Mobile Datenerfassung:

Schwierige Geburt einer Organisationslösung

07.10.1977

Die Datenerfassung, das Stiefkind der elektronischen Datenverarbeitung, hatte in den vergangenen fünf Jahren nach einem lang anhaltenden technischen Stillstand durch das Aufkommen der Diskettenstationen und der Online-Verbindungen an Bedeutung gewonnen.

Aber die Notwendigkeit zwang die Techniker dazu, die Datenerfassung vollkommen neu zu gestalten und ein ganz anderes Medium als steckergebundene Kleinrechnersysteme für die Datenerfassung einzusetzen: Die mobile Datenerfassung.

Die Programmtechniker nahmen hier den Prozeßrechner zu Hilfe und entwickelten Betriebssysteme für diese kleinen Geräte, die die gespeicherten Daten in Groß-EDV-Format ausgeben konnten. Das war der entscheidende Punkt, durch den die taschenrechnergroßen Erfassungssysteme den Anschluß an die Groß-EDV fanden. Durch die normgerechte Ausgabe der Daten war eine Adaption an jedes System der Groß-EDV möglich.

Zuerst praktizierte man diese neuartige Datenerfassung natürlich in den USA. Erst nachdem dort bereits 20 000 bis 30 000 Geräte im Einsatz waren, wurde der deutsche Markt in Angriff genommen. Seit Mitte 1975 sind die ersten mobilen Erfassungssysteme in Deutschland auf dem Markt.

Die Schwierigkeiten für die mobile Datenerfassung lagen zum Teil darin, daß EDV-Leute diese rationelle Methode der Datenerfassung ignorierten, vielleicht um ihre bisherigen

aussagen bezüglich der Wirtschaftlichkeit vom Einsatz der Bildschirme nicht wiederrufen zu müssen.

Bei einer Wirtschaftlichkeitsberechnung in einem großen Textilunternehmen erzielten wir durch den Einsatz von mobiler Datenerfassung eine Kosteneinsparung von etwa 25 Prozent. Eine Voruntersuchung bei einem Markenartikelkonzern ergab, daß sich durch schnelleren Lagerumschlag, schnellere Lieferfähigkeit sowie durch Minimierung des Lagerschwunds (täglicher Auftragseingang vom Außendienst via DFÜ) die mobile Erfassung wirtschaftlich positiv auswirken würde.

Die mobile Datenerfassung hat in den vergangenen Jahren nicht nur technische, sondern auch organisatorische Fortschritte gemacht. So stehen zum Beispiel Standardorganisationen wie Verkaufsfahrerabrechnung, Lagereingangs- und Ausgangskontrollen, Inventuraufnahmen, Aufnahmen für Energieversorgungsunternehmen,

Abrechnungen für Mietfahrzeuge, Filialabrechnungen, Bestellwesen, Vermessungswesen, Betriebsdatenerfassung, Auftragserfassung, Qualitätskontrolle, Materialdisposition und vieles andere mehr zur Verfügung.

Die Erfassungssysteme selbst wurden erweitert um den Anschluß von OCR- und Bar-code-Leser. Schnittstellen sind für fast alle gängigen Hardware Konfigurationen inzwischen serienmäßig vorhanden.

Was noch wichtiger ist: Durch die fortschreitende Mikro-Technik sind die Geräte auch billiger geworden. Sie kosten bei einigen Herstellern 4200 Mark Kaufpreis pro Stück. Diese Geräte sind ebenso leicht zu bedienen wie elektronische Taschenrechner.

Woran liegt es, daß sich die mobile Erfassung so schwer tut? Ist es allein die Angst der EDV-Abteilungen, das Privileg der Undurchschaubarkeit und Unverständlichkeit aus der Hand geben zu müssen?

Oder liegt es daran, daß die Pioniere der mobilen Erfassung nicht die Namen der großen EDV-Anbieter wie Siemens, IBM oder Nixdorf tragen?

Die in Deutschland noch jungen Anbieter sind durchaus leistungsfähig bei Hardware und Software. Der technische Kundendienst und ähnliches kann bei diesen Geräten durch einfachen Umtausch erledigt werden. Manche Firmen haben sich für die mobile Erfassung entschieden. Eines dieser Unternehmen hat in den vergangenen 1? Jahren mehr als 340 mobile Erfassungssysteme bei seinen Einzelhandelskunden installiert und kann durch diese Organisation eine Lieferzeit von maximal 24 Stunden garantieren. Wobei Verpackung und Versand die Iängste Zeit beanspruchen. Von der über das Postmodem eingehenden Bestellung bis zum Lieferscheinschreiben dauert es nur Sekunden.

Die Chance für die mobile Erfassung ist da. Erste Installationen von Funkdatenerfassung zeigen den Trend. Das erweiterte Angebot der Bundespost bezüglich der Datenfernübertragung wird bald jedem Bürger der Bundesrepublik die Möglichkeit geben, mit Akkustikkoppler oder Modem ein Rechnersystem anzuwählen.

Erkennt Otto-Normalverbraucher den Vorteil der mobilen Datenerfassung eher als die EDV-Fachleute in den Rechenzentren?

* E. Runge ist OrganisationspIaner und Unternehmensberater in Hom-Bad Meinberg