Unterhaltungselektronik-Konzern strebt in Richtung Multimedia

Neue Sony-Workstations basieren auf Mips-3000-RISC-Prozessoren

19.01.1990

MÜNCHEN (zek) - Mit neuen Workstations versucht Sony Microsystems in den High-end-Markt für Arbeitsplatzrechner vorzudringen. Es handelt sich um die dritte Generation von Sony-Workstations seit 1987; sie ist kompatibel zu den Vorgängerserien, bietet durch RISC-Architektur aber wesentlich höhere Rechenleistung.

Nach Auskunft von Sony Deutschland-Vertriebsleiter Dietmar Witt will der japanische Unterhaltungselektronik-Multi nicht plötzlich zur "reinen EDV-Firma" werden. Man strebe jedoch im Sektor Workstations eine aktive Rolle an, da diese Rechner nach Sony-Ansicht eine wichtige Technologiekomponente für die nächsten zehn Jahre darstellen. In der strategischen Planung denke man deshalb durchaus an eine mögliche Verknüpfung der Bereiche TV, Video, Computer und Stereo und damit an Multifunktionsarbeitsplätze - ein Konzept, das in letzter Zeit unter dem Schlagwort "Multimedia" diskutiert wird. Wegen dieser langfristigen Strategie setze man, so Witt, auch auf Standards, beispielsweise in Sachen Unix.

Die neuen Rechner der Serie "News 3800" bringen nach Herstellerangaben Rechenleistungen von rund 20 Millionen Instruktionen pro Sekunde und 3,43 Gleitkomma-Operationen pro Sekunde. Diese Leistungen werden durch die bei Sony bewährte Architektur der Dual. Prozessor-Systeme erreicht, Während bei den Vorläufer-Modellen jeweils zwei Prozessoren der Typen Motorola 68020 oder 68030 zum Einsatz kamen, dient jetzt als CPU ein RISC-Prozessor vom Typ Mips 3000, während ein 68030 die CPU von der Platten- und Netzwerk- und Peripherieverwaltung befreit.

Dadurch erreichen die 3800-Workstations schon bei 20 Megahertz Taktrate Rechenleistungen wie sonst nur Geräte mit 25 Megahertz.

Entscheidung fiel nach Vergleichstest

Die Entscheidung zugunsten der Mips-Prozessoren fiel nach Vergleichstests mit den RISC-CPUs von Sun (Sparc), Motorola 88000, AMD 29000 und Mips R 2000 und R 3000. Eine wesentliche Rolle spielten auch die von Mips angeboten Compiler, die besonders bei simultaner Arbeit von CPU und Coprozessor ein Zusammenspiel mit extrem niedrigen Wartezeiten ermöglichen. So gelang es auch, bis jetzt bereits rund 1000 Anwendungen auf die neuen CPUs zu portieren.

Für eine weitere Perfomance-Steigerung sorgen zwei getrennte Cache-Speicher, je 64 Kilobit für Daten und für Instruktionen, die über einen 64-Bit-Bus, der mit 200 Megabyte pro Sekunde überträgt, mit der CPU gekoppelt sind. Ein weiteres Kennzeichen der News 3800 sind zwei SCSI-Schnittstellen, wodurch sich die Ahzahl der unterstützten Plattenlaufwerke verdoppelt.

Positioniert werden die Geräte für Anwendungen in den Bereichen E-CAD, M-CAD, CASE, Büro-Automatisierung oder als Server in Netzwerken. Als Betriebssystem wird News/OS, ein erweitertes Berkeley-Unix 4.3 mit X-Windows und NFS, eingesetzt.

Für die zweite Jahreshälfte 1990 hat Sony bereits Unix System V in der neuen Version 4 angekündigt. Außerdem entwickelt das Unternehmen eine Version des Betriebssystems Mach.

Lieferbar sind die neuen Sony-Workstations ab Anfang Februar, der Preis liegt je nach Konfiguration zwischen 70 000 Mark und 150 000 Mark.

Mit japanischer Zähigkeit an die Spitze

Der Name Sony steht in erste Linie für Erfolge in der Unterhaltungselektronik und bei professioneller Studiotechnik. Im DV-Bereich sind die Erfinder des "Walkman" bisher kaum aufgetreten. Daß sie das jetzt doch verstärkt tun, zeigt einen gewissen Weitblick, der den Wettbewerbern zu denken geben sollte. Zum einen ist Sony nicht gerade das kleinste Unternehmen, zum anderen haben die Sony-Workstations auch technisch etwas zu bieten.

Die langfristige Strategie der Japaner ist, wie schon in anderen Bereichen vorexerziert, nicht neu, aber erfolgreich: Abwarten, welcher Standard sich durchsetzt, technisch immer auf dem neuesten Stand bleiben und dann zum großen Schlag ausholen - Stichwort "Multimedia". Genauso hat es vor rund 25 Jahren mit den ersten Sony-Plattenspielern und Video-Geräten angefangen. Jetzt besitzt Sony die größten Musikstudios, Plattenfirmen, TV-Gesellschaften und Filmstudios der USA. Ob es in der DV-Welt mittelfristig ähnlich aussieht?