MC-Lindinger

MC-Lindinger: "Ich suche die kreativen Freaks"

07.03.2003
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Es muss nicht immer die Großstadt sein und auch nicht immer ein Konzern, der einem interessante Jobperspektiven verschafft. Wie wäre es beispielsweise mit einem mittelständischen Softwarehaus in Niederbayern?

Nein, es ist kein Loft in einer der großen Medienstädte, und auch der Geschäftsführer zählt nicht zu den smarten Youngstern, die einen MBA in Amerika absolviert haben, das Marketing-ABC runterbeten und meinen, mit einer Idee rund um das Internet die Welt verändern zu müssen. MC-Lindinger - so der Name des Softwarehauses - ist über 20 Jahre alt und hat seinen Sitz in Ruhstorf bei Passau, nicht weit von der österreichischen Grenze. Das jetzige Gebäude, welches das Softwarehaus erst vor zwei Jahren bezog, kann es aber durchaus mit jedem New-Economy-Bau aufnehmen.

Die Firma liegt am Stadtrand, daneben ein Pferdestall, dahinter Natur pur mit Wiese, Bäumen, einem Bach. Das Haus hat alles, was das Arbeiten angenehm macht - was auch das Ziel des Besitzers und Chefs Alois Lindinger war, als er das neue Firmendomizil konzipierte: große Räume mit viel Licht, freundliche Aufenthaltsräume, Fitness-Raum, Schwimmbad, Tischtennis-Raum.

Alois Lindinger
Alois Lindinger

Lindinger entwickelt mit seinen rund 50 Mitarbeitern Software für Apotheken, Zahnarztpraxen und die Getränkeindustrie. Es sind in erster Linie Warenwirtschafts- und Logistiksysteme, die diese Anwendergruppen vor allem beim schnelleren und besseren Verwalten ihrer Prozesse unterstützen. Mittlerweile nutzen mehr als 5000 Apotheken seine Anwendung, was über 25 Prozent Marktanteil in diesem Segment bedeutet. Um den Benutzern eine möglichst flexible Lösung anbieten zu können, hat er eine eigene 4-GL-Sprache, MC-Script, konzipiert. Entstanden ist sie als Antwort auf die Anforderungen der Kunden, die oft die am Markt existierenden Systeme als zu mächtig und zu teuer empfanden.

Lindinger hat sehr früh auf offene Systeme gesetzt und ist auch heute ein Verfechter solcher Konzepte. Das hat zur Konsequenz, dass beispielsweise ein Bewerber schon im Einstellungsgespräch Farbe bekennen muss: "Ich frage jeden Kandidaten nach seiner Haltung zu Microsoft." Nicht dass der studierte Wirtschaftsinformatiker explizit etwas gegen den Softwareriesen aus Redmond hat, nur hat er die Erfahrung gemacht, dass die Microsoft-Anhänger weniger kreativ sind als die Open-Source-Informatiker. Erstere würden immer sofort "einkaufen" wollen. "Ich bevorzuge die Freaks, die sich immer zuerst selbst eine Lösung ausdenken."

Auch zur Teamarbeit hat Lindinger eine klare Meinung. Er akzeptiert in der Programmierung keine Tele- oder sonstige Form der flexiblen Arbeit, die nicht in seinen Büros stattfindet. Die Reibungsverluste durch Abwesenheit und unnötige Abstimmungsprozesse seien ihm viel zu groß. Das bestätigt auch die junge Wirtschaftsinformatikerin Monika Bruckmeier, die vorigen Sommer im Ruhstorfer Softwarehaus begonnen hat. Sie arbeitet als Anwendungsentwicklerin in einem siebenköpfigen Team, das sich um die Zahnarztsoftware kümmert. Die Gruppe sitzt in zwei großen Räumen mit geöffneten Türen, und das Ganze könne aus ihrer Sicht nur deshalb so effektiv laufen, weil ein ständiger Austausch stattfindet. "Jeder hilft jedem", versichert sie.

Überstunden sind die Ausnahme

Bei der Jobsuche hat sie Konzerne ausgeschlossen, weil sie "keine Nummer" sein will, aber auch bei einem ganz kleinen Unternehmen wollte sie nicht unbedingt anheuern. Lindinger achtet strikt auf eine geregelte Arbeitszeit, was der Bewerberin Bruckmeier im Sommer 2002 imponierte. Überstunden müssen die Ausnahme sein, ist sein Bestreben. Das, was Manager in Seminaren heute mehr denn je predigen, die "work life balance", wie es auf Neudeutsch heißt, wird dort mit großer Selbstverständlichkeit praktiziert. "Ich bin kein Anhänger einer Philosophie, die nach dem Prinzip funktioniert, aus den Mitarbeitern in den ersten Jahren alles rauszuholen, um sie dann fallenzulassen."

"Work-Life-Balance" bei MC-Lindinger
"Work-Life-Balance" bei MC-Lindinger

Das belegt die geringe Fluktuationsrate, die "nicht erwähnenswert" sei. Und auf noch eine Leistung ist Unternehmer Lindinger stolz. In der 22-jährigen Firmengeschichte hat er noch keinen Mitarbeiter wegen Auftragsmangels entlassen müssen. Auch in puncto Bezahlung vertraut der Firmenchef seinem gesunden Menschenverstand. "Wer ein Incentives-System nötig hat, der macht was falsch", lautet sein Credo. Auch seinen nächsten Satz könnten sich Konzern-Manager ins Stammbuch schreiben: "Wohlbefinden ist wichtiger als Gehalt."

Wobei ihm klar ist, dass sich mit Fitness-Raum und Schwimmbad allein die Leute nicht in ein Unternehmen locken lassen - das hat die jüngste Vergangenheit oft genug gezeigt. Die Aufgaben stünden auf jeden Fall im Vordergrund, und die, das versichern der Senior- und auch die Junginformatikerin unisono, seien aufgrund der Vielfalt und der hohen technischen Ansprüche im Ruhstorfer Softwarehaus spannender denn je.