Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Personal Computern:

Niedrigpreis-Zwerge erschließen neuen Markt

06.11.1981

Seit etwa drei Jahren werden auf dem bundesdeutschen DV-Markt Computer angeboten, die sich auf der einen Seite deutlich von den bekannten programmierbaren Taschenrechnern und auf der anderen Seite von den Systemen der Mittleren Datentechnik (MDT) unterscheiden. Viele dieser sogenannten "Personal Computer" haben das Aussehen und die Größe eines normalen Bildschirmterminals, beherbergen jedoch in ihrem Gehäuse einen Mikroprozessor der 8-Bit-Klasse und bis zu 64 KB Halbleiterspeicher. Alle diese Geräte lassen sich zumindest in einer Sprache (meistens Basic) frei programmieren und sind, bezogen auf ihre Leistungsfähigkeit, zu einem erstaunlich geringen Preis zu erhalten.

Drei amerikanische Firmen haben in der Bundesrepublik Deutschland bisher die meisten Personal Computer absetzen können. In der Reihenfolge der Verkaufszahlen sind dies: Commodore mit ihrer CBM-Reihe, Tandy mit den verschiedenen Modellen des TRS- 80 und Apple mit dem Produkt Apple II. Der Markt ist jedoch in zunehmendem Maße unübersichtlicher geworden, da

- ständig neue Firmen neue Produkte offerieren,

- etablierte Firmen alte Produkte durch neue, teilweise inkompatible Geräte ersetzen oder ihre Produktpalette erweitern,

- EDV-Hersteller aus dem Großcomputer- oder MDT-Bereich ihr Angebot nach unten ausdehnen.

Eine Erhebung des Betriebswirtschaftlichen Instituts für Organisation und Automation an der Universität zu Köln (Bifoa) hat ergeben, daß bereits zu Beginn dieses Jahres an die hundert verschiedene Personal und Mikrocomputersysteme in der Bundesrepublik angeboten wurden. Diese Zahl ist in der Zwischenzeit noch gewachsen.

Ein einschneidendes Ereignis für die Personal Computer-Branche war im Herbst diesen Jahres der Eintritt von IBM in den Markt der Kleinst-EDV mit ihrem Produkt PC. Es wurde davon gesprochen, daß der Personal Computer nun "hoffähig" geworden sei, wobei vergessen wurde, daß diese Firma mit der 5120 schon lange ein adäquates Gerät anbietet, das nur von seiner Preisgestaltung her nicht in den Niedrigpreisbereich der Personal Computer paßt. Hinzu kommt, daß der Personal Computer von IBM bis auf weiteres nur in den USA zu erhalten sein wird und daß die bisher für ihn angekündigten Programme seit geraumer Zeit erfolgreich auf Geräten anderer Hersteller eingesetzt werden.

Computerkapazität für eine Person

Der Einsatz dieser Rechner läßt sich ganz allgemein zunächst aus dem Begriff "Personal Computer" so ableiten, daß hardwaremäßig Computerkapazität ausschließlich für eine Person oder einen Arbeitsplatz und softwaremäßig Computerleistung ohne fremde Inanspruchnahme zur Verfügung gestellt wird. Dies bedeutet in der Praxis, daß dem Benutzer eines Personal Computers ein eigener Prozessor und ein eigener Zentralspeicher ständig zur Verfügung stehen, mit dem er eine eigenständige und von außen unbeeinflußbare Programmkontrolle und -verwaltung durchführen kann. Auf welche Art und Weise hiermit "Datenverarbeitung" im eigentlichen Sinne des Wortes betrieben wird, hängt ausschließlich von der Aufgabe ab, die der Benutzer eines Personal Computers lösen möchte.

Gegenüber den bekannten Einsatzgebieten von EDV in der zurückliegenden Zeit wird es im Bereich der Personal Computer zunehmend schwieriger, "typische" Funktionen festzulegen. Dies liegt vor allem in der enormen Flexibilität dieser Geräte begründet, die nacheinander oder parallel die unterschiedlichsten Aufgaben erfüllen können. Darüber hinaus sind die Erweiterungsmöglichkeiten der Grundsysteme in der Praxis bereits so vielfältig realisiert worsen, daß in technischer Hinsicht kaum noch Fragen offen bleiben Diese Vielfalt erhöht natürlich die Unübersichtlichkeit des Marktes für Personal Computer erheblich.

