Vernetzte Technologien

Neues Licht macht schlau

25.10.2013
Von Thomas Kuhn

Effiziente Strahler

Das gilt auch für den Einsatz von LEDs in der Straßenbeleuchtung - selbst wenn der Effizienzvorteil der Lichtchips zumindest gegenüber den etablierten, markant gelb leuchtenden Natriumdampflampen kleiner ist als bei klassischen Glühlampen.

Dafür strahlen die Chips ihr Licht stark gerichtet ab. So lässt sich genau definieren, wo Straßen und Plätze hell sind und wohin, etwa auf Häuserfronten, wenig Licht fallen soll. Das reduziert den Lichtsmog und lässt auch zur Straße gewandte Schlafzimmer bei Nacht im Dunkeln liegen.

Zum anderen lassen sich die Leuchten stufenlos dimmen. Gesteuert nach Uhrzeit oder über Bewegungssensoren, können die Lampen ihre Helligkeit - und damit den Energieverbrauch - senken, sofern niemand unterwegs ist. Weil sich die elektronischen Lampen digital vernetzen lassen, können sie sogar autonom den Wartungsdienst rufen, sobald ein Bauteil ausfällt.

Das Einsparpotenzial bedarfsgesteuerter LED-Beleuchtungen ist immens. Der Ölkonzern BP hat bei einer Tankstelle in Österreich ermittelt, dass sich so der Stromverbrauch, verglichen mit klassischen professionellen Außenleuchten, um bis zu 85 Prozent senken lässt.

Vor dem Sparen kommt die Umrüstung

Von derlei Sparpotenzial konnten Kämmerer vieler notorisch klammer deutscher Kommunen trotzdem lange nur träumen. Denn vor dem Sparen steht erst einmal die Umrüstung der Leuchten auf die neue LED-Technik. Und die kostet schnell Millionen von Euro. Geld, das oft fehlt.

Weshalb Hersteller wie Hella oder Osram nun neben dem Verkauf der Leuchten auch ein anderes Vertriebsmodell anbieten: Ein Dienstleister finanziert die Umrüstung vor und bekommt dafür über Jahre von den Kommunen einen Teil der eingesparten Stromkosten gutgeschrieben. Am Ende der Laufzeit gehen die Leuchten in den Besitz der Städte über. Das sei, sagt Nima Mehrdadi, verantwortlich für Strategie und Technologietransfer bei Hella Industries, eine Triple-win-Situation: "Die Stadt spart Geld, der Finanzier macht sein Geschäft, und wir verkaufen unsere Produkte."

Optischer Espresso

Gut 200 Jahre lang galt das menschliche Auge unter Wissenschaftlern als weitgehend erforscht - bis Forscher vor gut 20 Jahren auf der Netzhaut Unerwartetes fanden: Eine bis dato unbekannte Art lichtempfindlicher Zellen, die weder der Farb- noch der Helligkeitswahrnehmung diente.

Heute weiß man, dass die Zellen so etwas sind wie das Zeitsignal für die innere Uhr des Menschen. Sie hemmen, wenn Licht darauf fällt, die Ausschüttung des Hormons Melatonin. Die Folge: Körpertemperatur und Puls steigen, und selbst eingefleischte Morgenmuffel werden dynamischer. Parallel dazu bringt der Nervenimpuls - wie optischer Espresso - Hirnregionen in Schwung, die für die Gedächtnis- und Reaktionsfähigkeit wichtig sind.

Entscheidend ist dabei nicht die Quelle, sondern das Farbspektrum des Lichts. Die Wirkung ist umso stärker, je mehr blaue Anteile auf die Sensorzellen fallen. Das belegen Untersuchungen des Schlafforschers Christian Cajochen vom Zentrum für Chronobiologie an der Universität Basel, aber auch Studien an Schulen in Ulm sowie Hamburg. Die Probanden schnitten bei Denkversuchen und Konzentrationstests besser ab.

Doch auch umgekehrt sind die Ergebnisse aufschlussreich. Denn sie erklären, warum mancher, der abends im Bett auf dem Tablet-PC liest oder surft, anschließend kaum zur Ruhe findet. Auslöser ist dann oft der hohe Blauanteil im Licht der LED-Hintergrundbeleuchtung des Computers, der unbemerkt die Ausschüttung des schläfrig machenden Melatonins hemmt.

Zwar sind die Ergebnisse der Schulversuche mit Zurückhaltung zu genießen; in beiden Fällen wurden die Wissenschaftler von den Leuchtenherstellern Philips beziehungsweise Osram unterstützt. Doch die Erfahrungen aus Hamburg und Ulm decken sich mit Erkenntnissen unabhängiger Forschungsgruppen. Und sie lassen das Potenzial erahnen, das speziell in LED-Leuchten steckt, deren Farbtemperatur die Hersteller exakt steuern können. Das warme Licht der Glühbirnen von weniger als 3000 Kelvin ist dagegen von der biologisch wirksamen Farbe des Tageslichts jenseits 5000 Kelvin weit entfernt.