Mikros: Plage der Mainframes

03.07.1981

Zugegeben: Mit ihren eigenen Kleinrechner hat sie noch keine Installationsrekorde gebrochen - womit nichts gegen die Produkte selbst gesagt werden soll. Aber jetzt verkauft die Kölner Rair Computer GmbH auch IBM-Hardware- und das ist in der Tat eine kleine Sensation.

Bei dem neuen Bildschirm-Terminal 3101 überläßt es IBM nicht mehr allein der eigenen Vertriebsorganisation, gegen die zunehmend lästiger werdende Konkurrenz auf dem Terminal-Sektor vorzugehen. Das Teletype-ähnliche Niedrigpreis-Gerät wird auch über Distributoren verkauft, und die Rair-Leute gehören zu den Glücklichen, die das VDU-Terminal (Video Display Unit) als Wiederverkäufer im Programm haben.

Das erste IBM-Datensichtgerät, das mit dem Standard-ASCII-Code arbeitet, bieten die Kölner auch Nicht-lBM-Kunden an - darin wird IBM den eigentlichen Vorteil dieser Vertriebsliaison sehen.

In den "schmutzigen" OEM-Kanal (permanente Preiskämpfe) mochte der Universalrechner-Gigant noch mit der 3270-Datenstation nicht hinabsteigen, hatte es bei diesem Marktrenner auch nie nötig. Die "Schiffssirene" verkaufte sich wie warme Semmeln. Nachdem IBM jetzt die 3270-Klasse um das Farbgrafik-Modell 3279 erweitert hat, braucht man sich um den Erfolg dieser Serie erst recht nicht zu sorgen.

Aber der 3270-Bereich ist nun mal nicht der ganze Terminal-Markt: Intelligente Einplatz- und Mehrplatz-Stationen mit Verarbeitungsfähigkeiten sind im Kommen. Das "Distributed Data Processing"-Geschäft blüht. Und hier hat IBM bisher nicht sehr glücklich operiert. Mußte das verkappte Datensammelsystem 3790 noch als DDP-Prototyp angesehen werden, mit dem "Big Blue" den Markt testen wollte, so war man mit dem Informationssystem 8100 auf große Stückzahlen und aufs große Geld aus. Der Durchbruch ist, wie man weiß, noch nicht gelungen.

Im 3101-Massengeschäft will IBM freilich nichts anbrennen lassen. Der ganz unspektakulär vollzogene Schritt in den OEM-Markt (siehe oben) markiert aber auch in anderer Hinsicht einen Wendepunkt in der Marketing-Politik des "lndustry Leaders". Experimente mit neuen Vertriebsformen und -methoden paßten bislang nicht in die Klischeevorstellung von einem Hersteller, der de facto allein eine ganze Branche repräsentiert.

Man muß umdenken: So rückt jetzt auch in den Bereich des Möglichen, daß sich IBM beim bevorstehenden Einstieg in den geradezu explosionsartig wachsenden Mikrocomputer- und Personal Computer-Markt "fremder" Produkte bedient, wie seit längerem vermutet wird.

Daß IBM den Mikro-Sprung früher oder später wagen muß, steht für Branchen-Kenner außer Frage.

Der Mainframe-Riese läuft nämlich sonst Gefahr, beim Abstecken der dicksten Claims abseits zu stehen - Tandy, Apple und Commodore haben sich bekanntlich schon große Stücke aus dem Kleincomputer-Kuchen herausgeschnitten. Sie bestimmen das Innovationstempo, setzen die Standards - konsequenter und zielstrebiger, als es IBM lieb sein kann.

Dies könnte die Position des Mainframers entscheidend schwächen. Bereits nach heutigem Stand hat sich durch die Invasion der "Zwerge" ein auffälliges Mißverhältnis zwischen dem IBM-Anteil am Universalrechner-Markt und dem Anteil der Armonker am DV-Gesamtmarkt herausgebildet. Immerhin ein Drittel des DV-Umsatzes wurde 1980 mit Minis und Mikros realisiert. Und der Mikro-Anteil wächst weiter. Wie lange kann es sich IBM noch leisten, draußen vor der Tür zu stehen?