Für die mittelständische Wirtschaft wird in den nächsten Jahren deshalb der Einsatz eines Personal Computers vor allem in der Rationalisierung des Büroverwaltungsbereichs gefunden werden. Dazu gehören dann zunehmend Aufgaben, die heute nicht oder nur sehr schlecht durch Instrumente unterstützt werden, wie die Integration von Datenverarbeitung für den persönlichen Bedarf Mut der Textbe- und -verarbeitung und der Kommunikation. Die Personal Computer heutiger Form stellen hierzu den Einstieg unter der Voraussetzung dar, daß die eingesetzten Geräte sich flexibel erweitern lassen und ein Gesamtkonzept für die Einführung von EDV besteht.

Eine echte Datenverarbeitung setzt auch bei Personal Computern voraus, daß periphere Speichermedien mit einer ausreichenden Kapazität vorhanden sind, die es erlauben, schnell und sicher auf die gewünschten Daten zugreifen zu können. Mit diesen peripheren Speicherkapazitäten in Form von mehreren Disketten- und/oder Festplattenlaufwerken und einem Drucker als notwendigem Ausgabemedium wird aus dem Personal Computer schon ein ausgewachsenes Mikrocomputersystem, das für einen praxisgerechten Einsatz um das Fünf- bis Zehnfache über dem Preis eines normalen Personal Computers in seiner Grundausstattung liegt.

In vielen Betrieben herrscht heute entweder die Meinung vor, daß Datenverarbeitung weniger zu kosten brauche, als ein Mittelklassewagen oder aber eine Investition in unvertretbarem Ausmaß vorgenommen werden müsse. Diese Fehleinschätzungen zeigen, daß die Werbung der Personal Computer-Branche sehr ernst genommen wird. Erstaunte Gesichter gibt es regelmäßig, wenn die komplette Ausrüstung mit Hard- und Software, mit den notwendigen Organisationsmitteln und den Systemeinführungskosten, mit den Kosten für Versicherung, Wartung und Service und anderen Dingen zusammengerechnet wird.

Natürlich kann man seinen Personal Computer dafür verwenden, nur eine Funktion von ihm ausführen zu lassen, wie die Adressenverwaltung. Aber was hat das Ganze für einen Sinn, wenn zusätzliche Aufgaben zweckmäßigerweise in ein Gesamtsystem integriert werden könnten? Gerade die integrierte Informationsverarbeitung am Arbeitsplatz stellt nämlich die besondere Stärke dieser Personal Computer im Vergleich zu früheren Zeiten dar.

Festzuhalten bleibt deshalb, daß einerseits die Preisangaben der Hersteller mit aller Skepsis zu behandeln sind, daß andererseits jedoch Lösungen, wie sie mit Personal Computern bereits heute angeboten werden, mit älterer Technologie nur zu einem wesentlich höheren Preis oder überhaupt nicht zu erhalten waren.

Wenn bisher fast ausschließlich von der Hardware und ihren Kosten gesprochen wurde, so entspricht dies den augenblicklichen Gepflogenheiten des Personal Computer Marktes. Gerade auch große und durch andere Produkte bekannte Computerfirmen, die inzwischen erkannt haben, daß mit diesen "Zwergen"; wie die Personal Computer oft lächelnd von ihnen bezeichnet werden, ein neuer Markt erschlossen werden kann, bieten zur Zeit noch die nackte Hardware an, mit der alleine die potentiellen Anwender nichts anfangen können. Das Hauptproblem liegt momentan nicht bei der Hardware, sondern im Mangel an geeigneter Anwendungssoftware.

Über dieses Handikap darf auch nicht die Existenz von hardwareunabhängigen Betriebssystemen wie CP/M von Digital Research hinwegtauschen. So sehr die Entwicklung auf diesem Gebiet im Personal Computer-Bereich mit allen Facetten ihrer zukünftigen Vorteile zu begrüßen ist, so bleibt doch festzuhalten, daß im Bereich der Anwendungssoftware heute immer noch fast aus schließlich amerikanische oder eingedeutschte Programme angeboten werden, die nur als Instrumente zu verwenden sind. In vielen Fällen läßt sich mit Hilfe dieser Instrumente für den Anwender jedoch ein zufriedenstellender Programmablauf erstellen. Dies ist mit Entwicklungsarbeit verbunden, die bezahlt werden muß. Darüber wird vor dem Verkauf des Personal Computers in den wenigsten Fällen gesprochen! Im Gegenteil wird auf die Einfachheit der Programmiersprache Basic verwiesen oder wie schön Bildschirmmasken mit einem bestimmten Softwarepaket hergestellt werden können. Daß der stolze Besitzer eines Personal Computers dann Systemanalyse betreiben und wenigstens grundlegende Informatikkenntnisse besitzen muß, darüber wird geflissentlich geschwiegen. So wird der Grundstein für ein organisatorisches Durcheinander gelegt, das den beabsichtigten

