Mit saechsischer Man-Power offene Datenwelten bieten

04.08.1995

Auf der Suche nach neuen Maerkten sahen nach der Wende nicht wenige westdeutsche Unternehmen ihre Chancen im geoeffneten Osten des Landes. Nicht jeder Anbieter kam im Guten, und von so manchem Gluecksritter blieben nur Schall und Rauch. Anders die Matthiesen Daten aus Duesseldorf: Das Systemhaus ist seit 1991 im Saechsischen aktiv und hat dort ein neues Werk gebaut.

Bekannt ist das saechsische Staedtchen Thalheim - etwa 25 Kilometer von Chemnitz entfernt - hoechstens Insidern. Zu DDR-Zeiten war hier neben der Elektro- und Elektronikindustrie sowie dem Maschinenbau auch der Sitz von Kombinatsleitung und Rechenzentrum des groessten ostdeutschen Strumpffabrikanten Esda (1989: insgesamt 10 000 Beschaeftigte).

Im mehr als 9000 Einwohner zaehlenden, idyllisch gelegenen Ort sind nach Wende und Privatisierung viele neue Handwerksfirmen entstanden. An das Rechenzentrum des frueheren Strumpfriesen, der im erzgebirgischen Auerbach weiterhin produziert, erinnert nur noch wenig. Von den rund 100 RZlern haben sich fast alle in der Region eine neue Arbeit suchen muessen. Den meisten soll das trotz einer Arbeitslosenquote von ueber 13 Prozent auch gelungen sein.

Bevor der DV- Dienstleister jedoch liquidiert wurde, versuchten drei Mitarbeiter des Rechenzentrums noch einiges zu retten. Auf der CeBIT '89 suchten sie nach einem westlichen Partner. Interesse bekundete die Matthiesen Daten GmbH aus Duesseldorf. Nach Sichtung des saechsischen Objekts kaufte das seit 1961 am Markt agierende "Systemhaus rund um die DV" die Reste der im Juni 1990 noch gegruendeten Rechenzentrum Thalheim GmbH von der Treuhand: die drei Techniker und die Immobilie.

Unter dem Namen Matthiesen Server Systems GmbH - seit Juli 1994 firmiert die saechsische Firma unter Matthiesen Daten GmbH, Niederlassung Thalheim, mit derzeit 16 Mitarbeitern - begann man eine neue Firma fuer die Produktion von Servern und Systemen sowie fuer den Service von Netzwerken aufzubauen.

Fuer Hermann Matthiesen, Gruender des Unternehmens (1994: 62 Millionen Mark Umsatz, insgesamt 145 Mitarbeiter), ist das Werk im Osten "ein zweites Bein und eine ideale Ergaenzung zu unseren Standorten Duesseldorf, Frankfurt am Main und Muenchen".

Im Raum Chemnitz haben sich Matthiesen zufolge seit Jahren Unternehmen aus der deutschen Bueromaschinenindustrie einen Namen gemacht. Zu DDR-Zeiten sei die Region hinter westlichem Standard zurueckgeblieben, doch heute gebe es hier Spezialisten, "die ihr Know-how fuer kundenindividuelle Loesungen zur Verfuegung stellen". Der damals eher zufaellig gewaehlte Standort habe sich zu einer Fertigungsbasis "mit kontinuierlichem Wachstum" gemausert.

2,5 Millionen Mark investierten die Duesseldorfer in den saechsischen Betrieb - und zwar "aus eigener Kraft und ohne fremde Gelder". Laut Geschaeftsfuehrer Hermann Bollenbach war das die weniger zeitraubende Variante.

Um finanzielle Zuschuesse zu bekommen, haette man diverse Klimmzuege machen muessen. Zumal die notwendige Neugestaltung der von einem norwegischen Unternehmen installierten und nicht mehr aktuellen technischen Fertigungsstrecke in einem dicken Konzeptionspapier haette bewiesen werden muessen.

