Dollarabschwächung ließ deutsche Exportwerte stark zurückfallen:

Saisonbedingte Kreditaufnahme drückt auf Aktienmärkte

05.04.1985

MÜNCHEN (aw) - Nach steilem Kursanstieg bröckelt der Dollar nun ab. Keineswegs sicher ist, daß die US-Währung oberhalb der 3-Mark-Grenze bleibt. Zur Vermögenssicherung werden Goldaktien empfohlen, vor allem vor dem Hintergrund der jüngsten amerikanischen Bankenkrise. Stark nachgegeben haben in Deutschland in der vergangenen Zeit insbesondere Exportwerte wie Siemens, und bei Aktien von Halbleiterherstellern wird noch immer ein Abwägen beim Kauf empfohlen.

Der Dollar fiel, wie angekündigt (CW Nr. 10/1985), jetzt in Richtung 3-Mark-Grenze. Der Kursrutsch ging jedoch weiter als zunächst erwartet. Der langfristige Aufwärtstrend ist charttechnisch aber noch nicht gebrochen; erst bei Kursen unter 2,90 Mark wäre dies der Fall.

Die Tagesschwankungen an den Devisen-und Edelmetallmärkten sind stark wie selten zuvor. Selbst hartgesottene Händler, die Jahrzehnte an den Märkten operieren, können sich an vergleichbare Situationen nicht erinnern.

Ausgelöst wurde der scharfe Kursrutsch durch eine Liquiditätskrise von 71 Spar- und Leihkassen im US-Bundesstaat Ohio. In der vergangenen Woche kamen auch texanische Banken ins Gerede. Verantwortlich für die Krise waren in beiden Fällen: notleidend gewordene Immobilienkredite.

Banken und Farmer haben ihre Mühe mit der Deflation

Gerade Banken und Farmer, die trotz des Aufschwungs in den USA die größten Schwierigkeiten haben, konnten sich bis heute noch nicht auf die Umkehr von der Inflation zur Deflation in der US-Wirtschaft einstellen. So waren in den Staaten während des zurückliegenden Jahres zum Teil deflatorische Preise, etwa beim Großhandel, zu beobachten. Stürzende US-Immobilienpreise führten dann zu einer krisenhaften Entwicklung. Ähnlich wie beim Trouble um die Continental Illinois Bank waren es nicht die gefährdeten immensen Auslandskredite, sondern die Insolvenzen inländischer Schuldner, die zum Eklat führten.

Erstaunlich ist, wie wenig sich die Amerikaner Sorgen um die ins Ausland vergebenen Kredite machen. Die Statistik zeigt, daß am Jahresende 1984 die Schulden der Entwicklungsländer etwa 1000 Milliarden Dollar betrugen. In Dollar gerechnet hat sich die Verschuldung, bedingt durch den Anstieg der US-Währung und die zu zahlendenen Zinsen, während des vergangenen Jahres um knapp 40 Prozent erhöht. Auch aus diesem Blickwinkel sind die Dollarschulden in keinem Fall rückzahlbar.

Die nordamerikanischen Banken haben Forderungen in ihren Büchern, deren Gegenwert nicht existiert. Andererseits müssen die Einlagen, welche Kunden bei der Bank deponiert haben, von der Bank mit hohen Zinsen bedient werden. Das zeigt, daß die Guthaben der Anleger bei den US-Banken nicht mehr in vollem Maße vorhanden sind. Indirekt ist auch der deutsche Anleger davon betroffen. US-amerikanische Großbanken haben sich in zweistelligen Milliarden-Dollar-Summen am Euro$-Markt refinanziert. Hierbei sind deutsche Banken Gläubiger von US-Banken, und der deutsche Sparer ist Gläubiger deutscher Banken.

Bei diesem Strudel im US-Bankensystem ist es nicht verwunderlich, daß Dollarbestände aus den USA abgezogen werden. Insbesondere japanische Investoren, die große Währungsreserven im Dollar gebildet haben, waren auf der Verkäuferseite. Es sollte bei Dollaranlagen zu allererst auf die Bonität geachtet werden. Insbesondere Festgelder bei Banken sollten zugunsten von Engagements in Staatsanleihen oder Industrieanleihen hervorragender Güte getauscht werden.

