Die MMG will Otto Endverbrauchers Berührungsängste abbauen

Mikrocomputer-Salon: Kein Treffpunkt für Löwen

08.11.1985

MÜNCHEN - "Die Systems ist eine Messe für Anwender", erklärte die Münchener Messe- und Ausstellungsgesellschaft mbH (MMG). Damit waren 60 Prozent der rund 100 000 Besucher gemeint. Ein Herz für Newcomer in der Kleinst-DV hat sie dennoch: So will der Mikrocomputer-Salon 85 eine Sonderausstellung "speziell für DV-Einsteiger" sein.

"Wir haben den Bereich Mikrocomputer weiter ausgebaut", bekundete MMG-Geschäftsführer Gerd vom Hövel, "sowie ein umfangreiches Informationspaket für Erstanwender geschnürt." Diese Spezies erwarteten die Münchner Messe-Macher vor allem aus den Bereichen Handwerk, Groß- und Einzelhandel sowie Dienstleistungen und den freien Berufen wie Anwälte, Ärzte, Apotheker, Landwirte und Steuerberater. Auch Lehrer aus unterschiedlichen Schultypen sollten hier ihre Technik-Scheu überwinden können.

Zwei Sonderschauen im Salon - "Mikrocomputer im Beruf" und "Computer und Schule" - wollten dazu Gelegenheit geben. Rund 120 Aussteller sowie 13 berufsständische Organisationen und Verbände präsentierten nach Angaben der MMG ihr Angebot in den Hallen 21 und 22, ausgerichtet auf diese Zielgruppen. "Wie vor zwei Jahren auf der Systems wurde der Mikro-Bereich diesmal ebenfalls ausgelagert", so die MMG-Pressestelle, weil man sowohl mit dem Eintrittspreis - zehn Mark zum Aufstocken - als auch mit dem Informationskonzept für nicht nur kommerziell Interessierte "gute Erfahrungen gemacht habe Die Einsteigerhallen wurden außerordentlich gut angenommen. Dumme Fragen waren hier erlaubt. Das Bekenntnis, selbst ein Einsteiger zu sein, fiel den meisten indes schwer. Nach den ersten drei "äußerst hektischen Tagen" hieß es für die MMG bereits: Im Halbzeit-Vorjahresvergleich war ein Zuwachs von mehr als 30 Prozent an Besuchern zu zählen.

Ein Kompaß für Otto Endverbraucher

Neutrale Berater von Branchenverbänden standen zur persönlichen Beratung zur Verfügung.

"Jede Frage ist erlaubt", warben die Veranstalter der Sonderausstellung forsch, "und jede Frage wird beantwortet." Als Hilfe gaben sie dem - nicht nur durch den Technik-Trubel möglicherweise verunsicherten - Besucher einen Kompaß zur Orientierung an die Hand. Mit der Checkliste "Wie lasse ich mir einen Computer vorführen?" sollte es Otto Endverbraucher möglich sein, an den Messeständen in die richtige Richtung zu "bohren"

Dem vielleicht schon enervierten Besucher war zu raten, ein ebenso forsches "Test-Prinzip" bei der Tuchfühlung mit dem Rechner auf den Messeständen zu verfolgen: etwa für den Nutzer-Alltag typische Fehler wie Vertippen, Storno etc. zu begehen, zu prüfen, ob - beispielsweise wichtig für die Aushilfe - nach der Dokumentation die Bedienung des Geräts gelernt werden kann oder wie weit der Computer deutsch "spricht" - in Menüs, bei Umlauten, auf der Tastatur.

Wer plante, sich einen Mikro zuzulegen, bekam ebenfalls eine Checkliste an die Hand: "Die wichtigsten Zahlen aus meinem Betrieb" sollten den Kaufinteressenten Planung und Auswahl eines DV-Systems erleichtern. Weiterhin konnte der schon erfahrene Anwender anhand DV-orientierter Betriebsübersichten individuelle Bedürfnisse - etwa den

Ausbau der bereits vorhandenen "Power" - formulieren und das Salon-Angebot daran messen.

