Speicherkonzepte/Verschiedene Möglichkeiten bei Nearline-Speichern

Sekundärspeicher auf Basis von DVD-RAM als Alternative zu MO-Systemen

14.05.1999
Von Martin Görner* Die zunehmende Computerisierung der Arbeitswelt hat zu einem explosionsartigen Anstieg der zu speichernden Datenmengen geführt. Die Verantwortlichen in den IT-Abteilungen stehen vor der Aufgabe, Forderungen nach kurzen Zugriffszeiten, hoher Datensicherheit, möglichst niedrigen Kosten pro GB gespeicherter Daten sowie Bedienkomfort gegeneinander abzuwägen und Speicherkonzepte zu entwickeln, die den Bedürfnissen unterschiedlicher Anwendungen gerecht werden.

Dabei lassen sich grob drei Speicherkategorien unterscheiden: Als Online-Speicher bezeichnet man magnetische Festplatten, die bei entsprechendem Speicherbedarf und, um hohen Sicherheitsanforderungen zu genügen, zu RAID-Systemen (Redundant Array of Inexpensive Disks) zusammengefaßt werden. Sie kommen dort zum Einsatz, wo sehr häufig auf Daten zugegriffen werden muß und möglichst geringe Zugriffszeiten zu gewährleisten sind. Obwohl die Preise für Festplatten drastisch gesunken sind, liegen sie immer noch deutlich über denen der Offline- und Nearline-Speicher.

Von Nearline-Speicher oder Sekundärspeicher spricht man dann, wenn Daten auf Offline-Datenträgern abgelegt sind, diese jedoch auf Anforderung mit Hilfe einer entsprechenden Robotik automatisch in ein Laufwerk eingelegt werden, das sehr wohl im direkten Zugriff steht. Hierzu zählen insbesondere Jukebox-Systeme auf Basis von MO-(magneto-optisch) oder CD-/DVD-Medien (optisch). Dieser Speichertyp weist erhebliche Kostenvorteile gegenüber Online-Speichern auf, bietet letztlich aber den gleichen Bedienkomfort. Er eignet sich für die Speicherung großer Datenmengen und kommt dann zum Einsatz, wenn die Zugriffszeit zweitrangig ist. Der Markt bietet Nearline-Speicherlösungen für unterschiedliche Datenvolumina an - von der Einstiegslösung für das kleine Büro bis hin zur Mammut-Jukebox mit mehreren Terabyte Speicherkapazität.

Zur Kategorie Offline-Speicher zählen Medien wie Mikrofilm oder Mikrofiche, aber auch unterschiedliche Bandsorten. Kennzeichnendes Merkmal ist, daß der Anwender keinen direkten Zugriff vom Arbeitsplatz aus hat. Offline-Speicher eignen sich für Daten, die etwa aus rechtlichen Gründen aufzubewahren sind, auf die jedoch - wenn überhaupt - nur noch selten zugegriffen werden muß.

In großen Unternehmen ergänzen sich diese drei Speichertypen häufig im Rahmen eines HSM(Hierarchical Storage Management)-Systems, das die zu speichernden Daten verwaltet und zwischen den verschiedenen Speichertypen nach vordefinierten Regeln migriert. Ein Beispiel: Eine Firma speichert die Rechnungsdaten der letzten drei Monate, die erfahrungsgemäß in häufigem Zugriff stehen, auf schnellen Online-Speichern. Nach drei Monaten werden sie via Datenmigration auf einen langsameren, dafür aber erheblich günstigeren Nearline-Speicher - etwa eine Daten-Jukebox - verlagert. Nach etwa zwei Jahren wandern diese Daten dann endgültig zu reinen Archivierungszwecken auf einen Offline-Speicher.

CD als Datenmedium: zögerliche Akzeptanz

Bis heute spielen CD-Jukeboxen vor allem für Spezialanwendungen eine Rolle. In der unternehmensweiten Datensicherung oder -migration sind sie jedoch eher selten vertreten. Hier dominieren Nearline-Speicher auf Basis von MO-Medien.

