Nur hierarchische und relationale DB-Produkte stehen zum Verkauf Digital klammert die OO-Tools aus dem Geschaeft mit Oracle aus

09.09.1994

MUENCHEN (qua) - Jetzt ist es offiziell: Digital Equipment wird das Datenbanksystem RDB, das Repository CDD und das Toolset DBA Workcenter an Oracle verkaufen. Im Preis eingeschlossen sind auch das hierarchische Datenbankprodukt DBMS und das 4GL-Werkzeug Rally. Behalten will Digital hingegen die objektorientierten Systeme Object/DB und Forte sowie das OLTP-Werkzeug ACMS. Der finanziell gebeutelte Computerhersteller wirft Ballast ab. Er hat sich nicht nur von seinen Anteilen an Olivetti getrennt, sondern ist auch dabei, grosse Teile seines Software-Portfolios zu verscherbeln. Doch offenbar macht dieser Ausverkauf vor den OO- Produkten halt. "Objektorientierung ist fuer uns strategisch", erlaeutert Theresia Wermelskirchen, Pressesprecherin der Digital Equipment GmbH, Muenchen.

Portierungen in Aussicht gestellt

Fuer die nach Einschaetzung von Branchenbeobachtern geringe Summe von 108 Millionen Dollar erhaelt Oracle also weder das objektorientierte Datenbanksystem Object/DB noch das Integrationswerkzeug "Forte". Den Besitzer wechseln hingegen das hierarchische "DBMS" und das relationale "RDB" einschliesslich des "CDD"-Repositorys, der Viertgenerations-Sprache "Rally" und des "DBA Workcenter", das sich aus den Tools "Expert", "Trace", "Graphical Schema Editor" und "Instant SQL" zusamensetzt. Darueber hinaus uebernimmt Oracle den RDB-Dienstleistungsbereich.

Eigenen Angaben zufolge will Oracle die vom RDB-Hersteller abgegebenen Portierungsversprechen erfuellen. Wenn es den Kaliforniern ernst damit ist, wird das Datenbank-Management-System also in absehbarer Zeit sowohl unter OSF/1 als auch unter Windows NT laufen.

Laut Vertrag haelt Digital alle Serviceabkommen ein, die spaetestens im Dezember 1995 auslaufen, wobei der Hersteller Oracle als Subkontraktor verpflichten kann. Neue Vertraege hingegen werden direkt mit Oracle abgeschlossen. Wie um die Verwirrung komplett zu machen, bietet Digital aber weiterhin Beratung fuer RDB sowie neuerdings auch fuer Oracle 7 an.

Zudem haben die beiden Unternehmen einige Entwicklungs- und Marketing-Vereinbarungen getroffen. So verpflichtet sich Oracle, die aktuelle Ausfuehrung seines Datenbanksystems sowie die Entwicklungsumgebung CDE und die "Oracle Cooperative Applications" auf Alpha AXP unter Windows NT zu portieren. Ausserdem soll der "Oracle Media Server" auf der Videoserver-Hardware von Digital unter OSF/1 lauffaehig gemacht werden.

Oracle hat allem Anschein nach einen Verdraengungswettbewerb gestartet. Mit RDB kauft das kalifornische Software-Unternehmen ein Konkurrenzprodukt vom Markt, dessen Installationsbasis von Insidern auf mindestens 40 000 geschaetzt wird. Ausserdem robbt sich der Anbieter derzeit mit guenstigen Umstiegskonditionen an die Anwender des von Computer Associates gekauften Datenbankprodukts

"Ingres" heran. Nach Ansicht vieler Analysten werden sich die Kalifornier frueher oder spaeter darum bemuehen, auch die RDB- Anwender mit Migrationshilfen auf die Oracle-Seite zu ziehen.

Diese Meinung herrscht offenbar auch beim Anwendungssoftware- Riesen SAP vor. Erklaert Marketing-Leiter Paul Wahl: "Ich glaube nicht, dass langfristig mit einer Weiterentwicklung von RDB zu rechnen ist. Vielmehr wird man versuchen, ein Umstiegsprogramm zu entwickeln." Insofern haetten die fruehzeitig bekannten Akquisitionsgeruechte beim SAP-Management "den letzten Zweifel weggenommen", ob RDB nicht vielleicht doch unterstuetzt werden sollte.