Die Bankenkrise ist auch Ursache für den jüngsten Goldpreisanstieg. Gold beziehungsweise Goldaktien sollten vor dem Hintergrund des sich verschärfenden US-Bankendebakels als Vermögenssicherung in keinem Depot fehlen. Preiswerte Titel sind AAC (Anglo American Corporation), Amgold sowie Consolidated Goldfields. Diese Titel werden sowohl in Frankfurt als auch in Zürich gehandelt. Sie können noch nahe ihrer Tiefstkurse (in Mark gerechnet) erworben werden. Eine interessante Goldaktie ist auch die in der Schweiz gehandelte BIZ Namen (amerikanische Serie, 8050 Franken).

Der Dollarrückgang kann auch ernste Folgen für das US-Zinsniveau haben, wenn Ausländer tatsächlich größere Dollarbeträge abziehen sollten. Eine Kettenreaktion wäre möglich. Genauso wie die US-lnflationsrate durch den steigenden Dollar ständig gesunken ist, wird sie bei einem sinkenden Dollar anziehen. Dies wiederum könnte neue Dollarverkäufe der Ausländer auslösen.

Es wäre jedoch falsch, schon wieder in den zu großen Pessimismus hinsichtlich der US-Währung zu verfallen, da die jüngste Kursreaktion rein charttechnisch nichts anderes als eine Abschwächung im Aufwärtstrend ist. Empfehlung: Dollarbestände vorsichtshalber abgesichert lassen, solange die Phase der starken Verunsicherung anhält.

Rutsch bei DV-Werten

Bei DV-Werten ist es zu einem erneuten Kursrutsch gekommen. Die Aktienmärkte kommen jetzt saisonmäßig in eine schwierige Phase. Traditionell ist die Beanspruchung der Kreditmärkte durch Industrieunternehmen in den Monaten April und Mai am stärksten. Durch die industriellen Kreditnehmer in Anspruch genommenen Gelder fehlen den Wertpapiermärkten. Vor diesem Hintergrund scheint es möglich, daß sich die Schwäche im Zuge einer technischen Korrektur im April/Mai fortsetzt.

Die starken US-Börsenumsätze in den vergangenen Monaten (besonders im Januar), zu hoher Umsatz in Kaufoptionen (Spekulation auf steigende Kurse) und die hochgeschnellten Insiderverkäufe sind weitere Warnsignale. Hierzu kommen zu viel Optimismus bei den US-Börsenbriefen und verhältnismäßig niedrige Barreserven der institutionellen Anleger. Dennoch sollte nicht mehr als eine technische Reaktion erwartet werden. Langfristige Indikatoren lassen einen Indexanstieg in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich erscheinen.

Die Ankündigung von IBM, im ersten Quartal des Geschäftsjahres 1985 keine besseren Erträge als im Vorjahreszeitraum ausweisen zu können, sorgte für Verstimmung am Technologieaktien-Markt. Unterschiedliche Reaktionen verursachte das "Aus" für den PC junior. Während die einen eine Schlappe für Big Blue witterten, kommentierten andere Marktbeobachter dies als Rückzug aus einem Markt, der die Grenzen seines Wachstums erreicht hat. Die Überkapazitäten bei den Herstellern würden zu weiter fortschreitendem Preisverfall führen.

Da IBM mit seinem PC junior einen Marktanteil von lediglich sechs Prozent in den USA hatte, verheißt der Rückzug kaum ein Aufatmen für andere Anbieter auf diesem Sektor. Apple, Commodore, Tandy und Atari bleiben nach dem Ausscheiden von Timex, Texas Instruments, Colleco und IBM die größten Anbieter.

Die Halbleiteraktie National Semiconductor (11,5 Dollar) verdiente im letzten Quartal nur noch 2 Cents pro Aktie. Der Vorstand spricht von der stärksten Abschwächung bei Preisen und Produktion seit Jahren. Eine Verbesserung des sehr schwachen Auftragseingangs ist nicht zu beobachten. Bei Halbleiteraktien und Bauelementevertriebsfirmen ist weiter große Vorsicht empfohlen.

Glaubt man Analysten, so steht ein Aktientausch zwischen den beiden US-Gesellschaften Apple und Wang bevor. Dies bedeutet jedoch keine Übernahme.

Am deutschen Aktienmarkt fielen die Exportwerte stark zurück. Siemens rutschte von 555 auf 519 Mark. In den zurückliegendenden Wochen wurden dreistellige Millionenumsätze in dieser Aktie getätigt. Vor allem Auslandskäufe trieben die Notierungen nach oben. Die abgebildete Chart zeigt die Umsatzspitzen im Mai 1983 und im Januar 1984 und wahrscheinlich auch im März 1985.