Gründe für die schleppende Akzeptanz der CD in den beiden genannten Bereichen sind in einer bis heute existenten funktionalen Einschränkung und in ihrer Herkunft zu suchen: Zum einen gestatten CD-Jukeboxen kein transparentes Lesen und Schreiben und scheiden deshalb bisher für viele Zwecke (etwa die Datenmigration) aus. Zum anderen ist die CD noch immer - trotz ihrer mittlerweile großen Verbreitung im PC-Sektor - auf ihren Ursprung, die Unterhaltungselektronik, begrenzt und ist im klassischen IT-Umfeld noch nicht als vollwertiger Datenträger akzeptiert. Im übrigen birgt die CD mit einer Kapazität von maximal 650 MB gegenüber MO-Medien mit bis zu 5,2 GB noch einen Kapazitätsnachteil.

CD: Datenträger für Spezialanwendungen

Aus einem Anwendungsbereich sind CD-Medien nicht mehr wegzudenken: Datenbanken und Nachschlagewerke, die elektronisch publiziert und aktualisiert werden. So verteilt das Europäische Patentamt im Rahmen seines Dienstes ESPACE seit Jahren im wöchentlichen Turnus die Patentschriften aller Patentklassen auf CD-ROM. Als Folge stellte die vormals Daimler-Benz AG (heute Daimler-Chrysler) vor fünf Jahren das gesamte Patentarchiv im Umfang von 12000 Ordnern auf CD-ROM um. Der Bestand ist mittlerweile auf über 4700 CD-Medien angewachsen, die auf 42 Jukeboxen verteilt sind. Jährlich kommen 300 CDs hinzu. Rund vier Millionen Patentschriften sind abrufbar - und das in Sekundenschnelle von jedem Arbeitsplatz aus. Bei BASF in Ludwigshafen bedient sich die Patentabteilung einer vergleichbaren Lösung. Hier sind die Patentschriften auf mittlerweile über 35 CD-Jukeboxen verteilt.

Sehr weit verbreitet sind CD-Jukeboxen außerdem im Kontext von Dokumenten-Management-Systemen (DMS) und Engineering Data Management (EDM). Ob es um die Verwaltung administrativer oder technischer Daten geht, die CD erlaubt eine von keinem anderen Medium erreichte Kombination aus Standardisierung, Datensicherheit und Kosteneffizienz. Die Flughafen Frankfurt/Main AG (FAG) beispielsweise setzt ein elektronisches Archivierungssystem für rechnungsrelevante Unterlagen ein. Pro Tag werden hier etwa 2500 Papierbelege erfaßt, bearbeitet und einmal täglich auf CD-Medien abgelegt. Auf die in einer Jukebox verwalteten CDs kann jeder autorisierte Anwender direkt vom Arbeitsplatz aus zugreifen.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten finden sich in der Medizintechnik, wo beispielsweise IBM im Rahmen seines Systems PACS (Picture Archiving and Communication System) CD-Jukeboxen für die Archivierung von Röntgenbildern und medizinischen Befunddaten nutzt, sowie in der gesamten Medienwirtschaft einschließlich der grafischen Industrie. Zahlreiche Verlage und Druckvorstufenbetriebe archivieren ihre grafischen Produktionsdaten kostengünstig auf CD-Jukeboxen.

DVD-RAM - Datenträger mit Zukunft

Nach einer langwierigen Diskussion um Standards hat im Bereich der wiederbeschreibbaren DVD-Medien die DVD-RAM inzwischen die Nase vorn. Laufwerkhersteller wie Hitachi, JVC, Matsushita, Pioneer und Toshiba drängen massiv mit DVD-RAM-Laufwerken auf den Markt und versuchen den zeitlichen Vorsprung gegenüber dem konkurrierenden, allerdings nicht endgültig verabschiedeten DVD-RW-Format optimal zu nutzen. Nahezu alle wichtigen Hersteller von CD-Jukeboxen wie ASM, DSM, JVC, Plasmon, Pioneer und NSM Jukebox reagierten auf diese Entwicklung und offerieren mittlerweile DVD-RAM-Jukeboxen.

