Österreich im Diebold-Parisini-Spiegel

Markt-Paradox: IBM auf Platz 7 versteckt

05.06.1981

WIEN (eks) - 32 500 Computer waren nach der neuesten Diebold-Parisini-Statistik am 1.1. 1981 in Österreich installiert. Ihr Wert betrug fast 19 Milliarden Schilling. Damit wuchs Österreichs EDV-Kapazität im Jahr 1980 um etwa 7000 Rechner und 2,1 Milliarden Schilling.

Bis zum Vorjahr war der Bestand in drei Rechnergruppen gegliedert: A = Universelle Computersysteme, B = Prozeßrechner und Minicomputer, C = Kleincomputer und Terminalsysteme. Dies bewirkte, das bereits seit mehreren Jahren die Gruppe C über 80 Prozent der Installationen stellte. Um diesen unübersichtlichen Zustand zu beenden, unterteilte Otto Wächter, bei Diebold-Parisini für die Erstellung der österreichischen Computerstatistik verantwortlich, die Gruppe C in vier neue Untergruppen (siehe Tabelle 1). Die neue Einteilung unterstützt eine bessere Beurteilung der Entwicklung in einzelnen Anwendungsgebieten.

Zurück zum Universalrechner

Mit zunehmender Intelligenz sämtlicher Geräte verwischen die Grenzen zwischen den Rechnergruppen allerdings zusehends. Die Zugehörigkeit zu einer Rechnergruppe wird mehr und mehr von der Anwendung bestimmt. Sie läßt sich daher aus den Hersteller-Meldungen nurmehr ansatzweise entnehmen.

Warum ist eine Philips P350 ein Bürocomputer (C1), eine P350D oder ein IBM System /32, ein Universalrechner (A) ? Die Einordnung der IBM 5260 und 5280 als Bürocomputer spiegelt wohl mehr den Wunsch des Herstellers wider, ein "System /33" zu haben. Der Haupteinsatz des als 3740-Ablöse konzipierten Systems liegt zumindest derzeit bei der Datenerfassung (D).

Die fast ausschließliche Einordnung der DEC-Systeme als Prozeßrechner (B) verhilft diesem Hersteller zwar zur durchaus verdienten Marktführung in dieser Rechnergruppe. Unberücksichtigt bleibt aber, daß die PDP-11-Modelle insbesondere in Erzeugungsbetrieben auch die kommerzielle EDV erfolgreich bestreiten. Sie konkurrieren beispielsweise mit den als Universalrechnern eingestuften Systemen Honeywell Bull Mini 6 oder Hewlett Packard-3000.

Und ein auf den ersten Blick als Tischrechner völlig richtig klassifiziert scheinender Tandy TRS80-lI läßt sich mit bis zu 16 Arbeitsplätzen konfigurieren. Er stößt damit in Aufgabengebiete vor, die unter anderem von Prime, MAI oder ICL mit Systemen abgedeckt werden, die in A eingereiht sind. Der ebenfalls als Tischrechner gewertete Philips P2000 gewann unlängst die Ausschreibung für ein Datenerfassungssystem der Universität Linz. Diese Beispiele zeigen, daß die Einteilung in Rechnergruppen nur scheinbar hilfreich ist und allenfalls die Marketingleute einiger Hersteller mit "Medaillenrängen" in einer Klasse erfreut.

Sinnvoll könnte es in Zukunft sein, statt einer Gruppenklassifizierung ein und mehrere Einsatzgebiete anzugeben. Damit ließen sich zwar die einzelnen Rechnergruppen nicht mehr zu Gesamtinstallationsziffern summieren, doch würde der Aussagewert innerhalb der Einsatzgebiete größer. Aus diesen Gründen wurde bei den folgenden Analysen auf einzelne Rechnergruppen nur teilweise eingegangen.

Billig, billiger, Kleincomputer

Der Preisverfall der Hardware, vor allem bei Kleinsystemen, spiegelt sich in der Einführung einer Größenklasse 0 mit einem Kaufpreis bis zu 80 000 Schilling, wodurch die Größenklasse 1 nunmehr den Bereich von 80 000 bis 175 000 Schilling abdeckt.

Auch hier ist die Einordnung oft künstlich oder auch unsicher. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, daß bei immer mehr Modellen zur Angabe "von - bis" Zuflucht genommen werden muß. Auch hier scheint eine weniger feine Abstufung und Zusammenfassung von Größenklassen für echte Positionsbestimmungen notwendig (siehe Tabelle 1).

