Netware soll auf Power-Macs portiert werden Apple und die Unternehmens-DV: Drei Server mit Power-PC-CPU

13.05.1994

MUENCHEN (wm) - Zwei Monate nach den Desktop-Systemen bringt Apple drei Server mit Power-PC-Prozessoren auf den Markt, die bis Ende dieses Jahres mit dem Netz-Betriebssystem Netware von Novell ausgestattet werden. Mit den starken RISC-Prozessoren will Apple Anwender in der Unternehmens-DV ansprechen, denen die Leistung der CISC-Server nicht genuegt.

Die "Apple Workgroup Server" (AWS) mit den Modellnummern 6150, 8150 und 9150 sind seit Dienstag dieser Woche im Angebot. Zu den Attraktionen der Server zaehlt neue Hardware, wie der Power-PC- Prozessor 601 mit 60 beziehungsweise 80 Megahertz Taktfrequenz, und die Datensicherung nach Raid-Level 0 oder 1. Noch groessere Hoffnungen macht man sich bei Apple mit Novells Betriebssystem "Processor Independent Netware" (PIN), das im vierten Quartal 1994 fertiggestellt werden soll und an die Stelle der Kombina- tion aus "Appleshare" und "System 7" oder "Appleshare" und "A/UX", Apples Unix, tritt.

Nach Informationen des englischen Informationsdienstes "Unigram.X" wollen Apple und Novell enger zusammenarbeiten und auch Verkauf und Kundendienst fuer "Netware for Workgroup Servers" gemeinsam uebernehmen.

Etwa 60 bis 70 Prozent aller PC-Netze basieren heute auf Novells Betriebssystem Netware. Die dafuer verantwortlichen DV-Manager konnte Apple bisher nicht erreichen. Fuer sie ist ein robustes Netz wichtig, nicht der Hersteller des Servers. Nur wenn Apples Workgroup-Server mehr Leistung im Vergleich zu Intel-Rechnern bieten - bei gleicher Ausstattung und gleichem Preis -, liesse sich diese Zielgruppe zum Umsteigen bewegen. Dem Vernehmen nach hat Apple diesen Forderungen Rechnung getragen: Die Workgroup-Server mit Power-PC-Prozessor koennen ueber 1000 Benutzer bedienen, waehrend an den leistungsstaerksten Vorgaenger AWS 95 DB maximal 200 Anwender angeschlossen werden konnten.

Sollte Apple tatsaechlich Intel-Anwender zum Wechsel bewegen koennen, dann waere dem Unternehmen doppelter Gewinn sicher: Wer Server verkauft, bringt auch PCs an den Mann und steigert so Umsatz und Marktanteil. Apple rangiert zur Zeit auf Platz zwei weltweit, hinter IBM und knapp vor Compaq. Beide Konkurrenten aber verkaufen seit Jahren PC-Server mit gutem Profit, weil die Gewinnspannen bei diesen Geraeten noch gross sind.

Kann Apple sich ein Stueck vom Kuchen abschneiden? Die CW- Schwesterpublikation "Computerworld" zaehlt zwei Punkte auf, die den Erfolg gefaehrden koennten:

- Der Leistungszuwachs der neuen AWS gegenueber den Vorgaengermodellen faellt nicht deutlich genug aus. Die "Computerworld" zitiert eine nicht naeher genannte Person, derzufolge die neuen Modelle unter A/UX wahrscheinlich schlechter abschneiden als ein Workgroup Server 95 mit Motorolas 68040-CPU.

- Die Portierung von Netware auf die Apple-Rechner dauert laenger und ist schwieriger als erwartet. Die "Computerworld" erinnert an Hewlett-Packard, wo man seit zwei Jahren an einer Netware-Version fuer PA-RISC-Rechner arbeitet. Kimball Brown vom Marktforschungsinstitut Dataquest bringt es auf den Punkt: "Um einen Macintosh-Rechner in ein Netware-Netz einzubauen, ist es nicht noetig, Netware zu portieren. Soll allerdings ein Apple- Server Mac- und Intel-Rechner im Netz unterstuetzen, dann muss Netware perfekt laufen. Wenn die Portierung nicht einwandfrei ist, wird das Ganze ein Flop."

Hinzu kommt, dass Apples Workgroup Server bisher nicht genug Leistung in puncto Uebertragungsgeschwindigkeit der Festplatten und Netzadapter bot. Apple-Netzkarten am Nubus leisten weniger als die Pendants an einem PCI- oder VESA-System-Bus in einem Intel- Rechner. Der Nubus konventioneller Machart ist eine 32 Bit breite Verbindung zwischen Prozessor und Peripherie, die mit einer Taktfrequenz von zehn Megahertz arbeitet. Theoretisch ergibt sich daraus eine Uebertragungsrate von 8 MB/s. In den Multimedia- Macintosh-Rechnern setzte Apple auf den Nubus 90 mit doppelter Kapazitaet. Doch selbst die damit erreichbare Geschwindigkeit von 16 MB/s bleibt hinter den Werten eines PCI-Systems (heute 32 MB/s) oder eines VESA-Systems (33 oder 66 MB/s) weit zurueck.

Der Brancheninformationsdienst "Unigram.X" zeigt ein weiteres Manko auf: Apple und Novell haben sich noch nicht geeinigt, wer den Kundendienst fuer Netware auf Power-Macs uebernimmt. Beide Firmen wollen ihre Mitarbeiter schulen, doch endgueltig entschieden hat man sich nicht. Die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" will erfahren haben, dass Apple den telefonischen Kundendienst rund um die Uhr uebernimmt sowie eine Reparatur innerhalb von zwei Tagen garantiert. Die Reparatur innerhalb von vier Stunden soll ein anderes Unternehmen anbieten.

Eine Ueberarbeitung der Power-Macintosh-Architektur koennte vielleicht noch in diesem Jahr anstehen, weil Apple und IBM an einer einheitlichen Umgebung namens Power-PC Reference Platform (Prep) arbeiten. Unter diesem gemeinsamen Dach koennten Anwendungen zwischen IBMs RS/6000-Rechnern und den Power-Macs ausgetauscht werden. Beide Unternehmen koennten damit ihren Einfluss gegenueber dem Microsoft-Intel-Lager erhoehen.