Sektkellerei lagert Netzverantwortung aus

PC-Netz regelt den Fluss des Champagners bei Geldermann

19.03.1993

Der Weg zu einer moderneren DV-Organisation wurde bei Geldermann schon seit 1989 diskutiert, als man vor der Frage stand, wie die Nachfolge der IBM/36 zu entscheiden sei. Ausserdem hatte das Unternehmen in den vergangenen Jahren so stark expandiert, dass eine grundlegende Ueberarbeitung des Organisationskonzeptes noetig wurde, weil neugeschaffene Unternehmensbereiche nicht oder nur schwer in die bestehende Struktur zu integrieren waren. Eine Analyse ergab, dass die zentralisierte DV-Anlage dem modifizierten Unternehmensaufbau nicht mehr Rechnung trug und deshalb keine Zukunft mehr haben konnte.

Anfang 1990 wurde aus diesem Grund ein Pflichtenheft definiert, das zunaechst keinerlei technische, wohl aber organisatorische Vorgaben an die neue Loesung stellte.

Analyse aller verfuegbaren Marktdaten

Aufgrund der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen sah der Plan vor, kuenftig die ganze Informationsverarbeitung von der neugegruendeten Abteilung Organisation ueberwachen zu lassen. Die gesamte Verantwortung fuer die DV und deren Betrieb sollte dabei jedoch, getrennt nach Hard- und Software, von externen Partnern eigenverantwortlich geleistet werden.

In allen wichtigen Bereichen des Unternehmens stellen sogenannte Stuetzpunkte die Interpreter der DV dar, die fuer ihre Abteilung die Stammdatenpflege und den Benutzerservice uebernehmen. Allein fuer Verwaltungsaufgaben wie BenutzerAccounts und -Einrichtungen existiert innerhalb der Abteilung Organisation ein DV-Verwalter. Es fehlt in diesem Konzept die klassische DV-Abteilung, da, so Organisationsleiter Gerhard Bill, die staendig zu aktualisierende Ausbildung eines DV-Leiters fuer ein mittelstaendisches Unternehmen mit 150 Mitarbeitern unvertretbar teuer ist.

Die Sektkellerei suchte ein DV-System, das den speziellen Anforderungen gerecht werden sollte, naemlich trotz saisonaler Schwankungen mit Spitzenbelastungen im Verkauf schnelle Informationsfluesse zu liefern. Ausserdem sollte die Auftragsabwicklung unbedingt kundenorientiert sein, da das Unternehmen unterschiedliche Auftraggeber hat. Entscheidend fuer die Auswahl des Systems war ferner die Rueckmeldung vom Verkauf, da die Sektproduktion durch die noetigen Reifeprozesse sehr langwierig ist. Eine DV-gestuetzte Analyse aller verfuegbaren Marktdaten war daher unerlaesslich.

Spezielle Loesung fuer das Sektgeschaeft angestrebt

Auf der Softwareseite strebte die Sektkellerei Geldermann ein moeglichst offenes Grundkonzept an, auf dem spezielle Loesungen fuer das Sektgeschaeft entwickelt und staendig angepasst werden koennen. Die Entscheidung fiel fuer die Branchensoftware der Software-Team GmbH, Bensheim, deren Module sowohl in Unix als auch im Novell- Bereich implementiert werden koennen und offene Schnittstellen zu Standardsoftwareprodukten garantieren.

Zur gleichen Zeit wie die Suche nach der neuen DV-Struktur stand der Neubau des Verwaltungsgebaeudes an. Bevor also eine Entscheidung fuer ein Gesamtkonzept fiel, musste Geldermann sich auf ein Verkabelungssystem festlegen. Den Zuschlag bekam eine in der Decke verlegte Twisted-pair- Typ-1-Verkabelung, die den Breisachern alle Loesungsvarianten vom AS/400-Einsatz bis zum PC- Netz mit Ethernet, Token Ring oder FDDI auf Twisted Pair offenhielt.