Rationalisierungseffekt bei weitem nicht zur Geltung kommen läßt. Aus heutiger Sicht bleibt deshalb nur übrig, den Anwendungssoftwaremarkt genau zu verfolgen und zu warten, bis ein entsprechendes Produkt angeboten wird, oder ein entsprechendes Programmpaket entwickeln zu lassen. Als Trost muß zugestanden werden, daß im Bereich der Personal Computer, unter Verwendung von herstellerunabhängigen Betriebssystemen, Software-Instrumente angeboten werden, die die Fremderstellungskosten drastisch senken helfen.

Kosten für die Anpassung der Software schrecken ab

Gerade in der mittelständischen Wirtschaft wird nach Problemlösungen gesucht, die möglichst wenig EDV-Verständnis vorausetzen, da der Ausbildungsstand in diesem Bereich anerkanntermaßen als ungenügend einzustufen ist. Die Erstellung von Anwendersoftware ist jedoch in allen DV-Bereichen durch die gleichen Kosten belastet, so daß im Vergleich zu den Hardwarekosten bei Personal Computern, ein deutliches Mißverhältnis festzustellen ist. Die Chance größerer Verkaufszahlen eines Softwareproduktes durch hohe Installationsraten dieser kleinen Rechner und der damit verbundenen Preisreduktion der Software kann nur bei echten Standardlösungen, wie Texte- und -verarbeitung, wirklich realisiert werden. Die meisten Anwendungen sind jedoch auf die unternehmungsspezifischen Gegebenheiten zuzuschneiden, da gerade im mittelständischen Bereich innerhalb der eigenen Organisation nicht gerne von vorgegebenen Standards abgewichen wird. Die mit der Anpassung der Anwendungssoftware verbundenen Kosten schrecken viele davon ab, den Einsatz eines Personal Computers weiter in Erwägung zu ziehen, da sie sich in denselben Größenordnungen bewegen, wie bei bisher bekannten DV-Lösungen.

Auf der anderen Seite fällt es sehr schwer, einen Rationalisierungsvorteil zu quantifizieren. Hier helfen nur analytische Untersuchungen weiter, die den gesamten Organisationsablauf umfassen müssen und nicht auf einige Teilbereiche beschränkt werden dürfen. Es zeigt sich in den meisten Fällen, daß Arbeitskräfte entgegen allen bisher geäußerten Vermutungen nicht eingespart werden können. Die Rationalisierung läßt sich vielmehr dadurch realisieren, daß Informationen schneller aufgefunden und bearbeitet werden können, daß Tätigkeiten kontrollierter ablaufen und daß die zeitraubenden Routinearbeiten beschleunigt werden können. Dies läßt dann wieder mehr Spielraum für geistig gehaltvollere Arbeiten, so daß einerseits die Informationsbasis größer und andererseits die eigene Arbeit effizienter werden kann.

Ohne eine Gesamtkonzeption, die den Arbeitsablauf des gesamten Unternehmens mit einbezieht, ist die Effizienz des Einsatzes von Personal Computern jedoch in Frage gestellt. Dies bedeutet nicht, daß die Einführung solcher Systeme; auf einen Schlag erfolgen muß. Eine Schritt-für-Schritt-Vorgehensweise ist sogar in den meisten Fällen wesentlich sinnvoller. Von sich verselbständigenden Insellösungen ist jedoch fast immer abzuraten. Die Disharmonie der Teilbereiche wirkt für den Gesamtablauf eher lähmend als förderlich, da Arbeitsprozesse mehrfach und unkoordiniert durchgeführt werden müssen. Die bisherigen Probleme des Büroablaufs ohne EDV würden so vollständig in die EDV übernommen.

Der einzelne Arbeitsplatz

wird aufgewertet

Mit einer organisatorischen Gesamtkonzeption ausgestattet, lassen sich Personal Computer in den Arbeitsbereichen sinnvoll einsetzen, in denen häufig unternehmensinterne Datenbestände erzeugt oder ausgewertet werden. Außerdem bietet der flexible Einsatz dieser Rechner den großen Vorteil, Text- und Datenverarbeitung wirklich integriert zu realisieren. Erst wenn erkannt wird, daß nicht die vermeintliche Freisetzung von Arbeitskräften die Attraktivität des Einsatzes von Personal Computern darstellt, sondern daß die Aufwertung des einzelnen Arbeitsplatzes durch ein neues Hilfsinstrument im Mittelpunkt steht, kann der Vorteil des "eigenen" Computers richtig ausgeschöpft werden.

