Interview

"Nach der IBM kennen wir die Mainframer am besten"

16.07.1999
Mit Gary Greenfield, CEO der aus Micro Focus und Intersolv hervorgegangenen Merant Plc., sprach CW-Redakteur Hermann Gfaller

CW: Sie sind vom früheren Micro-Focus-Geschäftsführer Reinhard Janning dafür kritisiert worden, daß Sie das Unternehmen in drei weitgehend selbständige Bereiche aufgeteilt haben, in Merant Micro Focus mit den Cobol-Techniken, Merant PVCS für Entwicklungs-Management und Merant Datadirect für die Datenzugriffs-Middleware.

Greenfield: Das ist ein Mißverständnis. Es geht hier lediglich um drei Entwicklungsorganisationen .

CW: Aber jede der drei Business Units hat eine eigene Vertriebsorganisation. Jannings befürchtete, daß es die Kunden verwirrt, wenn sie es plötzlich mit drei Vertriebsmitarbeitern ein und derselben Firma zu tun haben.

Greenfield: Deshalb ist er gegangen. Er hat nicht verstanden, daß hinter dieser Aufteilung ein einheitliches Konzept steckt.

CW: Firmen werden oft aufteilt, damit sich weniger lukrative Bereiche leichter schließen lassen.

Greenfield: Für unser Ziel brauchen wir alle drei Bereiche, die zudem nach und nach integriert werden.

CW: Gilt das auch für Cobol?

Greenfield: Wir unterstützen Cobol dort, wo es nach wie vor dominiert: auf dem Großrechner. Dort laufen die Anwendungen, die den Unternehmen ihren individuellen Geschäftsvorteil bringen. Und das wird noch lange so bleiben, denn nach meinem Verständnis bedeutet Anwendungsentwicklung heute, herkömmliche Verfahren mit Web-Techniken zu verbinden.

CW: Kritiker behaupten, daß Sie ein Unternehmenskonzept neu aufgelegt haben, das schon bei Intersolv nicht funktioniert hat.

Greenfield: Diese Behauptung ist doppelt falsch. Zum einen waren sowohl Intersolv als auch Micro Focus erfolgreich, und wenn Sie den Aktienkurs von Merant anschauen, sehen Sie, daß es uns auch gemeinsam gut geht. Zum anderen ist Merant organisatorisch keineswegs eine Kopie von Intersolv.

CW: Was ist anders?

Greenfield: Bei Intersolv hatten wir drei Divisions mit drei Ausrichtungen. Merant hat zwar drei Geschäftseinheiten plus einen Servicebereich, die aber ein und dasselbe Ziel ansteuern: Die Produktivität der Entwicklungsabteilungen beim Anwender zu erhöhen.

CW: Das behauptet jeder Tool-Anbieter.

Greenfield: Lassen Sie es mich erklären: Lange Zeit ging es nur darum, die Unternehmensprozesse DV-technisch abzubilden, im Internet-Zeitalter kommen dagegen die Geschäftsführer zu den IT-Verantwortlichen auf der Suche nach neuen Geschäftsideen und fragen: Wie soll ich mein Geschäftsmodell ändern, damit ich von den Möglichkeiten der IT profitieren kann?

CW: Die IT wandelt sich vom Rationalisierungsinstrument zum Produktivfaktor...

Greenfield: Genau. Darin besteht die Internet-Revolution.

CW: Und welche Rolle spielt dabei Merant?

Greenfield: Wir sehen uns als Anbieter von Techniken, die es den Anwendern ermöglichen, ihre Prozesse an das E-Business anzupassen. Gute Tools bereitzustellen reicht in diesem Geschäft nicht. Wir müssen vielmehr die geschäftlichen Bedürfnisse der Kunden kennen. Nach unserem Verständnis geht es um drei Bereiche: Die lebenswichtigen Unternehmensdaten, die Logik, mit der die Daten verwaltet und verändert werden, und schließlich der Management-Prozeß, in dessen Verlauf Anwendungen entstehen. Das dafür nötige Know-how ist durch die Verschmelzung von Intersolv und Micro Focus in Merant zusammengeflossen.

CW: Sie wollen damit sagen, daß die Kunden das brauchen, was Merant hat: Cobol- und Mainframe-Erfahrung von Micro-Focus-Seite und von Intersolv Datenzugriffs-Middleware und Management-Werkzeuge wie PVCS. Deuten Sie sich hier die Welt nicht ein bißchen nach Ihren Bedürfnissen?

Greenfield: Nein, Sie haben das schon richtig erfaßt. Auf der Cobol-bestimmten Großrechnerseite sind wir nach der IBM das Unternehmen mit dem größten Know-how. Die anderen Werkzeuge helfen dabei, die dort existierenden Anwendungen und Transaktionen in eine moderne Web-Umgebung zu bringen.

CW: Fehlen Ihnen dafür nicht Infrastruktur-Produkte wie Applikations- oder Transaktions-Server?

Greenfield: Diese Art von Infrastruktur überlassen wir Partnerfirmen wie IBM, Bea, Sun oder Microsoft. Unsere Middleware integriert deren Werkzeuge, ohne die Transaktionen anzufassen. Wir stellen lediglich die Daten zur Verfügung.