Anlaß zu bissigen und bitteren Herstellerkommentaren gibt stets die Einschätzung des Wertes der installierten Anlagen. Wächter wertet nach fünf Jahren auf 50 Prozent, nach neun Jahren auf 25 Prozent des Kaufpreises ab. Dies benachteiligt naturgemäß Hersteller mit umfangreicher, aber alternder Installationsbasis, die ihre Kunden nicht laufend auf neue Systeme hetzen. Fühlte sich im Vorjahr Honeywell aufs Magnetband getreten, so grollt heuer Univac. Allerdings bestätigen auch die Installationsziffern im Verhältnis zu denen anderer Hersteller mangelnden Fortschritt. Angesichts der und der grundsätzlich berechtigten, in Einzelfällen aber willkürlichen Abwertung spiegeln Wertangaben mit Genauigkeiten von 0,1 Millionen Schilling eine nicht vorhande Exaktheit vor. Hier ist Mut zur Rundung zu fordern. (In Tabelle 3 wurde jeweils auf 5 Millionen, bei Summen auf 25 Millionen Schilling gerundet. Dadurch sind Additionsdifferenzen möglich).

Der Vergleich von Installationszahlen hat den Nachteil, einen IBM 3033-Jumbo mit einem Apple in einen Korb zu werfen, wobei letzterer weniger kostet als die Operator-Tastatur des ersteren. Trotzdem ist eine Analyse der installierten Einheiten, vorsichtig

angewandt, recht aussagefähig. Grundsätzlich sagt die Statistik eines Jahres in einem absolut wachsenden Jahr wenig aus.

Wesentlich interessanter ist die Beobachtung von Veränderungen über mehrere Jahre.

Mit Aufnahme der Rechnergruppe "Tischcomputer" erfolgte eine beträchtliche Ausweitung der Zahl der registrierten Computermodelle um fast ein Drittel. Verdienstvollerweise

versuchte Wächter gleichzeitig die Installationsmittel rückwirkend zu vermitteln. Dies hat teilweise erstaunliche Konsequenzen. So wurde das Datasaab-Modell D16/10 im Vorjahr mit 650 neuen Einheiten angegeben, heuer aber rückwirkend auf eher zutreffende 155 Stück zurückgestuft. Ein ähnliches Schicksal wird nach Meinung mancher Fachleute Commodore treffen. Hatte doch der Generalimporteur Steiner noch Mitte 1980 erklärt, bald werde das 1000ste System ausgeliefert. Per 1.1.1981 findet er sich mit über 3000 Installationen bereits an dritter Stelle aller Hersteller, was nicht überall geglaubt wird.

Mit allen erwähnten Vorbehalten zeigt die Analyse nach Rechnergruppen und Größenklassen:

þDen größten Anteil am ziffernmässigen Zuwachs haben die Tischcomputer, deren Bestand sich binnen eines Jahres mehr als verdoppelt hat.

þEbenfalls überdurchschnittlich wuchs der Bestand an Bürocomputern, von denen mittlerweile mehr installiert sind als MDT-Anlagen. Im Vorjahr war das noch umgekehrt.

þDie Mittlere Datentechnik (MDT) ist auf dem Rückzug. Der Bestand schrumpfte.

þDie meisten installierten Systeme kosten zwischen 80 000 und 350 000 Schilling.

þDie größte Zuwachsrate, bezogen auf den Bestand des Vorjahres, verzeichnen Systeme der Größenklassen 4 im Schnittpunkt der kleinen Universalrechner und der großen Bürocomputer.

þAuch die Jumbos nehmen weiter zu. Der Bestand in der Rechnerklasse 10 hat sich in den letzten beiden Jahren verdreifacht.

þDafür klafft bei den Größenklassen 6 bis 9 ein deutliches Wachtumsloch. Dies läßt auf fortschreitende Dezentralisierung schließen, bei der auch größere Unternehmen EDV-Anwendungen auf mehrere Anlagen der unteren Mittelklasse verteilen.

Die Analyse einzelner Hersteller nach Installationsziffern aller Größenklassen liefert interessante Aufschlüsse:

þPhilips führt nach wie vor mit der größten Zahl der installierten Systeme und hält nun bei mehr als 6000 Einheiten.