Für sehr viele Unternehmen scheint zunächst der Bereich der Buchhaltung besonders interessant zu sein. Dies liegt wohl vor allem daran, daß sich hier die Personal- beziehungsweise Steuerberaterkosten quantifizieren lassen. Vor allem in kleinen Betrieben wird aber übersehen, daß ein Finanzbuchhaltungsprogramm, das allen gesetzlichen Auflagen Genüge leistet, nicht nur sehr kostspielig ist, sondern auch der jährlichen Programmpflege bedarf, um alle Gesetzesänderungen berücksichtigen zu können. Noch ausgeprägter ist diese Feststellung für die Lohnbuchhaltung zu treffen, wobei beide Programme in vielen Fällen den Gang zum Steuerberater nicht ersparen, weil dieser noch wesentlich mehr Dienstleistungen erbringt.

Günstiger sieht der Komplex der Kalkulation und Fakturierung aus, der, eventuell verbunden mit einer programmgesteuerten Lagerhaltung, rationelle Bearbeitungsprozesse in Verbindung mit einem Personal Computer erlaubt. Die zusätzliche Möglichkeit der integrierten Textverarbeitung erleichtert es, die gefundenen Ergebnisse in die normale Korrespondenz einfließen zu lassen. In Verbindung mit entsprechend aufgebauten Adreßverwaltungsprogrammen läßt sich auch im Bereich der Auftragsabwicklung und Akquisition ein Personal Computer mit ausreichender externer Speicherkapazität sehr sinnvoll einsetzen.

Nicht vergessen werden soll hier der große Bereich der Selbständigen. Für die meist knapp bemessenen bürotechnischen Kapazitäten stellt ein Personal Computer mit den entsprechenden Programmen ein ideales Hilfsmittel dar, das keine Gehaltserhöhung fordert, keinen Feierabend kennt und auch nicht krank werden kann.

Einzelteile der Hardware sind austauschfähig geworden

Die Probleme bei der Konzeption des Einsatzes von Personal Computern können von kleinen Betrieben nicht alleine gelöst werden. Es bedarf deshalb der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft und geeigneten beratenden und unabhängigen Institutionen.

Gerade bei der Erarbeitung der spezifischen Vorteile des Einsatzes von Personal Computern gibt es heute die Möglichkeit, die Erfahrung von unabhängigen Beratern in Anspruch nehmen zu können. Dies ist deswegen eine Realität geworden, weil die meisten Geräte dieser EDV-Klasse so flexibel in der Hard- und Software konzipiert sind, daß einerseits Einzelteile der Hardware von verschiedenen Herstellern austauschfähig angeboten werden und andererseits, durch die Verwendung von hardwareunabhängiger

Software, Programme problemlos zwischen verschiedenen Rechnern austauscht werden können. Wohlgemerkt: Dies dient der leichteren Verbreitung von professioneller

Softwareprodukten zum Zwecke der Kostensenkung und nicht dem unbefugten und meistens unsinnigen Kopieren von Programmen. Die Unabhängigkeit bietet den Vorteil, für eine spezielle Anwendung die besten Bestandteile zu einem kompletten System zusammenfügen zu können, so daß ein Optimum an Anpassungsfähigkeit gefunden werden kann. Darüber hinaus ist es dem einzelnen Anwender in den mittelständischen Unternehmen nicht möglich, den Überblick über diesen sich so schnell ändernden Personal Computer-Markt zu erhalten. Wichtige Produkte können so sehr leicht übersehen werden.

Es soll nicht verschwiegen werden, daß unser Staat trotz vieler einschneidender Sparmaßnahme erhebliche Mittel für die Förderung von EDV-Einführungsmaßnahmen Klein- und Mittelbetrieben zur Verfügung stellt. Diese Mittel werden nur für unabhängige Dienstleistungen bereitgestellt und erfordern keinen bürokratischen Aufwand. Die

staatliche Förderung von Beratungen für kleine und mittlere Unternehmen bietet diesem Anwenderkreis die Möglichkeit, ohne zusätzliche Kosten auf das Know-how von Spezialisten zurückzugreifen. Die Gefahr einer Fehlinvestition, die sich durchaus zwischen 20 000 und 10 000 Mark bewegen kann, läßt sich so vermeiden.