Redmond vs. Walldorf

Microsoft sitzt SAP im Nacken

12.05.2010
Von RAAD Research
SAP hat in den letzten Jahren im deutschen Mittelstand an Akzeptanz gewonnen, doch sieht sich der Weltmarktführer in diesem Markt sowohl einer hohen ERP-Systemdurchdringung als auch einer Vielzahl von Wettbewerbern ausgesetzt. Diese bemühen sich ebenfalls um die eher spärlich gesäten Migrationsprojekte bei deutschen Mittelständlern. Im deutschen ERP-Markt bei Unternehmen ab 100 Mitarbeitern ist Microsoft heute hinter SAP die Nummer zwei am Markt.

Zu einem großen Herausforderer von SAP, nicht nur im deutschen Mittelstand, sondern auch im weltweiten ERP-Markt, ist Microsoft erwachsen. Trat Microsoft vor 15 Jahren noch mit nur wenig mehr als der Idee an, in den Markt für Business Software einzusteigen, so ist hieraus mittlerweile eine Kundenbasis von mehr als 75.000 Kunden weltweit entstanden. Im deutschen ERP-Markt bei Unternehmen ab 100 Mitarbeitern ist Microsoft heute hinter SAP die Nummer zwei am Markt, wie eine Befragung von RAAD bei mehr als 1.300 Non-SAP-Anwendern ergab, die im November letzten Jahres abgeschlossen wurde.

Insgesamt 22% der befragten Unternehmen nannten Microsoft als wichtigsten ERP-Hersteller für ihr Unternehmen. Der Erfolg von Microsoft im deutschen Mittelstand lässt sich vor allem daran ablesen, dass sich der Anteil der Unternehmen, die eine Microsoft-Finance-Applikation einsetzen, seit der Übernahme von Navision im Jahre 2003 auf 18% knapp verdoppelt hat. Ähnlich wie SAP bietet Microsoft für unterschiedliche Kundengruppen verschiedene Produkte unter dem Label Microsoft Dynamics an. In Deutschland sind allerdings lediglich die ERP-Lösungen AX (Axapta) im gehobenen Mittelstand und vor allem NAV (Navision) im Mittelstand und unteren Mittelstand als Konkurrenz zu SAP All-in-One oder SAP Business ByDesign in signifikanter Anzahl bei Kunden im Einsatz.

RAAD-Funnel
RAAD-Funnel

Die Portierung und Integration der verschiedenen Dynamics-Produkte GP, SL, AX und NAV unter dem Projektnamen Green wurde von Microsoft schon vor längerer Zeit ad acta gelegt. Dies liegt unter anderem daran, dass das Investment – sowohl von Kunden über Customizing, als auch der Partner, die ihre Industriekompetenz auf Basis einer Dynamics-Basislösung entwickelt haben – bereits zu hoch war. Daher wäre eine Migration auf eine gemeinsame ERP-Basis für alle Seiten zu aufwändig gewesen. Deshalb konzentriert sich Microsoft bei der Integration der unterschiedlichen Produktlinien auf eine gemeinsame Integrationsbasis mit der .NET-Technologie und auf bestehende Microsoft-Softwareinfrastruktur wie den SQL-Server und Sharepoint, aber auch auf die wichtige Integration zur neuen Office 2010 Produktfamilie. Sowohl das Windows-Betriebssystem als auch das Office-Paket ist in mittelständischen Unternehmen weit verbreitet. Die ERP-Integration in die Office-Welt verschafft dem Endanwender eine hohe Vertrautheit mit seinen gängigen Arbeitswerkzeugen auf dem Desktop. Microsoft nennt diese Strategie Familarity.

Wie dicht die beiden Softwareriesen SAP und Microsoft in der Gunst des deutschen Mittelstandes mittlerweile beieinander liegen, lässt sich an einer aktuellen RAAD-Funnelauswertung ablesen. Hierzu wurden IT-Leiter der Unternehmen, die bisher nicht ERP-Kunden des jeweiligen Softwarehauses waren, zunächst nach der Bekanntheit (Awareness) der Softwarehersteller befragt und anschließend gefragt, ob die Software des Herstellers für ihr Unternehmen in Frage käme. Es zeigt sich, dass Microsoft und SAP auf den beiden Stufen Awareness und Evaluation annähernd die gleichen Werte erzielen. Die Bekanntheit liegt, wie zu erwarten war, jeweils bei 100% der Befragten. Für jeweils knapp weniger als die Hälfte der Unternehmen kommen sowohl Microsoft als auch SAP grundsätzlich als Lieferant von ERP-Software in Frage.

Lediglich auf der letzten ausgewerteten RAAD-Funnelstufe, dem Engagement, schneidet SAP deutlich besser ab als Microsoft. So hatten sich 2,2% der Unternehmen zum Befragungszeitpunkt für ein Produkt der SAP entschieden, während Microsoft hier auf einen Wert von 1,4% kommt. Bezogen auf alle beobachteten Planungen konnte SAP somit ca. 15% aller Geschäftsabschlüsse für sich gewinnen, während Microsoft etwa 9% gewinnen konnte. Da sich die Softwarehersteller in ihrer Produktstrategie ähneln – beide fokussieren auf die Fertigungsindustrie, den Handel oder auch den Dienstleistungssektor und beide setzen in ihrer neusten Softwaregeneration jeweils auf ein rollenbasiertes User-Model – wird es in Zukunft spannend zu beobachten sein, wer sich im Mittelstandsmarkt durchsetzen wird.

In beiden Fällen fällt den jeweiligen Vertriebspartnern eine entscheidende Rolle zu. Beide Unternehmen vertreiben ihre Software im Mittelstand über Partner. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied: während Microsoft viele, vor allem kleine Partner hat, wirft SAP vergleichsweise wenige, aber teilweise sehr große Partner ins Rennen um die Gunst der Kunden. Entscheidend wird sein, welche Partner im Mittelstand die beste Qualität liefern.

Über RAAD Research

RAAD Research erstellt Marktstudien und Analysen im Umfeld von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware. Die relevanten Markttrends in Bezug auf Softwaresysteme, Infrastruktur und IT-Dienstleistungen werden durch empirische Marktforschung auf wissenschaftlich fundierter Basis ermittelt, analysiert und verständlich aufbereitet.