im qualifizierten Service für den Kunden und in der Anhäufung von speziellem Know-how. So ist es nur folgerichtig, daß der Großteil der Branche sein Leistungsprofil vom eher grobschlächtigen Computerkapazitäten-Verkäufer zum "Full-Service-EDV-Dienstleistungsunternehmen" mit breiter Angebotspalette gewandelt hat.

Rudolf Wallner, Mitglied der Verwaltung der Brauerei Aying, Franz Inselkammer

Nachdem unser seit 1. 7. 1972 installiertes IBM-System /3 Modell 10 langfristig zu teuer wurde, haben wir uns im Spätsommer 1974 überlegt, ob eine kostengünstiger Lösung durch die Verarbeitung unserer Daten im Service-Rechenzentrum in Weihenstephan möglich wäre. Nach umfangreichen Berechnungen im Hause mußten wir aber feststellen, daß sich hier keine wesentliche Kostenreduzierung erreichen ließ, da wir trotz der Verarbeitung im Service-Rechenzentrum zusätzlich ein intelligentes Terminal im Hause installieren müßten, um die Vorfaktura durchzuführen. Zur Diskussion stand zu dieser Zeit ein CTM-System, zu leasen für 54 Monate - also relativ langfristig. Ein wesentlicher Grund war die Angst vor einer weiteren Umstellung, die die Inanspruchnahme des Service-Rechenzentrums mit sich bringen würde - immerhin haben wir drei Jahre lang eine eigene EDV betrieben.

Ausschlaggebend für die Ablehnung der Service-Lösung war für unsere Geschäftsleitung die Inflexibilität sowie die Termingebundenheit. Hinzu kommen die sehr späten Informationen, - zum Vergleich hatten wir uns bei einer anderen Brauerei erkundigt, die in einem Rechenzentrum arbeiten läßt und deren Daten erst nach rund einer Woche wieder zur Verfügung stehen. Wir haben eine sehr "informationsfreudige" Geschäftsleitung und wenn man im Service arbeiten läßt, hat man kaum die Möglichkeit, Sonderwünsche zu äußern. Bereits die ersten Gespräche hatten gezeigt, daß wir bei einer Übernahme unsere Arbeiten durch das Service-Büro auf alle Auswertungen, die für unser Management wichtig sind, hatten verzichten müssen (zum Beispiel Deckungsbeitragsrechnung).

Auf der Suche nach einer anderen Lösung hat uns die IBM schließlich das kleinere Modell 8 angeboten, das in der Leistung etwa gleich, im Mietpreis aber doch günstiger ist als das Modell 10. Wir sparen demnächst also rund 1500 Mark monatlich und haben ständigen Zugriff auf alle wichtigen Daten. Einzige Umstellungsschwierigkeiten gibt es durch um Wechsel von Karteneingabe auf Diskette, darin sehen wir aber kein Problem.