Die Entscheidung fuer das auf DOS basierende Softwarekonzept erlaubte den Einsatz eines im Vergleich zu anderen Loesungen preiswerten PC-Netzes. Genau wie fuer die Realisierung des Softwarekonzeptes suchte Geldermann auch fuer die Hardware einen verantwortlichen Ansprechpartner, da man der Meinung war, die technische Verantwortung sowohl fuer das Netz mit seiner Verkabelung und der Netztechnologie (Controller) als auch fuer die Fileserver gehoert in eine Hand. Die Verantwortlichkeit fuer das Netz, die gesamte Auswahl der Netzkomponenten sowie die Installationsueberwachung erhielt schliesslich der Schneider & Koch- Partner Floesch in Teningen bei Freiburg uebertragen.

Bei der Netztopologie legten sich die Verantwortlichen auf den 16-Mbit-Token-Ring fest, weil dieser sowohl in bezug auf Sicherheit bei der Datenuebertragung als auch hinsichtlich der Performance als idealer Kompromiss zwischen Ethernet und dem zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verfuegbaren FDDI auf Twisted Pair erschien. Der Token Ring in der Sektkellerei wurde mit drei intelligenten Ringleitungsverteilern 8230 von IBM realisiert, die ueber Lichtwellenleiter zu einem Backbone geschaltet sind.

Als Netzwerk-Betriebssystem wird Netware 3.11 eingesetzt, das aufgrund des Duplexing hohe Performance und Sicherheit bietet. Auf dem Fileserver sind die Anwendersoftware, die Tabellenkalkulation, die Buchhaltung und das speziell entwickelte Warenwirtschafts- System abgelegt.

Neben Netware laeuft auf dem Server noch ein Datenbank-NLM, das den Clients die angeforderten Daten zuweist.

Der Fileserver, ein EISA-Rechner, ist in 19"-Einschubtechnik ausgefuehrt und zusammen mit anderen Komponenten wie Festplatten, Monitoren, Tastatur und USV in einem fahrbaren Giga-Rak-19"- Schrank eingebaut. Zwei Cache-Controller mit einem RAM-Ausbau von je 4 MB ermoeglichen die Datenversorgung des Netzes.

Derzeit sind bei Geldermann 60 Arbeitsplaetze mit Standard-PCs der oberen Leistungsklasse und ISA-Architektur vernetzt. In der Endausbaustufe sollen es rund 80 Rechner sein. Als Netz-Controller werden die Token-Ring-Produkte SK-NET TR4/16 von Schneider & Koch genutzt. Die Arbeitsplaetze uebertragen ihre Daten mit einer durchschnittlichen Nettogeschwindigkeit von 680 KByte/s bei einem Breitenlastdurchsatz von rund 1,7 MB/s.

Der Aufbau des Netzes lief nach der Verkabelung des Neubaus waehrend des Betriebes ab, ohne die Arbeitsfunktionen zu beeintraechtigen. Sowohl Hardware- als auch Softwarepartner koennen sich ueber Modem in den Fileserver einloggen, sind aber verpflichtet, jeden Eingriff zu protokollieren. Direkter Kontakt aus dem Netz besteht ueber eine 64KB-ISDN-Standleitung zum Logistikpartner in Breisach, der fuer die Sektkellerei die Lagerung und den Versand betreut. Bei diesem werden auch Lieferscheine und Handling-Auftraege ausgedruckt. In Zukunft soll auch der jeweils aktuelle Standort der Ware abfragbar sein, um in der heissen Phase vor Weihnachten die Kunden so genau wie moeglich ueber Liefertermine informieren zu koennen.

"Unser Geschaeft ist die Herstellung von Spitzensekten und ihre Vermarktung zu vertretbaren Preisen. Mit dem PC-Netz und der Auslagerung der technischen Verantwortung auf externe Dienstleister ist es uns gelungen, die DV-Kosten in einem fuer das Unternehmen vertretbaren Rahmen zu halten", erklaert Organisationsleiter Bill die Vorteile der neuen DV-Strategie.

*Lukas Gorys ist Mitarbeiter der Schneider & Koch GmbH in Karlsruhe.

Die Champagnerkellerei Deutz & Geldermann wurde 1838 in der Champagne gegruendet und zaehlte seit jeher zu den renommiertesten Haeusern Frankreichs. Seit 1925 stellt die deutsche Schwesterfirma, die Privatsektkellerei Geldermann GmbH, in Breisach Premiumsekte fuer den deutschen Markt her.