Computer im Kreuzverhör

Unterdessen lief, so die Messe-Planer, im "Aktuellen PC-Studio" ein achtstündiges Informationsprogramm Vertreter verschiedener Branchenverbände erläuterten in kurzen Referaten Aspekte zum Thema "Einführung von DV-Systemen in Klein- und Mittelbetrieben", Philosophien, Konzepte und Strategien, den Mikrocomputer anwendergerecht zu gestalten, wurden diskutiert wie auch der Einsatz lokaler Netzwerke und die Kommunikation von Kleinstrechnern mit dem Hostbereich. Gespräche mit Anwendern stellten weiterhin Lösungen etwa für die Warenwirtschaft oder die Anwaltskanzlei vor. In Diskussionsrunden und bei Produktpräsentationen auf dieser zum Rundfunkstudio ausgebauten "Aktions-Bühne" kamen Stärken und Schwächen von Rechnersystemen zur Sprache. Bei "Computer im Kreuzverhör" wurden Hersteller von Experten zu aktuellen Branchenlösungen befragt; auch die Leistungsfähigkeit der Kraftzwerge wurde unter die Lupe genommen. Der Besucherandrang richtete sich nach dem Bekanntheitsgrad der unterschiedlichen Themen, mußten die MMG-"PC-Manager" feststellen. Ein Rekord dabei war wohl der Auftritt des Computerpioniers Konrad Zuse. "Auf jeden Fall gut angekommen" sei das Konzept der Sonderschauen und Ausstellungen über Anwendungen. An Branchenschwerpunkttagen standen Kollegen des potentiellen Anwenders, die schon DV-Erfahrung aufzuweisen hatten, zur Beratung bereit.

Mikros im Klassenzimmer

Die Sonderschau "Computer und Schule" richtete sich zuerst an Lehrer, darüber hinaus an eine "weitere Öffentlichkeit", sagte das als Organisator aktive Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung (ISB). Diese Schau stand unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für Programmierten Unterricht und Computer. Den Rahmen bildete, so die Planung der Veranstalter, das Gesamtkonzept für die informationstechnische Bildung in der Schule.

Angebunden an diesen Abriß des Status quo sollte die künftige Verwendung von Rechnern im öffentlichen Schulwesen gezeigt werden Schwerpunkt dabei: Anbieter sinnvoller Schul-Software anzusprechen. Die einzelne Lehrkraft konnte dabei über die eigene Schulart hinausblicken. So standen von der Hauptschule über Schulen für Behinderte bis zu beruflichen Schulen und Gymnasien Darstellungen laufender Versuche zum Informatik-Unterricht zur Ansicht. Schulartspezifische Anwendungen sollen übergreifende Beispiele wie Unterstützung der Schulverwaltung oder Rechnereinsatz im Fachunterricht, aber auch der Lehrerfortbildung ergänzen. An vom Ministerium empfohlenen Computertypen - Apple, Commodore, Sanyo, Siemens und Triumph-Adler - wurde darüber hinaus die Verwendung im Unterricht täglich vorgeführt.

Rahmen-Renner war Kl

Für das gesamte Messe-Rahmenprogramm schätzte vom Hövel zur Messe-Halbzeit rund 6000 Teilnehmer. Fachseminar- und Benutzergruppenseminar-Programm wie auch die Tagungen hatten einen unerwartet hohen Zuspruch: So besuchten die Veranstaltung der Gesellschaft für Informatik mit dem Thema "Künstliche Intelligenz" 1200 Teilnehmer. Die MMG war von etwa 300 ausgegangen. Ein ebenso hohes Ergebnis konnte der CAD-Kongreß mit 1200 Anmeldungen verbuchen.

Diese Art von Messewesen kann nach Gerd vom Hövel als "ein zweiter oder dritter Bildungsweg" gesehen werden, wenn sich eine Vielzahl von Besuchern auf dieser Veranstaltung weiterbilden ließe. Gerade auch für die Bereiche Kommunikation und Telekommunikation - Schwerpunkte der nächsten Systems - seien da Chancen zu nutzen. Der Münchner Messe-Chef appellierte an die Bereitschaft der öffentlichen Bildungsinstitutionen: "Dies ist von der Gesamtbildungspolitik stärker aufzugreifen".