þOlivetti, das 1979 mit dem stärksten Zuwachs zu Philips aufgeschlossen hatte, konnte diese Position zwar halten, aber nicht mehr weiter verbessern.

þAuf den dritten Platz vorgeprescht ist Commodore.

þIBM versteckt sich angesichts einer immer wieder geführten Monopoldiskussion sicher gern auf Platz 7. Bezogen auf die eigene Installationsbasis war der Zuwachs indes überdurchschnittlich.

þEinen Höhenflug machte Hewlett-Packard, das von einem 27. Platz unter 50 im Jahr 1979 auf den 10. Platz von 64 Anbietern vorstieß. Und dies, obwohl die HP85 mit sicherlich dreistelligen Installationsziffern unberücksichtigt blieb.

þInsgesamt ist der Anteil der Marktführer gesunken. Die elf Firmen, die 82 Prozent der Systeme lieferten, verzeichneten vor zwei Jahren noch einen Anteil von 85 Prozent. Deutlicher sieht man dies bei den Spitzenreitern. War 1979 noch jedes zweite System von Philips oder Olivetti, so ist es heute nur mehr jedes dritte.

þEinen größeren Zuwachs als im Vorjahr hatten Philips, Commodore Triumph-Adler, IBM, NCR, DEC und HP sowie die hier nicht im Detail genannten.

Betrachtet man die obere Hälfte der Größenklassen mit Installationswerten von 700 000 Schilling aufwärts, dann bietet der DV-Markt in Österreich sein gewohntes Bild:

þIBM stellt ein Viertel aller Installationen, mußte aber trotzdem eine schleichende Erosion hinnehmen - vor zwei Jahren war es noch ein Drittel.

þDen größten Teil des Zuwachses teilen sich NCR und SAT, in Osterreich vertreten durch Schrack. Hier ist anzumerken, daß die SAT praktisch ausschließlich Prozeßsteuerungen installiert und mit den anderen Herstellern, ausgenommen DEC, nicht vergleichbar ist.

þBemerkenswert ist auch hier der Aufstieg von Hewlett-Packard.

þEinen Rückgang bei den absoluten und anteiligen Zuwachsraten mußten unter anderem Siemens, Kienzle, DEC und Univac hinnehmen.

þWährend bei den Kleincomputern die Zahl der Anbieter eher wächst, ist bei den größeren Systemen eine Konzentration im Gange.

Besonders hart traf es Univac: Kein einziges zusätzliches System über 700 000 Schilling konnte installiert werden. Kennzeichnend für diese Lage ist die Österreich-Ankündigung des Univac System 80 vier (!) Jahre nach dem IBM System /34.

Univac-General Robert Kobler tröstet sich mit einer Umsatzsteigerung um 11 Prozent. Seine markige Ansage, man werde sich nun energisch an die Ablöse von Systemen anderer Hersteller machen, klingt ein wenig nach Pfeifen im finsteren Wald.

Je größer die Computer werden, desto stärker tritt die IBM-Dominanz und damit auch die Ursache der starken Position bei den Installationswerten zutage (siehe Tabelle 2).

Die Zahl der Anbieter reduziert sich schließlich auf zwei, IBM und Univac. Nimmt man die Klasse 9 dazu, halten auch Siemens, Honeywell Bull und NAS (vormals Itel) mit.

Nach Diebold-Parisini-Spielregeln waren Österreichs Computer am Neujahrstag 18,85 Milliarden Schilling wert (Tabelle 3). Davon entfielen ein Drittel auf IBM. Trotz des absolut größten Zuwachses verlor der Marktführer damit drei Prozent gegenüber den Verfolgern. Die vielen Jahre der Hatz auf den blauen Riesen erinnern mittlerweile ein wenig an das Paradoxon von Achilles und der Schildkröte. Nach wie vor erreicht der nächste Konkurrent nur ein Drittel der IBM-Größe. Der Marktführer seinerseits ist so groß wie die nächsten vier Verfolger zusammen.

Dritter ist die Siemens AG, die in den letzten Jahren den Abstand zum vierten Univac verdoppeln konnte. Dafür rückt Nixdorf dem Computer-Erfinder* auf den Pelz und würde ihn bei gleichbleibenden Zuwachsraten bis 1983 überholen. Während Nixdorf und Olivetti ihre Basis überdurchschnittlich erweiterten, stagnierte Kienzle.

* Im Mai 1951 wurde der erste kommerziell genutzte Computer der Welt in Dienst gestellt, der Univac 1.