Die Dollarhausse war der Hauptgrund des Kursanstieges bei den deutschen Exportaktien. Folgerichtig kamen diese Titel im Zuge des Kursrückschlags unter Druck. Siemens verlor 10 Prozent. Eine weitere Fortsetzung der Konsolidierung in den nächsten Wochen scheint wahrscheinlich. Mit Neu-Engagements bei den Standardwerten sollte einige Wochen gewartet werden. Mittelfristig gilt jedoch auch für den deutschen Markt: Die Anleger sind in Sachwerten und Anleihen überinvestiert - ebenfalls die Institutionen. Aktien sind als Mischform von Sachwert (Beteiligung am Unternehmen) und Geldwert (Dividende) aussichtsreich.

Die empfohlenen Dräger-Aktien konsolidieren um 280 Mark nach Kursen von in der Spitze über 300 Mark. Ein Umsatzplus von 84 Prozent meldete MCS-Modulare Computer-und Softwaresysteme AG, Wiesbaden. Der Spezialist für medizinische Computersysteme erzielte im Geschäftsjahr 1984 einen Umsatz von 13,8 Millionen Mark. Das Jahresergebnis vor Steuern liegt bei 2,2 Millionen Mark.

Schlechter als erwartet fiel das 1984er-Ergebnis von Ericsson aus. Statt der erwarteten Gewinnverbesserung gab es einen Rückschlag. Trotz Umsatzsteigerung um 16,4 Prozent auf 29,378 Milliarden Schwedenkronen (gut 10 Milliarden Mark) fiel der Gewinn um 10,0 Prozent auf 1,569 Milliarden Kronen (547 Millionen Mark) zurück. Verlustbringer war der Bereich Ericsson Information Systems. Dieser Unternehmensteil hatte 1983 noch einen Gewinnbeitrag von 237 Millionen Kronen geleistet und geriet 1984 mit 217 Millionen Mark in die roten Zahlen.

Aktiensplit bei Analog Devices Incorporated (5 zu 1). Auf der Hauptversammlung wurde über das am 3. November 1984 beendete erfolgreichste Geschäftsjahr in der Geschichte des Unternehmens berichtet. Der Umsatz konnte um 46 Prozent auf 313 Millionen Dollar gesteigert werden, während sich das Nettoeinkommen auf 37 Millionen Mark (12 Prozent Umsatzrentabilität) verdoppelte. Die Produktivitätsrate konnte um 14 Prozent gesteigert werden.

Nicht nur der hohe Dollar, sondern auch die US-Zinsen, die mit netto etwa zehn Prozent (Nettozins = Zins minus Inflationsrate) auf historischem Rekordhoch stehen, führen zu einer immer stärkeren Verlagerung der Fertigung ins Ausland. General Electric baut heute fast seine gesamte Konsumelektronik im Fernen Osten. Nachdem der Elektroniksektor jahrelang für Überschüsse in der Handelsbilanz gesorgt hatte, wurden 1984 erstmals rote Zahlen erwirtschaftet. 1985 wird von den USA ein negativer Saldo von 12 Milliarden Mark erwartet.

Der hohe Weltmarktanteil der USA bei Computern von 80 Prozent täuscht über diese Entwicklung hinweg. Die Komponenten sind oft ausländischer - zumeist japanischer oder koreanischer Herkunft. Immer häufiger wird auch in dieser Branche, die im vergangenen Jahrzehnt vom freien Handel besonders profitieren konnte, der Ruf nach Protektionismus laut. Motorola-Chairman Galvin forderte gar eine 20prozentige Importsteuer.

Galvin erinnerte zu Recht an die Entwicklung der Unterhaltungselektronik seit den 50er Jahren. Auch hier wurden zunächst nur Komponenten und Halbfabrikate aus Japan geliefert. Das Know-how kam aus den USA. Heute haben die Japaner diese einstmals amerikanische Domäne beinahe vollkommen für sich erobert.

Eine ähnliche Entwicklung sieht Galvin auf die US-Computerbauer zukommen. Bei den Halbleitern sind die Japaner heute schon dabei, den Amerikanern den Rang streitig zu machen. Befürchtet wird, daß Japan die Vereinigten Staaten zum Entwicklungslabor degradiert.