Digitales Archiv bei der Markenfilm Gruppe

Schnell, einfach, digital

04.03.2005
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Zeit ist Geld auch in der Werbebranche. Wer schneller Kostproben seines Könnens abliefern kann, kommt beim Kunden eher zum Zug. Digitalisierung hilft da auch einer Filmproduktionsfirma wie der Markenfilm Gruppe gewaltig.
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W I E FA S T A L L E Industriezweige hat auch die Werbebranche wirtschaftlich bittere Jahre hinter sich. Produktionsfirmen, die Werbefilme, Videoclips, Trailer oder Firmen-Imageportraits abdrehen, spüren diesen Druck erheblich. Neben der flauen Laune am Markt fühlen hiesige Produktionsfirmen auch verstärkt die Konkurrenz aus Osteuropa. Niedrigere Studiomieten und geringere Personalkosten dieser Mitbewerber drücken die Preise auch hier. In dieser Situation ist es geradezu überlebenswichtig, innerhalb kürzester Zeit auf die Produktionsanfragen von Werbeagenturen reagieren zu können. Wenn eine Werbeagentur beispielsweise von einem Kunden wie etwa einem Autokonzern den Auftrag erhält, einen Werbe-TV-Film für ein neues Automodell drehen zu lassen, spricht die Agentur verschiedene Produktionsfirmen an. Die reichen Angebote - so genannte Musterrollen - ein. Auf denen werden beispielhaft Filmsequenzen von verschiedenen, mit der jeweiligen Produktionsfirma arbeitenden Regisseuren zusammengestellt. Diese Musterrollen sollen der Werbeagentur einen Eindruck über die Arbeitsweise und speziellen Fähigkeiten eines oder mehrerer Regisseure vermitteln und zudem kenntlich machen, wie diese das Werbefilmkonzept des Autokonzerns zu einem bestimmten Produkt zielgruppengerecht umsetzen würden.
Neben den Produktionskosten zählt beim Zuschlag für eine Produktionsfirma vor allem, wie kreativ deren Vorschläge sind. Eine Auswahl von Regisseuren, die ein Werbekonzept umsetzen könnten, ist dabei von entscheidender Bedeutung. Schließlich sollten diese Vorschläge auch noch so schnell wie möglich bei der Werbeagentur eingereicht werden.
Hier setzte die Überlegung der Markenfilm Gruppe an, als sie ihr Projekt der digitalen Filmarchivierung in Angriff nahm. Das Unternehmen ist - zumindest in Deutschland - in seinem Segment Marktführer. Im Gegensatz zu kleineren Produktionsfirmen, die mit einer übersichtlichen Zahl von Regisseuren zusammenarbeitet, pflegt Markenfilm Kontakte zu über 1000 Regisseuren und Kameraleuten. Diese große Auswahl kann auch Probleme schaffen. Markenfilm war es ohne informationstechnische Werkzeuge kaum mehr möglich, einen Überblick über die vielen Regisseure, Kameramänner und sonstigen Filmleute zu behalten und gezielt und schnell die Anfragen von Werbeagenturen zu beantworten.
Produktionsfirmen haben Archive - so genannte Bandlager -, in denen die Filme ihrer Regisseure abgelegt werden. Um einer Werbeagentur beziehungsweise einem Kunden einen Regisseur für ein Projekt vorzuschlagen, fertigt die Produktionsfirma eine individuelle Musterrolle für dieses Projekt an. Auf dieser sind mehrere kurze Filmausschnitte, Spots, von Arbeiten eines oder mehrerer Regisseure zusammen geschnitten. Diese sollen dem Kunden schnell einen Eindruck darüber vermitteln, wie diese Regisseure arbeiten.
Solche Musterrollen zusammenzustellen ist nicht trivial, denn in der vordigitalen Zeit bestanden die Bandlager ausschließlich aus analogen Videobändern (U-Matics). Markenfilm-Angestellte mussten an Videoschnittplätzen die benötigten Teile verschiedener Bänder zurechtspulen und auf ein neues Band kopieren. Die rein analoge Technik erzwang eine zeitraubende und umständliche Arbeitsweise. Pro Tag konnte Markenfilm so einige wenige Musterrollen erstellen. Entsprechend lang dauerte es, einem Kunden ein Angebot zu unterbreiten.
Die Markenfilm Firmengruppe wollte deshalb vor einiger Zeit ihre Arbeitsabläufe komplett auf digitale Verfahren umstellen. Problem: Es gab am Markt keine fertige Lösung, die die besonderen Anforderungen des Hamburger Unternehmens ganz erfüllt hätte. Das hatte auch mit der Größe der Markenfilm Firmengruppe zu tun. Die Hamburger entschieden sich deshalb dafür, selbst ein System zu entwickeln, das speziell an ihre Bedürfnisse und Besonderheiten angepasst ist.