Tatsache ist, daß mit der DVD-RAM-Technologie nunmehr die grundlegende technische Basis vorhanden ist, um optische Medien auch für Data Storage und Datenmigration einzusetzen. Unter bestimmten Voraussetzungen besitzt die DVD-RAM schon heute deutliche Vorzüge gegenüber MO-Medien. So sind DVD-RAM-Jukeboxen kurzfristig zumindest als Ergänzung zu MO-basierenden Jukeboxen anzusehen. Mittelfristig ist davon auszugehen, daß sie als Alternative in Frage kommen und MO-basierende Systeme ablösen werden.

DVD-RAM oder MO - was setzt sich durch?

Die Entscheidung für den einen oder anderen Speichertyp im Rahmen einer unternehmensweiten Speicherstrategie bestimmen mehrere anwendungsspezifische Faktoren. Die entscheidenden Parameter sind Speicherkapazität, Zugriffsgeschwindigkeit und Kosten pro GB gespeicherter Daten.

Steht der möglichst schnelle Zugriff auf den Sekundärspeicher im Vordergrund, schneiden die schnellsten MO-basierenden Systeme mit durchschnittlichen Werten von 25 Millisekunden gegenüber 150 Millisekunden bei DVD-RAM-Laufwerken deutlich besser ab.

Bezüglich der Speicherkapazität hat die DVD-RAM zur MO aufgeschlossen und wird sie in absehbarer Zeit sogar überholen: Derzeit verfügbare Laufwerke und Datenträger bieten - bei einseitigem Beschreiben einer Schicht - Platz für 2,6 GB Daten. Bereits Ende 1999 sollen DVD-RAM-Medien einseitig in zwei Schichten beschrieben werden können und dann Raum für 4,7 GB Daten besitzen. Die Rückwärtskompatibilität zu einschichtig beschriebenen DVD-RAM-Medien mit 2,6 GB Kapazität wird gewährleistet sein. Ende des Jahres 2001 wollen die Hersteller auf einseitig beschriebenen DVD-RAM-Medien knapp 15 GB Daten unterbringen, im Jahr 2005 sollen es dann sogar 50 GB sein. Es bleibt abzuwarten, wie sich die MO hinsichtlich der Speicherkapazität entwickeln wird.

Was die Kosten pro GB gespeicherter Daten anbelangt, so ist die DVD-RAM der MO bereits heute deutlich überlegen. Und der Kostenvorteil der Speichermedien selbst beläuft sich auf 50 bis 60 Prozent. Betrachtet man Jukeboxen für DVD-RAM- und solche für MO-Medien, so schneiden erstere immerhin um 30 bis 40 Prozent günstiger ab. In Mark pro GB Daten liegen MO-Systeme bei 80 bis 100, DVD-RAM-Systeme bei 50 Mark. Da die DVD-RAM erst am Anfang ihres Lebenszyklus steht, ist davon auszugehen, daß der Kostenvorteil im Verlauf der kommenden Jahre noch stärker zugunsten der DVD-RAM ausschlagen wird.

Angeklickt

In großen Unternehmen trifft man auf die drei Speicherkategorien Online-, Nearline- und Offline-Speicher, die sich vor allem durch den unterschiedlich schnellen Datenzugriff und die Kosten unterscheiden. Die CD als Nearline-Medium empfiehlt sich als Speicher für Spezialanwendungen. Bald soll die DVD zusammen mit den passenden Jukeboxen magneto-optische Speicherlösungen ersetzen.

*Martin Görner ist Produkt-Manager bei NSM Jukebox GmbH in Bingen.