IG Metall: Gespräche ohne Ergebnis

Nokia-Spitze führt erstmals Gespräche mit Bochumer Betriebsräten

22.01.2008
Erstmals nach der Ankündigung der Werksschließung in Bochum vor rund einer Woche hat sich die Nokia-Führung in Finnland mit Betriebsräten des Standortes und IG Metall-Vertretern getroffen - allerdings ohne greifbare Ergebnisse.

Auch Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo nahm an dem Treffen am Montag teil, wie der Handyhersteller der Deutschen Presse-Agentur dpa auf Anfrage mitteilte. Der überraschende Werksschließungsplan nach hohen Subventionen für den Standort war auf breite Empörung bei Arbeitnehmern, Gewerkschaften und Politikern in Deutschland gestoßen.

Über die Gesprächsinhalte am Montag wurden keine Angaben gemacht. Aus Bochum nahmen die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach und die IG Metall-Beauftragte Ulrike Kleinebrahm am Vormittag an dem Treffen teil, wie eine IG Metall-Sprecherin sagte. Sie hatten Nokia vergangenen Donnerstag um ein Gespräch gebeten. Für Dienstag werden bei einer Großkundgebung in der Nähe des Bochumer Nokia-Werks bis zu 20.000 Demonstranten erwartet. Als Sprecher sind neben Arbeitnehmervertretern Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und IG-Metall-Chef Berthold Huber angekündigt.

Verhandlungen ohne Ergebnis

Die Gespräche zwischen der Nokia-Führung und Arbeitnehmervertretern des Bochumer Werks in Finnland haben nach Darstellung der IG Metall kein Ergebnis gebracht. Das Management habe "die harte Linie eingeschlagen", sagte Berthold Huber am Dienstag in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Vor der geplanten Protestkundgebung gegen die Schließung des deutschen Standorts, zu der rund 20 000 Demonstranten erwartet werden, kündigte Huber der Nokia-Spitze einen harten Kampf um die Arbeitsplätze an. "Das gibt eine knüppelharte Auseinandersetzung, wenn es nicht anders geht und wenn das Management nicht von seiner Position abrückt", sagte Huber in "Bayern2".

Nokia will sein Bochumer Handy-Produktionswerk mit 2300 Beschäftigten im Sommer schließen. Auf Anfragen nach detaillierten Erklärungen und Alternativen selbst der Bundesregierung hatte Nokia-Chef Kallasvuo bislang mit Schweigen reagiert. Die Konzernsprecherin erklärte stattdessen, der Konzern schließe Verhandlungen mit deutschen Stellen über eine mögliche Weiterführung des Werkes aus. Dies bedeutet das Aus der Handyproduktion in Deutschland. Aus Kostengründen will der finnische Welt-Konzern die Fertigung in erster Linie nach Rumänien sowie nach Ungarn und Finnland verlagern. Am Wochenende hatten einige Leiharbeitsfirmen erklärt, die ersten Beschäftigten seien in Bochum bereits gekündigt.

Prüfung der Subventionen dauert noch

NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU), die die Vorgehensweise von Nokia scharf kritisiert hatte, telefonierte am Montag mit Kallasvuo. Dabei hätten sie ein persönliches Treffen vereinbart, teilte das NRW-Wirtschaftsministerium mit. Die Schließungspläne für das Bochumer Werk sollen an diesem Mittwoch auch Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag sein.

Bei der Überprüfung der Landessubventionen für Nokia sind in einer Woche erste Resultate zu erwarten. "Mit Ergebnissen rechnen wir frühestens Anfang kommender Woche", sagte ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums in Düsseldorf am Montag der dpa. Die NRW.Bank prüft seit Freitag im Auftrag der Landesregierung, ob von Nokia die Subventionen in Höhe von 41 Millionen Euro zurückgefordert werden können. Hierzu müsste Nokia gegen Auflagen verstoßen haben, die mit den Förderungen der Jahre 1998 und 1999 verbunden waren.

BDI warnt vor Globalisierungs-Panikmache

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, hat im Nokia-Fall die Politik davor gewarnt, die Angst vor der Globalisierung zu schüren. Aktuell sei die Stimmung geprägt von "einer neuen Staatsgläubigkeit, von Skepsis gegenüber der sozialen Marktwirtschaft und der Globalisierung", sagte Thumann am Montag in Berlin. Die Politik müsse aufklären und dürfe die Skepsis nicht vergrößern. Zur Demonstration am Dienstag hat sich auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) angekündigt. Dem Protest will sich auch Linke-Vorsitzender Oskar Lafontaine anschließen, wie die Bochumer Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen mitteilte.

Kommenden Donnerstag veröffentlicht der Telekommunikationskonzern seine Jahresbilanz ohne eine bislang übliche Pressekonferenz. Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo werde "ganz normal" Fragen bei einer Konferenz-Telefonschaltung beantworten, die sich an den Bedürfnissen der Finanzkommunikation orientierten. Journalisten können zuhören. Dementiert wurden Berichte skandinavischer Zeitungen, das sei eine Reaktion auf die massive Kritik an den Schließungsplänen für das Bochumer Werk.

Auch in Finnland wächst die Kritik

Nicht nur in Deutschland, auch in Finnland wächst die Kritik am Handyhersteller. Die Zeitung "Ilta-Sanomat" hob am Montag in einer Kolumne hervor, dass Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo auf kritische Äußerungen und Fragen aus fast der kompletten politischen Führungsspitze in Deutschland mit Schweigen reagiert habe: "Kallasvuo hat die Entscheidung zur Schließung von Bochum immer noch nicht kommentiert, obwohl ihn Deutschlands politische Spitzenkräfte einschließlich Kanzlerin Angela Merkel dazu auffordern." Auch andere finnische Medien griffen die Nokia-Spitze scharf an.

Die finnische Organisation der Globalisierungskritiker von Attac hat unterdessen wegen der geplanten Werksschließung in Bochum zum Bokyott von Nokia-Handys aufgerufen. Attac-Sprecher Mikko Sauli begründete den Aufruf im Stammland von Nokia am Montag in Helsinki damit, dass der Entschluss zur Schließung in Bochum zeige, wie "unmenschlich der Kapitalismus ist".

Weiter hieß es, Attac in Finnland wolle andere Gruppen der eigenen Organisation zu einer internationalen Boykottaktion bewegen. Nokias Entscheidung zu Verlagerung der Bochumer Produktion in das neue Werk im rumänischen Cluj zeige die Notwendigkeit "internationaler Rahmenbedingungen, die soziale Verantwortlichkeit sicherstellen". In Deutschland haben führende Politiker auf Bundesebene sowie im betroffenen Bundesland Nordrhein-Westfalen erklärt, sie würden keine Nokia-Handys mehr benutzen. (dpa/tc)