SAA-Widerspruch

24.04.1987

Die Zukunft des Computerkonzerns macht IBM-Deutschland-Chef Hans-Olaf Henkel keine Sorge. Henkel wird sich in Zukunft allerdings mit einem kleinen Problem beschäftigen müssen: Wie mache ich aus Innendienst- und Produktionsleuten aggressive DV-Berater? Der Wandel vom Hardware-Hersteller zum Software- und Systemhaus - erklärtes Ziel des Marktführers - bedeutet nämlich mehr, als sich den Kopf zu zerbrechen, wie Job-Rotation in der "Think"-Kirche funktioniert.

Die IBM muß Umsatz im SE- und Consulting-Bereich generieren. Immer schon haben die DV-Hersteller ihre Kunden beraten - ohne bekanntlich Entgelt zu verlangen. Jetzt wird die totale Entbündelung der Beratungsleistung angestrebt: "Ende des Nulltarifs auch bei der Kunden-Seelsorge", so lautet die Parole. Für die IBM heißt das: Ihre Pre-Sales-Leute müssen fakturierbar werden.

Nun sind aber - wie das aktuelle /2-Announcement zeigt - die IBM-Produkte noch nicht da, mit denen jetzt schon der gewünschte Service-Umsatz transportiert werden könnte. Kein Problem für Mother Blue: Es gibt ja SAA. Daß die System-Anwendungs-Architektur vorerst nur auf dem Papier existiert, ist gerade der Trick dabei. Für Hardware- und Software-Entscheidungen gilt es bereits heute, die SAA-Frage zu beantworten: Wie soll meine DV-Organisation in fünf Jahren aussehen?

Folge: Die IBM-Anwender müssen verunsichert sein. Und das wiederum hilft, das IBM-Beratungsgeschäft anzukurbeln. Nur Big Blue weiß doch, wie das SAA-Rahmenwerk ausgefüllt werden kann. Solche Motive weisen die IBM-Marketiers natürlich weit von sich. Nur, das Zugeständnis wird von ihnen auch nicht zu bekommen sein, sie wüßten selbst nicht - weil sie den 370-, /3X- und PC-Software-Verhau kennen würden -, wie SAA zu realisieren sei. Eines ist klar: Es wird immer schwieriger, in der IBM-Welt zu flexiblen DV-Gesamtlösungen zu kommen. Die Anwender können ein Lied davon pfeifen - im Keller, versteht sich, da hört's keiner.

Vollends widersprüchlich erscheint der SAA-Ansatz, wenn man an das Problem der IBM denkt, mit ihren diversen inkompatiblen Hardware-Architekturen und Betriebssystemen leben zu müssen. Stimmte nämlich, daß SAA der große Gleichmacher ist, dann könnte der Mainframe-Riese getrost mit der Hardware-Entrümpelung beginnen - sprich: sich von einigen inkompatiblen Produktfamilien trennen. In Frage kämen da zu allererst die /3X-Modelle /36 und /38, die gleichwohl noch unter dem SAA-Schutz von Mother Blue stehen.

Was ist dieser Schutz wert? Nicht das Schwarze unter dem Fingernagel - wenn SAA hält, was die IBM verspricht. Oder sollte es doch so sein, daß auch zukünftige SAA-Anwendungen noch ihre für den Kunden lästigen Hardware- und Betriebssystem-Präferenzen haben, auf Spezialmaschinen und Konvertierungskrücken folglich nicht verzichtet werden kann? Dann wäre SAA freilich nicht SAA - wie es aus oben genannten Gründen auch keinen Sinn macht, die /3X-Maschinen in das SAA-Konzept einzubeziehen.

Sagen wir es ohne Wenn und Aber: Die SAA-Rechnung kann nicht aufgehen. Für dieses Fazit braucht man weder Milchmädchen noch IBM-Berater - und dergleichen gilt es zu beachten, wenn Projekte für die neunziger Jahre (Integration und Kommunikation) nicht in die One-Vendor-Sackgasse führen sollen.