Das umstaendliche Procedere haette der harte DV-Markt nicht abgewartet: "Dort geht es um schnelle Entscheidungen", und wer nicht sofort reagiere, habe das Nachsehen, so der Manager.

Bisher scheint man im Unternehmen den richtigen Blick fuer die Wuensche der Kunden zu haben: Neben Produkten wie dem "Disk Array MDA 5000", einem Multiprozessorsystem fuer SCO-Unix und Windows NT ("MPS 2020") mit einer Uebertragungsgeschwindigkeit von 400 MB/s und 19-Zoll-Technik sowie Softwareloesungen fuer das Personal- und Rechnungswesen biete man den Nutzern auch Rundum-Service an, erklaert Niederlassungsleiter Peter Vogel, und: "In kleinen Mengen assemblieren wir PCs fuer Gesamtprojekte." Im vergangenen Jahr machte das Werk damit mehr als zehn Millionen Mark Umsatz.

Waehrend das Mutterhaus in den alten Laendern weiterhin Banken und Versicherungen mit IT versorgt, sind die Ostdeutschen in Universitaeten, der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, dem Transportwesen sowie den oeffentlichen Verwaltungen praesent. Damit die Thalheimer auch in der breiten Oeffentlichkeit bekannt werden, hatte man im vergangenen Monat zu einem "Made-in-Sachsen- Erfahrungsaustausch" eingeladen. Rund 150 Vertreter aus Dresdner, Chemnitzer und Leipziger Unternehmen sowie Kommunen waren gekommen, um sich ueber das Leistungsangebot der Firma zu informieren. Ausser fuer diverse Fachvortraege interessierten sie sich vor allem fuer die Integration moderner IuK in bereits vorhandene Loesungen.

Die nach der Wende in die neuen Laender "mit Macht exportierte DV- Kraft westlicher Firmen" habe in einigen Unternehmen die Wissensdefizite nicht beseitigen koennen, meint Bollenbach. Die Anwender suchten nach individuellen Loesungen "fuer transparentes Rechnungswesen, elektronische Archivierung und ausfallsichere Datenspeicherung".

Stichwort Dienstleistungen: Auch bei Matthiesen hat sich der Wandel in der Branche bemerkbar gemacht.

Waehrend man in frueheren Zeiten gute Geschaefte mit dem Verkauf von DV-Systemen gemacht habe, seien heute eher komplette Angebote inklusive Service gefragt. Etwa 67 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen derzeit mit Dienstleistungen. Dazu gehoeren die Wartung von PCs und Servern, Betriebssystem-Support, Datenbank-, Intervall- sowie Full-Service.

Die ostdeutsche Niederlassung scheint im Markt "unsere Nische gefunden" zu haben. Bleibt es beim derzeitigen wirtschaftlichen Erfolg, soll aufgestockt werden, heisst es in der Geschaeftsleitung. Zwar nicht an Gebaeuden, aber an Mitarbeitern. Mehr als einhundert Beschaeftigte koennten in fuenf Jahren in Thalheim unter Vertrag sein.

Der zur Zeit von einigen deutschen Unternehmen beliebaeugelte Weg, die hohen Kosten zu druekken und die Produktion in Billiglohnlaender auszulagern, ist fuer Bollenbach kein Thema, sondern "volkswirtschaftlich bedenklich". Die Fertigung in der IuK sei zu hochspezialisiert, um sie in weniger gut qualifizierte Haende geben zu koennen. Man vertraue lieber auf das heimische Fachpotential.

Allerdings scheinen dazu die Meinungen geteilt zu sein. Fehler, so der Manager eines anderen deutschen Unternehmens, wuerden ueberall gemacht. Doch das Ausbuegeln der Maengel sei in Osteuropa oder Asien einfach billiger.

Dennoch: Die Matthiesen GmbH will ihre Visionen hierzulande verwirklichen. Dabei setze man nicht nur im eigenen Haus auf die saechsische Man-Power. Auch bei den Zulieferern "nutzen wir die Wirtschaftskraft dieses Bundeslandes und bevorzugen saechsische Lieferanten".