Count-Fachsymposium: Erfahrungen mit Datex-P

Man umhülle SNA mit einem X.25-Mantel

29.10.1982

BÖBLINGEN - Schwarz auf blau (wie auch sonst) findet man den IBM-Kommentar im Tagungsband der letzten Count-Tagung. IBM arbeitet seit zwei Jahren mit Datex-P. Das Resümee: Datex-P funktioniert, und die Deutsche Bundespost ist ein kooperativer Partner. Gleiche oder ähnliche Aussagen waren auch von anderen Herstellern sowie aus den Bereichen ernsthafter Datex-P Anwender zu hören. Wo so viel Licht ist, muß auch Schatten sein. Eine Weisheit, die ganz sicher für den Daten-Paket-Vermittlungsdienst der Deutschen Bundespost ebenfalls zutrifft. Für den aufmerksamen Beobachter überwog schließlich der positive Eindruck.

Eingeladen zu diesem zweitägigen Erfahrungsaustausch über Datex-P hatte die Count-Benutzer-Vereinigung. Die mit 150 Teilnehmern voll besetzte Veranstaltung in der Böblinger Kongreßhalle gab Datex-P-Anwendern Gelegenheit, ihre Erfahrungen kundzutun. Einige Hersteller nahmen die Chance war, Lösungsvorschläge rund ums Daten-Päckchenpacken vorzuzeigen. Last not least war selbstverständlich der Netzwerkbetreiber präsent. Wie so oft in der wohl bekannten Doppelrolle Kunden und Interessenten informieren, zugleich aber auf der Anklagebank sitzen zu müssen, mit offenen Ohren für alle Beschwerden.

Nach der Eröffnung durch den geschäftsführenden Vorstand des Count e. V., Dieter Steinle, gab Günter Giller vom Bundespost-Ministerium (Referent für Datex-P-Dienst) einen Statusbericht ab. 1100 Anschlüsse zählte Datex-P am 1. August 1982. Weitere 800 Anträge liegen vor. Allein im Juli 1982 betrug der Zuwachs 225 Hauptanschlüsse. Die verschiedenen Service-Dienste, wie die Anpassung nicht X.25-fähiger Endgeräte an das Netzwerk, werden ständig erweitert. Zusätzliche Dienstleistungen hieß deshalb ein separater Vortrag von Michael Fritzsche vom Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ) in Darmstadt.

Im Anschluß an den Statusbericht Gillers nahmen einige der anwesenden Anwender die Gelegenheit wahr, ihre Probleme und Bedenken vorzutragen. In der Vergangenheit gab es einige Merkwürdigkeiten, wie etwa einen Software-Release-Wechsel innerhalb des Vermittlungsnetzes. Man erinnerte sich voller Grauen an einen Montag, den 13. natürlich. Ganze Scharen von Datex-P-Benutzern suchten emsig den Fehler in der eigenen Hardware, beziehungsweise Software. Woher sollte man auch wissen, daß es einen Release-Wechsel gab, wenn nicht von der Post selbst. Von Engpässen in einigen Vermittlungsknoten wußte man zu berichten, immer dort, wo der geplante Ausbau der SL-10-Rechner noch nicht vollzogen ist. Bedingt dadurch sind lange Wartezeiten auf Neuanschlüsse. Oder kritische Fragen bezüglich der Wartungszeiten innerhalb des Netzes. Warum nicht in den Nachtstunden? Mit Günter Giller hatte man einen souveränen und geschickten Gegner in den Ring geschickt. Er gab eindeutige Aussagen zu vielen Fragen, nicht immer positiv, aber eben eindeutig. Auf Vorwürfe zu den Mißgeschicken der Vergangenheit statt Ausweichmanöver eine klare Sprache, die fast jeder verstehen muß: "Sorry, es ist uns passiert, wir bemühen uns aufrichtig, es in Zukunft besser zu machen." Auf die Frage, hat die Post etwa mit den SL-10-Rechnern die falsche Hardware erstanden, konterte Giller wie folgt: "In diese Ecke kriegen Sie mich nicht. Natürlich werden im Rahmen der Netzerweiterungen die derzeitigen Systeme irgendwann durch leistungsfähigere ersetzt. Die jetzige Version voll ausgebaut sieht 10 000 Teilnehmer vor. Schließlich kann man auf den Einsatz der gleichen Technologie in anderen Ländern (Kanada zum Beispiel) verweisen. Kein Grund also, die Funktionsfähigkeit des Systems überhaupt anzuzweifeln."

Die vorgestellte Anwendungspalette läßt sich sehen. Lothar Lux, Datev Nürnberg, berichtete über Erfahrungen bei der Implementierung von Datex-P-Diensten in das Datev-eigene Datennetz. Die BIK Frankfurt (Betriebswirtschaftliches Institut deutscher Kreditgenossenschaften), vertreten durch Raymund Eisele, stellte ihr Datex-P-Konzept vor. Geld-Transfer zwischen Geld-Instituten, heißt dort die Anwendung. Karl-Hein-Uhlemann, HZD Wiesbaden, präsentierte eine Datex-P-Lösung mit Siemens-6.600-Systemen. Realisiert wurde ein Finanzverbund. Die FIZ Energie, Physik, Mathematik GmbH, Karlsruhe, Dr. C. - D. Siems, wußte neben Datex-P auch über Erfahrungen beim Zugang in internationale Paketvermittlungsnetze zu berichten. Ganz ohne Schwierigkeiten lief es wohl selten ab. Zusammengefaßt entstand jedoch der Eindruck, daß sich die Bemühungen um den Aufbau eines kostengünstigen, weitgehend entfernungsunabhängigen Datenübertragungsnetzes in jedem Fall gelohnt haben. Bezüglich der Antwortzeiten und der Verfügbarkeit kamen viele positive Aussagen. Oftmals wurden die Erwartungen sogar überschritten.

