Schnelle Entscheidungsfindung und Zeitersparnis als Hauptargumente Der "schlanke" Chef delegiert jetzt via Videokommunikation

23.09.1994

Von Rudi Stieger*

"Wachstum durch Wandel" heisst die neue Maxime, unter der Siemens den Geschaeftsbereich Private Kommunikationssysteme umstrukturiert. Mit schlankeren Organisationsformen und dem Einsatz von Videokommunikation, die schnellere Angebots- und Entscheidungswege erlauben, will sich das Unternehmen im Telekommunikationsmarkt den Herausforderungen der kommenden Jahre stellen.

Die neuen Strukturen der deutschen Vertriebseinheiten bei Siemens im Geschaeftsbereich Private Kommunikationssysteme (PN) ermoeglichen es, ohne grossen Verwaltungsaufwand auf spezifische Kundenwuensche zu reagieren. Gestraffte Ablaeufe sorgen fuer erhebliche Kosteneinsparungen, und flachere Fuehrungsstrukturen verkuerzen die Entscheidungswege .

Der Vertriebskanal Systemvertrieb konzentriert sich auf Kunden und Interessenten, die Kommunikationssysteme mit mehr als 150 Ports betreiben. In diesem Segment erwarten die Kunden ein qualifiziertes Know-how in allen technischen, anwendungsorientierten und kommerziellen Fragen.

Der Regionalvertrieb versorgt Klein- und Mittelbetriebe mit einfachen Sprachsystemen und -netzen, die meist keine Projektierung oder intensive Beratung erfordern. Der dritte Kanal betreut ausschliesslich Vertriebspartner. Die Zusammenarbeit mit diesen Partnern gehoert zu den strategischen Zielsetzungen.

Um keine Einbusse in der Qualitaet hinzunehmen, sei es durch Vergroessern der Fuehrungsspanne oder durch kanaluebergreifende Abstimmungen zwischen den Vertriebskanaelen, gilt es weiterhin, vor allem durch persoenliche Gespraeche Konflikte zu loesen.

In Ergaenzung zu persoenlichen Vieraugengespraechen werden deshalb jetzt in der Vertriebsorganisation von Siemens PN auch vermehrt Videokommunikations-Besprechungen ueber ISDN-Verbindungen gefuehrt, die durch die visuelle Praesenz des Gegenuebers am Bildschirm durchaus den Charakter eines persoenlichen Gespraechs aufweisen, was fuer eine Konsensfindung nach wie vor Voraussetzung ist. Zum Beispiel erweist es sich bei der Abstimmung von Planwerten zwischen den verschiedenen Stellen an unterschiedlichen Orten als aeusserst nuetzlich, dass die in Frage kommenden Werte viel oefter als sonst und ohne zusaetzliche Terminnoete, Reisen etc. diskutiert werden koennen; der Planprozess wird dadurch flexibler und wesentlich schneller: Die Qualitaet der Planzahlen steigt.

Ebenso hilfreich ist es, in komplexen Projekten den aktuellen Status ohne zeitaufwendige Anreise ueber Videokommunikation auszutauschen; auch hier erweist es sich als zeit- und kostensparend, dass sich - wo erforderlich - auch Gruppen oder Teams in die persoenliche Videobesprechung miteinbeziehen lassen; damit ist allen Teilnehmern am Video-Meeting Gelegenheit geboten, unmittelbar an der Meinungsbildung mitzuwirken und Einwaende oder Argumente sofort einzubringen: Entscheidungen lassen sich damit sofort treffen.

Die Vertriebsorganisation PN beteiligt sich seit Maerz 1994 mit zehn Siemens-Videokommunikations-Systemen "Hicom videokit", einer Erweiterung fuer AT-kompatible PCs, an einer praxisnahen Pilotierung (siehe Abbildung); die Geraete stehen bei den Anwendern am Schreibtisch und sind damit auch spontan nutzbar.

Die sukzessive Ausstattung von weiteren Teilnehmern mit Videokommunikations-Geraeten ist geplant, zum Teil auch mit den Systemen "Hicom videoset L" fuer Gruppenkommunikation. Ueberlegungen zu Videokonferenzen mit mehr als zwei Stationen sind im Gange, und sicher wird unser Unternehmen die Moeglichkeiten von Information Sharing oder Application Sharing demnaechst auch nutzen. Eines steht aber schon fest: Waere Videokommunikation in der Bedienung nicht annaehernd so simpel wie Telefonieren oder wie Windows- Anwendungen, koennte sie sich im Buero des Managers nicht halten.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zu den Reisekosten. Selbst wenn Flugtickets und Hoteluebernachtungen zu Buche schlagen, sind solche Ausgaben fuer die Klientel von Videokommunikations-Geraeten zumeist marginal; entscheidend fuer die Nutzer ist der Zeitgewinn. Wenn der Manager nicht reisen muss, dann hat er das gewonnen, was ihm keiner ersetzt: Zeit.