Die Vorteile liegen auf der Hand

Heute besitzt die Markenfilm Firmengruppe ein komplett digitalisiertes Filmarchiv auf Basis einer Anwendung, die den Mitarbeitern sehr schnell weitreichende Recherchemöglichkeiten in einer SQL-Datenbank an die Hand gibt. Vergleicht man die Voraussetzungen der Arbeitsbedingungen bei Markenfilm, die sich aus der Migration von einem analogen auf ein digitales Filmarchiv ergaben, treten die Vorteile des computerunterstützten Systems deutlich zutage:
Zum einen lässt sich das Archivmaterial, das jetzt nicht mehr in analogen Bandlagern gehortet wird, viel schneller recherchieren. Genauso können die Mitarbeiter heute neue Bänder viel kurzfristiger zu einer Demo- beziehungsweise Musterrolle zusammenschneiden. Durch das digitale Filmarchivierungssystem konnte Markenfilm die Zahl der pro Tag produzierten Musterrollen etwa verfünffachen. Außerdem ließ sich die Qualität der Recherche - also die Suche nach geeigneten Filmproben von Regisseuren, die auf der Musterrolle dann zusammengefasst werden - erhöhen. In welchem Maße sich die neue Arbeitsweise auf die Unternehmensentwicklung auswirkt, ließe sich zwar nicht direkt ermitteln, so der IT-Leiter Ralf Nyenhuis, doch ist ein positiver Effekt deutlich spürbar.

Wie funktioniert die Lösung?

Ein weiterer, wesentlicher Vorteil der neuen Lösung von Markenfilm ist, dass mit der Digitalisierung des Filmarchivs und sämtlicher Arbeitsabläufe (Workflow) Demobänder auf verschiedenste Medien übertragen werden können. Hier sind vor allem zeitgemäße digitale Medien wie beispielsweise Digital Video Discs (DVDs) zu nennen. Um überhaupt eine DVD herstellen zu können, muss das Ausgangsmaterial, also die Filme eines Filmarchivs, in digitaler Form vorliegen. Außerdem ist die von Markenfilm entwickelte Lösung offen für technische Erweiterungen in der Zukunft, betont Nyenhuis.
Schließlich reduzieren sich auch die Zeit und die Kosten, die bei der digitalen Übermittlung der Demobänder zu den Agenturen und zu Kunden anfallen. Denn hierzu nutzt Markenfilm heute das Internet beziehungsweise ein Intranet zwischen den sechs Firmen, in die sich das Gesamtunternehmen aufsplittet (siehe Kasten „Das Unternehmen“). An den Standorten in Düsseldorf und Berlin unterhält Markenfilm zudem gespiegelte Datenbestände, so dass die Mitarbeiter in diesen beiden Niederlassungen auf zeit- und kostspielige Datenübertragungen verzichten können. Neu archivierte Filme werden nur einmal zwischen den Standorten synchronisiert.
Die digitale Speicherung von Spots und Musterrollen stellt einen komplett neuen Arbeitsansatz in einer Produktionsfirma dar, sagt Nyenhuis. Durch die große Anzahl von Mitarbeitern, die das Archiv an verschiedenen Standorten nutzen sollten, war die Topologie der IT-Infrastruktur vorgegeben: In Frage kam nur eine Client-Server-Architektur mit einer Reihe unterschiedlicher Komponenten. So mussten Archivierungsplätze eingerichtet werden, an denen Spots eingelesen und mit Metadaten versehen werden können. Bei den Metadaten handelt es sich um eine Volltextbeschreibung des Films sowie um Suchbegriffe, die in der Werbebranche üblich sind wie Car, Fashion etc. Man kann einen Regisseur zudem mit seinen Spezialgebieten erfassen und entsprechende Suchbegriffe, also eben Metadaten, festlegen. Die Recherche zu solchen Begriffen ist im Übrigen erst durch das digitale Filmarchivierungssystem von Markenfilm möglich geworden. Da die Metadaten standardisiert in einer relationalen Datenbank (Microsoft SQL Server) gespeichert werden, können sie in beliebige andere Anwendungen integriert werden. An verschiedenen Ausspielplätzen können darüber hinaus vorher zusammengestellte Musterrollen auf ein beliebiges Format (beispielsweise U-Matic, DVD, DV, VHS, DigiBeta) ausgegeben beziehungsweise kopiert werden. Ein zentraler Server übernimmt die Konvertierung und Aufbereitung der Spots. Ferner musste eine Schnittstelle zum Intranet implementiert werden, damit jeder autorisierte Mitarbeiter von seinem Arbeitsplatzrechner aus im Archiv recherchieren und Musterrollen zusammenstellen kann.