"Paketfreie Kommunikation"

Wenn auch laut Programm nicht in Paketen geredet werden mußte, während der Get-together-Party am Abend des ersten Veranstaltungstages, über Datenpakete und deren Transport wurde reichlich diskutiert. Schließlich war man ja aus diesem Grunde hier. Warum man Datex-P-Anwender ist oder werden will? Wegen der günstigen Kosten natürlich und nicht zu vergessen, der Lichtblick mit X.25 endlich ein einheitliches Transportprotokoll mit beachtlichen Fähigkeiten zu fahren. Selbstverständlich waren auch Stimmen da, die behaupteten, es gäbe inzwischen bessere Protokolle. Stimmt sicher, besonders wenn man ein Protokoll anwendungsoptimiert betrachtet. Ähnlich wie bei der Problematik Programmiersprachen gilt es hier, sich zu entscheiden: genormtes Protokoll mit gewissen Einschränkungen oder anwendungsbezogene Insellösung. Welche Anwendung ist überhaupt Datex-P-geeignet? In diesem Punkt gibt es eine Menge Aufklärungs- und Analyse-Arbeit zu tun. Steht zum Beispiel geschrieben im Datex-P-Benutzerhandbuch und nicht nur dort: X.25 geeignet auch für den Stapelbetrieb. Eine sorgfältige Ist-Aufnahme und ein abschließendes Gespräch mit dem zuständigen Netzkoordinator der Post über die Höhe der Stapel, die Übertragungszeiten etc. sollte in jedem Fall geführt werden. Dies gilt eigentlich generell, wenn es um die Entscheidung für oder gegen Datex-P geht.

Herstellerkonzepte

Datex-P paßt nicht immer in das Herstellerkonzept. Besonders dann, wenn beachtliche Summen in die Entwicklung einer eigenen Netzwerkarchitektur investiert wurden, siehe IBM. Will man dem Kunden trotzdem X.25-Fähigkeiten demonstrieren, gilt es eine Lösung zu finden. Vorträge der Hersteller NCR, SEL und IBM im Rahmen dieser Veranstaltung beweisen, daß ein Umdenken in Richtung Einheitsübertragungs-Protokoll durchaus machbar ist, egal ob mittels Hardware- oder Softwarelösung. Datex-P ohne Verzicht auf das eigene Konzept. Geht das? Es geht, wenn der Preis keine Hauptrolle spielt. Das IBM-Rezept: Man umhülle auf der Hostseite mittels Softwarelösung seine hauseigene Netzwerkarchitektur (in diesem Fall SNA) mit einem X.25-Mantel. Auf der Remoteseite entfernt man einfach X.25, diesmal mittels Hardwarekonzept (NIA-BOX) und hat wieder seine eigene Hausmischung (SNA). Aufwendig? Schließlich ist man der Marktführer. Für den Kundenkreis, der diesen Umweg nicht akzeptiert, geht es auch ohne SNA, zum Beispiel mittels Einheitlicher Höherer Kommunikationsprotokolle (EHKP). Beispiel: Bildschirmtextrechner von IBM für die Deutsche Bundespost.

Dort wird EHKP 4 von IBM implementiert. Diverse Tests mit EHKP-Ebenen in den Stuttgarter IBM-Rechenzentren zeigten, daß es funktioniert. Es muß aber nicht immer eine Software- oder Hardwarelösung vom Hersteller sein, wenn es darum geht, nicht X.25-fähige Geräte X.25 zu machen. Es gibt inzwischen eine Reihe von Protokollkonvertern auf Ein-Port- oder Mehr-Port-Basis auf dem Markt. Sie übernehmen nach dem Black-Box-Prinzip Multiplexing, Konvertierung von Protokollen und einiges mehr. Der Vorteil gegenüber den PAD-Anpassungsdiensten innerhalb des Postnetzes: gesichertes Protokoll zwischen Vermittlungsknoten und Endgerät, sowie Preisvorteile.

Die Entwicklung einheitlicher höherer Kommunikationsprotokolle, gefördert vom Bundesministerium des Inneren, weist beachtliche Ergebnisse vor. Legt X.25 schon die untersten drei Ebenen nach ISO-Modell fest, warum nicht auch Vereinheitlichung auf den höheren Ebenen. Problematisch aber dann, wenn nationale Bemühungen internationalen Normungen weichen müssen oder sollen. Man rechnet damit. Immerhin gibt es auf internationaler Ebene zahlreiche Gespräche und auch schon vorzeigbare Erfolge. Heinrich Wortmann vom Bundesministerium des Inneren gab einen Statusbericht über nationale und internationale Bemühungen ab. Man könnte mehr tun, doch leider fehle im Moment das Geld dafür. Die existierende Software jedenfalls steht zur Verfügung. Ob und wann sie internationalen Normungen weichen muß, blieb in einigen Punkten offen.

Die Podiumsdiskussion am Schluß dieser Veranstaltung brachte eine ganze Wunschliste an Hersteller und Bundespost zu Tage. Ein paar Stichworte daraus: besserer Informationsfluß an die Anwender, beschleunigter Ausbau mancher Netzknoten, Fortführung der kooperativen, unbürokratischen Zusammenarbeit Anwender/Post und und und.

Nichtteilnehmer haben die Möglichkeit, den Tagungsband bei der Count-Geschäftsstelle Telefon: 0 70 32/7 21 59 gegen eine Kostenpauschale anzufordern.

*Paul Hofmann ist Marketingleiter der Wetronic Automation GmbH, München.