Sinkende Margen zwingen offenbar zu Partnerschaften

PC-Hersteller schielen auf Umsätze der Online-Dienste

28.08.1998

Compaq beispielsweise unterzeichnete in den USA Abkommen mit America Online (AOL), dem Internet-Service-Provider GTE sowie dem virtuellen Buchshop Amazon.com. Darüber hinaus schloß GTE auch einen Kooperationsvertrag mit HP, und AOL sitzt mit IBM und Packard Bell-NEC in einem Boot. Mit diesen Deals wollen Online- Anbieter und PC-Hersteller gemeinsam im Web Umsatz generieren.

Die Service-Provider profitieren, indem jeder Rechner mit einer Online-Software inklusive Freistundenkontingent ausgeliefert wird und so potentielle Neukunden ans Netz bringt. Im Gegenzug erhalten die PC-Firmen einen Teil der von den Internet-Diensteanbietern erzielten Umsätze. Jedesmal, wenn beispielsweise ein mit einem Compaq-Rechner ausgerüsteter Surfer bei Amazon.com ein Buch kauft, klingelt auch bei der texanischen Hardwareschmiede die Kasse.

Gerätehersteller und Online-Dienste können auf diese Weise mitbestimmen, wie Endanwender das Internet benutzen. Die Hardwareproduzenten erwarten eine Belebung des Absatzes von Rechnern. Ihre Hoffnung scheint (noch) nicht unbegründet: Wie das "Wall Street Journal" berichtet, ergab eine einschlägige Studie von Compaq, daß die meisten Kunden einen PC primär kaufen, um ins Internet zu gelangen.

Sollte sich das Geschäft mit den Online-Diensten als so ertragreich herausstellen, wie es Branchenexperten erwarten, fiele vermutlich den PCs eine völlig neue Rolle zu. Demnach könnte dem "Wall Street Journal" zufolge die heutigen Intel-Rechner das gleiche Schicksal ereilen wie die Pager und Mobilfunktelefone.

Der Anwender zahlt nur einen geringen Betrag für die Hardware, muß dann aber eine feste monatliche Grundgebühr entrichten. Ein entsprechendes Geschäftsmodell war bereits vor Jahren die Grundlage für den beeindruckenden Erfolg des Online-Dienstes "Minitel" in Frankreich.

Für Barry Schuler, President der Interactive Services Unit bei AOL in den USA, ist es durchaus vorstellbar, den Kaufpreis für den PC mit dem Monatsbeitrag zu verrechnen. "Wenn der Preis für einen Rechner nur noch 500 Dollar beträgt, könnten wir ihn bei Abschluß einer AOL-Mitgliedschaft kostenlos dazugeben." Dies wäre machbar bei einer monatlichen Gebühr von 35 Dollar, so Schuler weiter.

Ein Grund für die plötzliche Tuchfühlung der PC-Hersteller mit der Online-Branche dürfte vielleicht aber auch ganz woanders zu suchen sein. Denn trotz besagter Compaq-Studie könnte dem PC, glaubt man den Marktforschern von IDC, schon mittelfristig als dem mit Abstand wichtigsten Internet-Zugriffssystem das Aus drohen. So prognostizierte unlängst IDC, das schon im Jahr 2002 zumindest in den USA annähernd 50 Prozent aller ausgelieferten Systeme Geräte sein werden, die mit einem herkömmlichen PC nicht mehr viel gemein haben (siehe Abbildung Seite 43). Die Rede ist von Set-top-Boxen, Telefonen, PDAs und Videospiel-Konsolen für das Web.

Spätestens ab 2004 beziehungsweise 2005 dürften in Nordamerika die genannten Komponenten das jährliche Auslieferungskontingent der PC-Industrie sogar übertreffen. Wenig erbauliches Fazit der Auguren: Die PC-Branche bleibt alles in allem ein Wachstumsmarkt, verliert jedoch erhebliche Marktanteile an die neue Konkurrenz. Angesichts dieser Trendwende werden alle Unternehmen, die bislang ihr Geschäft auf der Dominanz von PCs aufbauten, ihre Strategien fundamental überdenken und neu ausrichten müssen.

Nicht umsonst verknüpfen deshalb die Manager in den Chefetagen der PC-Hersteller mit dem vermeintlichen Trumpf "Cyberspace-Strategie" hochgesteckte Erwartungen: In wenigen Jahren sollen die Partnerschaften mit Internet-Dienstleistern bereits 15 bis 25 Prozent zum Umsatz beisteuern. Derzeit erzielt beispielsweise Compaq 95 Prozent seiner Einnahmen im Consumer-Geschäft mit Hardware. Gleichzeitig hoffen die Online-Anbieter, die über die PC-Verkäufe gewonnenen Mitglieder auch bei der Stange halten zu können.

Aktionen wie diese finden jedoch bisher nur in den USA statt. Nach Angaben von Ingo Reese, Sprecher von AOL Bertelsmann, der deutschen Niederlassung von AOL, sind die Kooperationen zwischen seinem Unternehmen und den PC-Manufakturen bis dato auf den amerikanischen Markt beschränkt.

In Deutschland möchte man noch abwarten

Auch bei der Münchner Dependance von Compaq gibt es offenbar vorerst keine Pläne für eine großangelegte Zusammenarbeit mit der Internet-Branche. Einer Sprecherin zufolge handelt es sich bei den entsprechenden Aktivitäten der Konzernmutter um ein Pilotprojekt, dessen Ergebnis man erst abwarten möchte. Für T-Online indes ist eine partielle Zusammenarbeit mit Hardwarelieferanten nichts Besonderes. Schon seit längerem sind im Endgeräte-Vertrieb der Deutschen Telekom sogenannte Multimedia-PCs von Compaq und Siemens-Nixdorf (SNI) erhältlich - ausgestattet mit einer T-Online-Zugangssoftware und der gemeinsam von der Telekom und Intel vermarkteten Videokonferenz-Lösung "Pro- share". Ähnlich gelagerte Kooperationen mit anderen PC-Firmen plant man in Bonn, wie auf Anfrage der CW mitgeteilt wurde, derzeit nicht.